Leitungswechsel im Beratungszentrum West in Dreieich

Zum Ende des Monats räumt Gudrun Nagel ihren Schreibtisch im Beratungszentrum West in der Frankfurter Straße in Dreieich. 16 Jahre lang leitete die Diplom-Pädagogin die Einrichtung, die die Menschen aus dem Westkreis aufsuchen, wenn sie Probleme haben. In den Büroräumen im zweiten und dritten Obergeschoss wird bei Erziehungsproblemen ebenso geholfen wie bei Schulden oder Suchtproblemen. Dazu wird die Schulsozialarbeit organisiert und die Schulbegleitung von Kindern mit Einschränkungen.
Dreieich - Als Gudrun Nagel 2006 Chefin wird, hat sie eine besondere Aufgabe: Die Landesregierung hat die „Operation sichere Zukunft“ beschlossen und will die Beratungseinrichtungen bündeln, um Synergieeffekte zu nutzen. „Die Herausforderung war damals, dass unterschiedliche Angebote unterschiedliche Träger hatten. Die Suchtberatung ist unter dem Dach des Wildhofs, die Schuldnerberatung gehört zur Diakonie, die Erziehungsberatung ist im Kreis angesiedelt. Diese Bereiche haben wir unter der Trägerschaft der Paritätischen Projekte gGmbH zusammengeführt“, erläutert Gudrun Nagel. Heute arbeiten im Team 15 Fachleute, darunter Pädagogen, Soziologen und Psychologen, die mit Fachkompetenz und Fingerspitzengefühl helfen. 2019 sind es mehr als 700 Familien, die sich Unterstützung in der Erziehungsberatung holen, insgesamt hilft das Team rund 2000 Klienten im Jahr. „Jeder wird individuell nach seiner Problemlage beraten. Das erfordert große Flexibilität von unseren Mitarbeitern“, weiß Nagel, die das Beratungszentrum „fast als Lebenswerk“ bezeichnet: „Familienleben ändert sich, unsere Gesellschaft ändert sich, aus diesem Grund müssen auch wir und unsere Mitarbeiter, um die hohe Qualität zu wahren, uns ständig weiterentwickeln und uns an den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Das klappt gut, weil alle Kollegen eine große Zugehörigkeit spüren und wir gemeinsam die Verantwortung für das Haus tragen“, hat Gudrun Nagel viel Lob für ihr Team. Es sei eine anspruchsvolle Arbeit, weil die Mitarbeiter schwierige Gespräche führen, belastende Momente erleben – das müsse im Team getragen werden. Es brauche Vertrauen untereinander, gegenseitige Wertschätzung und eine Arbeitssituation ohne Konkurrenz.
Betül Gülmez-Götzmann, die ab dem 1. Juli neue Leiterin ist, will diese Arbeit nach dem Vorbild Gudrun Nagels weiterführen. Die Soziologin mit familientherapeutischer Ausbildung und Mediatorin weiß, was sie erwartet. Seit acht Jahren gehört sie zum Beratungsteam und hat, weil ihre Tochter jetzt mit 17 Jahren erwachsen wird und sie familiär nicht mehr so eingebunden ist, gerade ihre Stelle von 30 auf 40 Stunden aufgestockt. „Für mich war es jetzt ein guter Zeitpunkt, mehr Verantwortung zu übernehmen, ich fühle mich bereit dazu und freue mich darauf“, sagt Betül Gülmez-Götzmann. Sie weiß um die Herausforderungen. Die Pandemie war insbesondere für die Familien eine große Belastung, Kinder leiden unter den Folgen, es gibt viele Anfragen von Eltern, deren Kinder von Ängsten geplagt sind, zur Sozialkompetenz. Dazu soll es in Zukunft Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche geben. Auch das Thema Schulsozialarbeit wird die Mitarbeiter noch stärker als bisher beschäftigen, denn der Kreis hat im April beschlossen, das Angebot auf alle Schulen auszuweiten und damit auch die Grundschulen mit Schulsozialarbeitern auszustatten. Damit werden deutlich mehr Schulsozialarbeiter als bisher an das Beratungszentrum angedockt. Das in Corona begonnene Online-Vortragsangebot soll weitergeführt werden: „Wir hatten zu unserem Vortrag ,Pubertät ist, wenn Eltern komisch werden‘ 200 Anmeldungen, deutlich mehr, als wenn wir die Veranstaltung in Präsenz anbieten“, berichtet Gülmez-Götzmann. Jetzt stehen noch Elternabende zum Thema Cybermobbing und Mediensucht an.
Für Gudrun Nagel ist es ein gutes Gefühl, das Beratungszentrum intern in erfahrene Hände weiterzureichen. „Das bedeutet für mich, dass die Kultur des Hauses wie gewohnt weitergetragen werden kann, es verspricht Kontinuität, das ist gut“, findet die scheidende Chefin. Weitere Infos zu den Angeboten gibt es auf der Internetseite. (Nicole Jost)