Leiterin der Stadtbücherei Dreieich geht in den Ruhestand

„Es gab über die Jahre immer neue Herausforderungen, immer neue Anreize, etwas auszuprobieren.“ Auch im Gespräch sprudelt Doris Bohländer-Schäfer, langjährige Leiterin der Stadtbücherei Dreieich, nur so vor Ideen. Doch die Umsetzung wird sie ihrer Nachfolgerin und dem Team überlassen. Denn am heutigen Freitag ist ihr letzter Arbeitstag. Nach genau 40 Jahren in der Stadtbücherei geht die 63-Jährige in den Ruhestand – „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Als Motto hat sie für sich gewählt: „Die guten Jahre habe ich hinter mir – jetzt kommen die besten!“
Dreieich - Der Beruf war für sie Berufung und hat ihr immer sehr viel Freude bereitet. „Schon in der zehnten Klasse wollte ich nichts anderes machen“, erzählt die gebürtige Odenwälderin. Und an der Umsetzung des Wunsches arbeitete sie beharrlich. Nach einer Stelle in der Zentralbücherei in Frankfurt setzte Bohländer-Schäfer sich bei einem Vorstellungsgespräch mit allen Magistratsmitgliedern gegen einige Mitbewerber durch und fing am 1. März 1982 als Diplom-Bibliothekarin in der Stadtbücherei Sprendlingen an. Verantwortlich war sie unter der damaligen Leiterin Renate Rauffmann für die Kinder- und Jugendbücherei. In dieser Position setzte sie 1984 eine Jugendbuchwoche mit zahlreichen Veranstaltungen sowie die Gründung eines Arbeitskreises Kinder- und Jugendliteratur aufs Gleis. 1989 folgte der An- und Neubau der heutigen Hauptstelle.
2001 übernahm sie die Nachfolge von Renate Rauffmann. Nach einer Woche Bedenkzeit sagte sie zu und hat es nicht bereut. „Ich bin eine Teamplayerin. Doch einer muss den Hut aufhaben und auch die Verbindung zum Rathaus halten“, sagt Bohländer-Schäfer.
Über die Jahre gab es jede Menge Neuerungen und die eingangs genannten Herausforderungen. „Deshalb blieb es immer spannend“, so die Leiterin. Und die von ihr zusammengestellte Liste ist beeindruckend. 2002 startete die EDV-Ausleihe und über die Jahre folgten die Neueröffnungen der Schul- und Stadtteilbüchereien Offenthal und Götzenhain sowie die Eröffnung der Bücherei in der Weibelfeldschule und des Selbstlernzentrums im HLL. 2010 gehörte Dreieich zu den 17 Gründungsmitgliedern der HessenOnleihe, 2021 waren 120 Bibliotheken im Verbund. Zur Liste gehören unter anderem auch eine moderne Präsentation der Medien, 2019 die Einführung des Musik-Streamingdienstes Freegal sowie die Umstellung der Ausleihe auf RFID-Technik mit zwei Selbstverbuchern 2021 in der Hauptstelle und aktuell mit jeweils einem Selbstverbucher in allen fünf Zweigstellen. „Wichtig ist es, mit der Zeit zu gehen und Neuerungen umzusetzen“, betont sie.
Höhepunkt war die Verleihung des Hessischen Bibliothekspreises 2018. Nachdem ein erster Anlauf 2017 gescheitert war, versicherte die Bücherei-Leiterin damals in einer Pressekonferenz dem damaligen Bürgermeister Dieter Zimmer, so lange bleiben zu wollen, bis es mit dem Preis klappt. „Hoffentlich müssen wir da noch lange warten“, antwortete dieser. Schon ein Jahr später war es dann soweit – „und ich blieb noch vier Jahre“, sagt sie mit einem Schmunzeln.
In ihren Anfangsjahren arbeitete die Bücherei noch mit Karteikarten, heute schreitet die Digitalisierung weiter voran. „Wir haben die EDV erst 2002 eingeführt, konnten so aber Kinderkrankheiten, wie sie in anderen Bibliotheken aufgetreten sind, vermeiden. Damit verbunden ist aber eine ständige Pflege.“ Trotz Onleihe steht auch die herkömmliche Ausleihe der Medien weiter hoch im Kurs. „Manche nutzen beides, manche schätzen es weiterhin, richtige Bücher in den Händen zu halten.“
Natürlich geht es heute in einer Stadtbücherei um viel mehr als um die Ausleihe von Medien. Bohländer-Schäfer greift dazu den mittlerweile gängigen Begriff „Dritter Ort“ auf. „Das sind wir längst.“ Die Stadtbücherei ist ein Ort zum Lernen, ein Kommunikations- und Begegnungszentrum, ein „Wohnzimmer für die Stadt“. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen gilt es, die Einrichtung wieder hochzufahren. Bohländer-Schäfer ist sicher, dass an die Zeiten vor Corona angeknüpft werden kann. „Wir hatten schon einige rekordverdächtige Tage mit mehr als 1 000 Ausleihen.“
Auch wenn sie weiter für ihren Beruf brennt, sei nun der Zeitpunkt zum Aufhören gekommen. „Ich gehe mit einem sehr guten Gefühl und bin zuversichtlich, dass die Bücherei bestens aufgestellt ist für den weiteren Weg in die digitale Zukunft.“ Mit Julia Deißler, seit 2015 ihre Stellvertreterin, sei die Nachfolge bestens geregelt.
Bohländer-Schäfer hat sich einiges vorgenommen für die Zeit nach dem Berufsleben. So will sie sich verstärkt in die evangelische Petruskirchengemeinde an ihrem Wohnort Urberach einbringen, wo ihr Mann Prädikant ist. Auf der Liste stehen zudem Reisen, nicht nur an die Nordsee – „unsere zweite Heimat“ – sondern auch nach Amsterdam, mit der Hurtigrutenlinie und zu Konzerten. Ganz wichtig ist ihr die Pflege von Freundschaften: „Ich habe den Wunsch nach einer Zeitreise und möchte alle Freunde besuchen, die mich mein Leben begleitet haben: von Schweden bis Oberstdorf.“ Und natürlich wird sie auch bei Veranstaltungen und Lesungen in der Stadtbücherei dabei sein – dann als Gast.
Von Holger Klemm
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