Netzwerk in Dreieich gebildet

Seit dem Beginn des Angriffskriegs von Putin auf die Ukraine am 24. Februar ist auch in Dreieich ein regelrechtes Netzwerk zur Unterstützung von Flüchtlingen entstanden, die vor Ort unter anderem bei Familien untergekommen sind. Auf verschiedene Art und Weise wird Hilfe angeboten. Und auch die Flüchtlinge organisieren sich selbst und haben bereits eine Art Community gebildet.
Dreieich - „Ich bin gerührt von der Anteilnahme und Offenheit der Bevölkerung hier“, sagt Tatjana Romanko, die aus der besonders umkämpften Stadt Charkiw in der Ostukraine stammt und seit dem 6. März in Dreieich ist. Untergekommen ist sie bei Dina und Vladimir Maschaev. Das aus Weißrussland und der Ukraine stammende Paar hat schon lange in der Stadt Fuß gefasst. Als der Krieg begann, wollten sie aber wie viele andere nicht untätig bleiben. Sie nahmen nicht nur zwei Familien bei sich auf, der Mann von Dina Maschaev organisierte auch Hilfstransporte, die er an die ukrainische Grenze brachte. Durch seine Kontakte wusste er, was dort besonders dringend gebraucht wird.
„Wir Frauen kümmern uns um die Familien vor Ort“, erzählt Maschaev. Neben Hilfsangeboten und der Unterbringung von Familien im gesamten Rhein-Main-Gebiet versucht sie auch für Ablenkung von den schrecklichen Erlebnissen und Nachrichten zu sorgen. So stellte sie mit großer Unterstützung zu Ostern ein Fest in Dreieichenhain für ukrainische Familien mit ihren Kindern auf die Beine und brachte ihnen die katholische Sicht des Festes näher.
Auch zum orthodoxen Osterfest am vergangenen Wochenende gab es eine Veranstaltung, diesmal in Buchschlag, wie Swetlana Kluev-Obholz berichtet, die an diesem Vormittag zu Gast bei Maschaev ist. Die russischstämmige Frau setzt sich ebenfalls stark für die Flüchtlinge ein. „Das machen wir alle“, betont sie. In ihrem Begegnungszentrum Nimaks-Kids in Buchschlag wurde eine Betreuung vormittags für ukrainische Kinder auf die Beine gestellt. Da kommt sie zusammen mit Dina Maschaev auf einen wichtigen Punkt zu sprechen, der beiden unter den Nägeln brennt.
Um die gut 100 Mädchen und Jungen im Kindergartenalter, die sich mittlerweile in Dreieich befinden, zu betreuen und diese möglichst schnell mit der Sprache vertraut zu machen, wünschen sich beide mehr Einsatz der Stadt. „Uns ist klar, dass angesichts der fehlenden Kita-Plätze die ukrainischen Kinder nicht bevorzugt werden können“, betont Dina Maschaev. Doch es gebe ukrainische Erzieherinnen, die einsteigen könnten, und auch Räume seien vorhanden. „Wir würden uns darum kümmern“, sagt sie, die auf ehrenamtliche Hilfe bauen kann. Es fehle aber die Unterstützung durch die Stadt. Auch das Angebot bei den Nimaks-Kids wird von Swetlana Kluev-Obholz ehrenamtlich auf die Beine gestellt. Für beide ist es wichtig, dass es rasch ein Betreuungsangebot gibt. Dina und Swetlana möchten ein Konzept entwerfen und es schnellstmöglich der Stadt vorlegen.
Beeindruckt zeigt sich Maschaev dagegen von der Aufnahme ukrainischer Kinder an den Schulen. Sie kann da für die Ludwig-Erk-Schule sprechen, wo die Lehrerinnen und Lehrer sich sehr um die Neuankömmlinge kümmern. Eine Pädagogin habe kleine Tafeln als Übersetzungshilfe entwickelt. Es ist eine sehr schwierige Situation für alle, sowohl für die Kinder, für die Lehrer als auch für die Klassen. Doch es wird nach Lösungen gesucht.
Überhaupt kann sie von schönen Beispielen des Engagements und der Anteilnahme sprechen. Die Hortkinder malten beispielsweise ein Willkommensplakat für die Kinder, die bei den Maschaevs untergekommen sind, und brachten es mit kleinen Geschenken vorbei.
Mittlerweile gibt es Treffpunkte für die Kinder beim TVD oder für die Erwachsenen im katholischen Gemeindezentrum sowie bei der evangelischen Burgkirchengemeinde. Dort treffen sich die Frauen, um sich auszutauschen und Deutsch zu lernen. Doch bei aller Sicherheit und Geborgenheit in Dreieich bleibt die Sorge um die Männer und Verwandten, die in der Ukraine geblieben sind. „Sie telefonieren täglich nach Hause“, sagt Dina Maschaev.
„Wir müssen den Flüchtlingen Zeit geben. Sie müssen sich finden und mit der neuen Situation umgehen“, führt sie weiter aus. Auch wenn viele so schnell wie möglich zurück in die Heimat wollen, glaubt Dina Maschaev nicht, dass das so schnell möglich sein wird. „Selbst wenn der Krieg bald beendet werden sollte, wird der Wiederaufbau Jahre dauern.“
Von Holger Klemm
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion