Rundweg zu den Buchschlager Besonderheiten

Wäre es nicht schön, ein bisschen mehr über die Häuser und deren einstige Bewohner zu erfahren, wenn man durch ein altes Stadtviertel flaniert? In der Villenkolonie im Dreieicher Stadtteil Buchschlag wird das Besuchern künftig möglich sein: Der Geschichtsverein Buchschlag hat einen Rundweg mit 15 Häusern durch den alten Teil Buchschlags konzipiert. Die erste Station ist bereits mit einem Musterstück realisiert.
Dreieich - Das große grüne Schild am Eingangstor des Forstwegs 12 ist gut erkennbar. Es fällt mit seiner weißen Schrift, dem Logo des Geschichtsvereins Buchschlag und dem kleinen Wappen des Landesamts für Denkmalpflege den Spaziergängern in der Villenkolonie ins Auge. Der Leser erfährt, dass der Offenbacher Architekt Alois Beck das Haus im Jahr 1911 entworfen hat und es zu einem Ensemble aus drei Häusern im neoklassizistischen Stil gehört. Auch der erste Bewohner findet Beachtung, es war Hans-August Müller-Lässig, der mit seiner Familie das Haus zwischen 1915 und 1928 bewohnte und der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zum Bürgermeister gewählt wurde. Schon beim Lesen wird klar, wie intensiv die Mitglieder des Geschichtsvereins geforscht haben. „Es war eine faszinierende Spurensuche in verschiedenen Archiven auch in Frankfurt und Darmstadt. Wir haben versucht, der Geschichte der Häuser und Menschen nachzuspüren. Das hat großen Spaß gemacht“, erklärt Isabel Schilling, die Vorsitzende des Geschichtsvereins.
Sie erläutert bei einem kleinen Rundgang zu den markantesten Häusern die Motivation für die große Recherchearbeit der vergangenen Monate: „Nur was man kennt, kann man auch achten“, liegt Schilling der Schutz der Häuser am Herzen. Vorstandsmitglied Christel Thomson ergänzt, man wolle die Wahrnehmung für das Besondere an Buchschlag stärken, der flächenmäßig größten denkmalgeschützten Anlage des Kreises mit mehr als 100 einzelgeschützten Denkmalen. „Wir wollen darauf aufmerksam machen: regional, aber auch überregional.“
Der Rundweg soll damit auch ortsfremden Besuchern einen Einblick in die Besonderheiten der Straßenzüge geben. Die Geschichte des gescheiterten Jakob Latscha, der Buchschlag eigentlich für bezahlbaren Wohnraum vorgesehen habe, sei weithin bekannt. „Aber auch er hatte nicht die Arbeiter im Sinn, sondern eher die Beamten und Angestellten. Aber Buchschlag ist eben viel mehr als dieser nicht umgesetzte Latscha-Entwurf, nämlich ein großer Treffpunkt vieler visionärer Architekten ihrer Zeit. Hier waren Meister ihres Fachs wie Wilhelm Koban, Friedrich Pützer oder Professor Hugo Eberhardt mit mehreren Häusern aktiv, die es wert sind, sie zu erhalten“, so Thomson. Auch wenn es heute so idyllisch ist im Villenviertel, die ersten Hauseigentümer, die um 1910 Grundstücke – übrigens für eine Mark den Quadratmeter – kauften, ließen sich auf ein Abenteuer ein. „Das Leben damals ist fast als primitiv zu bezeichnen, weit entfernt von jeglichem Luxus. Es gab kein Wasser und keinen Strom. Die Leute hatten zwar große Grundstücke, aber sie lebten eigentlich mitten im Wald ohne jegliche Infrastruktur“, weiß Kim Bagus.
Bei ihr am Haus wird es ebenfalls ein Schild geben und sie hat direkt eine schöne Anekdote zu ihrem Zuhause parat: Der Schauspieler Theo Lingen lebte einst als Untermieter in dem Haus im Falltorweg. Die Buchschlager mochten ihn nicht – lernte er doch halb nackt am Fenster seine Texte. Auch Bertolt Brecht hatte was gegen Lingen. Er „klaute“ dem Dichter die Frau, weswegen die Villenkolonie auch in einigen Briefen Brechts verewigt ist.
Der Rundweg wird am Bahnhof in Buchschlag starten und führt durch die Eleonorenanlage, den Falltorweg, den Kohlseeweg, die Ernst-Ludwig-Allee, den Bogenweg und den Forstweg zurück zum Bahnhof. 15 Villen werden eine Nummer erhalten, ergänzt wird diese Information durch drei größere Tafeln zur Historie des Ortes. „Wir träumen noch von einem Audio-Guide zu dem Rundweg. Da könnten wir Originaltöne einspielen, das wäre sicher unterhaltsam“, erzählt Kim Bagus von einer gewünschten Weiterentwicklung des Weges.
Zusätzlich zu den 18 Stationen des Rundgangs wird es weitere Informationstafeln zu interessanten Gebäuden geben, die nach und nach montiert werden können. „Diese ,offene Struktur’ gibt uns die Möglichkeit, zeitlich unbefristet und ohne Druck zu arbeiten, jederzeit sind Ergänzungen möglich“, sagt Christel Thomson.
Bürgermeister Martin Burlon überreichte einen Scheck in Höhe von 2500 Euro zur Förderung des Projektes, das insgesamt einen Betrag im hohen vierstelligen Bereich kosten wird. Bis Ende des Jahres sollen dann die Schilder an den Häusern angebracht sein.
Von Nicole Jost