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Mit vereinten Kräften zum Erfolg

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An den Wänden und bei der Abschlussprüfung ging alles glatt: Amroddin Quraishi hat den Gesellenbrief im zweiten Anlauf geschafft. Unterstützung gab es von seinem Chef, Malermeister Andreas Graf, und Joachim Eichhorn, Regionalkoordinator des Senior Experten Services.
An den Wänden und bei der Abschlussprüfung ging alles glatt: Amroddin Quraishi hat den Gesellenbrief im zweiten Anlauf geschafft. Unterstützung gab es von seinem Chef, Malermeister Andreas Graf, und Joachim Eichhorn, Regionalkoordinator des Senior Experten Services. © ritz

Amroddin Quraishi aus Afghanistan, der in Götzenhain lebt, hat mit Unterstützung von Ehrenamtlern seine Gesellenprüfung als Maler und Lackierer geschafft.

Dreiech - In Deutschland fehlen laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mehr als eine halbe Million Fachkräfte. Vor allem im Sozialbereich wie etwa der Erziehung, der Pflege oder im Handwerk wird Personal gesucht. Die Ausbildung und Qualifizierung von Flüchtlingen kann den Fachkräftemangel mindern, die Integration verbessern und somit ein Gewinn für die ganze Gesellschaft sein.

Amroddin Quraishi aus Afghanistan hat gezeigt, dass es klappen kann mit der Integration und dem Handwerksberuf. Der 24-Jährige aus Götzenhain hat im Januar seine Gesellprüfung als Maler- und Lackierer bestanden – im zweiten Anlauf und weil ihm viele geholfen haben. „Sei’s drum, geschafft ist geschafft“, sagt sich der junge Mann.

Dankbar für die Hilfe

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Um ein Kind zu erziehen, braucht man ein ganzes Dorf.“ Auch auf dem Weg ins Berufsleben sind manchmal viele Unterstützer nötig, die Schulabgänger in schwierigen Momenten motivieren, für Orientierung sorgen, Nachhilfe ermöglichen, mit ihnen die praktische Arbeit üben und die richtigen Impulse geben, um die große Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren. Amroddin Quraishi kam 2015 aus Afghanistan. Er ist dankbar für all diese Hilfe. Er hat sein erstes großes Ziel jetzt erreicht und die Etappe zum Einstieg ins Berufsleben erfolgreich absolviert. Der Malerbetrieb Graf in Götzenhain spielte dabei eine besondere Rolle. Geschäftsführer, Malermeister, Energieberater und Betriebswirt Andreas Graf gab Amroddin Quraishi vor vier Jahren eine Chance. „Bei uns kann jeder erst einmal den Betrieb und die Arbeit im Maler- und Lackierhandwerk kennenlernen“, sagt der Geschäftsinhaber, der sieben Leute beschäftigt und die Angebote einer herkömmlichen Malerfirma um das Sortiment Ökologisches Bauen durch Lehmbau, Lehmdekore und Farben erweitert hat.

Wenn junge Leute sich für den Handwerksberuf interessieren, empfiehlt Andreas Graf ihnen, den Berufsalltag während eines Praktikums kennenzulernen. „Dabei könnten beide Seite, der potenzielle Lehrling und das Unternehmen, feststellen, ob es passt“, sagt der Malermeister. Andreas Graf hält nichts davon, dass Praktikanten auf der Baustelle nur zusehen wie Kolleginnen und Kollegen arbeiten, sondern sie sollten selbst mitmachen und die Praxis ausprobieren, dann falle die Entscheidung leichter und es gebe später keine Enttäuschung. Abseits der theoretischen und praktischen Kompetenzen hält es Andreas Graf außerdem für wichtig, dass der Auszubildende gut ins Team passt und aufgenommen wird. „Keiner will Stress auf der Baustelle.“

Handwerk intensiv kennengelernt

Amroddin Quraishi hat das Maler- und Lackiererhandwerk bei der Firma Graf über viele Monate hinweg intensiv kennengelernt. Für ihn wurde klar: „Ja, das will ich machen.“ Doch damals wusste er selbstverständlich noch nicht, welche Aufgaben auf ihn in der Berufsschule zukommen. „Deutsch und Mathematik sind ein großes Problem“, musste er bald feststellen. In seiner Heimat konnte er den Unterricht nicht so viele Jahre besuchen, wie das Kindern in Deutschland möglich ist, da in Afghanistan vor der Haustür seines Dorfes der Krieg tobte und die Schule zerbombt wurde.

„Gute Sprachkenntnisse sind das A und O, daran kommt niemand vorbei“, betont Malermeister Graf. Im Handwerksberuf, in diesem Fall als Maler, seien die Gespräche mit Kunden, etwa die Farbberatung und vieles mehr, wichtig, so Graf, der mit den praktischen Fähigkeiten seines Lehrlings zufrieden war.

Unterstützung durch Fachleute

Die Unterstützung in der Theorie kam überwiegend von einer anderen Seite: „VerA“ heißt die Retterin in der Not, die schon vielen Lehrlingen auf dem Weg zur Gesellenprüfung Wissen vermittelt und Selbstbewusstsein gegeben hat. Die vier Buchstaben stehen für „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“. Die bundesweite Initiative wurde von der Ehrenamtsorganisation Senior Experten Service (SES) initiiert und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Dabei unterstützen Fach- und Führungskräfte, die sich im Ruhestand oder in einer beruflichen Auszeit befinden, junge Menschen in der Ausbildung. Laut SES wird ein Viertel aller Ausbildungsverträge vorzeitig beendet. Diese Quote wollen die Fachleute verbessern.

„Wir bieten eine Einzelbegleitung an und helfen den Auszubildenden individuell mit Angeboten, die auf sie abgestimmt sind“, sagt Joachim Eichhorn aus Neu-Isenburg, Regionalkoordinator für Südhessen im VerA-Mentorenprogramm. Der Ruheständler und ehemalige Bankangestellte hat Amroddin Quraishi in den vergangenen Monaten, insbesondere nachdem er in der ersten praktischen Prüfung durchgefallen war, intensiv unterstützt und bis zum erfolgreichen Abschluss der Gesellenprüfung im zweiten Durchgang begleitet.

Brücken bauen

Joachim Eichhorn sowie seine Kolleginnen und Kollegen vom SES betrachten ihre Schützlinge immer ganzheitlich, das heißt Hilfestellung gibt es sozusagen in allen Lebenslagen. Im Falle von Geflüchteten, die sich im Übergang von der Schule zum Beruf oder bereits in einer Ausbildung befinden, bedeutet das, „wir bauen Brücken, helfen bei der Korrespondenz mit Behörden, vermitteln und finden im lokalen Netzwerk der Unterstützenden weitere Aktive, die die jungen Menschen auf ihrem Weg voranbringen“, so Joachim Eichhorn.

Auch „VerA“ selbst könne Hilfe gebrauchen, denn die Zahl der Lehrlinge mit Schwierigkeiten werde größer. „Wer bei uns als Mentor mitarbeiten möchte, ist willkommen“, sagt Eichhorn, der den Kontakt zu dem frischgebackenen Malergesellen noch nicht abgebrochen hat. Vielleicht braucht Amroddin Quraishi doch noch ein wenig Anschub, denn nach der Devise „Lebenslanges Lernen“ steht bald die nächste Prüfung an. Graf hofft, dass sein Mitarbeiter den Führerschein macht, um selbstständiger arbeiten zu können. „Ich melde mich jetzt an“, sagt Quraishi. Den Gesellenbrief in der Tasche, geht er diese Aufgabe jetzt mit mehr Selbstbewusstsein an und hofft, dass er demnächst mit dem Firmenbus zu Baustellen und Kunden fahren kann.

Weitere Infos

gibt es bei Joachim Eichhorn, Regionalkoordinator des Senior Experten Services für Südhessen, Telefon 0173 3032145 oder per E-Mail: suedhessen@vera.ses-bonn.de, vera.ses-bonn.de

Von Achim Ritz

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