Zeit zum Kaufen ist günstig

Die Zeiten der Knappheit sind vorbei, die Lager gefüllt, der Frühling kann kommen. Und damit die Lust, wieder in die Pedale zu treten. In der Pandemie war die Nachfrage bei Händlern riesengroß, das Angebot aber überschaubar, weil Lieferketten unterbrochen waren. Nun können Händler und Kunden wieder aus dem Vollen schöpfen. Die Verbände der Zweiradindustrie und des Fahrradhandels befürchten indes, dass die „Corona-Sonderkonjunktur“ für die Branche vorbei ist. Wir haben uns bei den Händlern in Dreieich umgehört.
Dreieich - Guido Engel hat früh aufs richtige Pferd gesetzt. „Als ich 2009 mein Geschäft eröffnet habe, wurde ich von vielen belächelt. Nur E-Bikes alleine, das kann doch nicht funktionieren“, erinnert sich der Geschäftsführer von Engel Elektromobile an die Reaktionen von Skeptikern. Inzwischen darf sich der 66-Jährige mit Fug und Recht als Pionier der E-Bike-Branche sehen. Der Familienbetrieb, in dem die Söhne Frank und Lukas mitarbeiten, setzt ausschließlich auf Fahrzeuge mit Motor. Zum Sortiment gehören neben Fahrrädern unter anderem auch noch Roller und Kabinenroller.
Qual der Wahl
Nach den Engpässen in der Coronazeit haben die Kunden jetzt wieder die Qual der Wahl. „Die Räder, die eigentlich im Mai 2022 kommen sollten, wurden erst im Herbst geliefert“, berichtet Engel. Und jetzt kommen die Modelle für 2023. Gerade bei den 22er Modellen lassen sich Nachlässe aushandeln, denn im Lager wird Platz gebraucht. E-Bikes liegen weiterhin voll im Trend, „aber wir spüren die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs“, sagt Engel. Inflation, steigende Energiepreise – die Leute schauen mehr aufs Geld. Ein konstant guter Umsatzträger ist nach Engels Worten die Leasingsparte.
„Wir haben eine gute Auswahl“, sagt Dean Szczuka. Der Inhaber des Bikeladens Threeoak in Sprendlingen hat mit Partnern gerade in Sachsenhausen noch einen zweiten Shop eröffnet. Bei Szczuka gibt’s auch E-Bikes, „aber wir verkaufen immer noch mehr Bio-Bikes“. Das Steckenpferd des 35-Jährigen sind Gravelbikes. Das sind – vereinfacht erklärt – Räder, mit denen man nicht nur auf Straßen, sondern auch auf Kies und Schotter komfortabel und sportlich unterwegs sein kann. Nach dem Winter, für Fahrradhändler traditionell eine maue Zeit, nimmt das Geschäft jetzt so langsam Fahrt auf. Auch bei Szczuka sind Rabatte drin. Er sagt aber auch: „Mit Onlinepreisen können wir nicht mithalten.“ Will der Zweiradmechaniker auch gar nicht. „Zu unseren Stärken zählen Beratung, Service und Wartung.“
Unterschiede bei den Herstellern
Peter Möck, Chef von Zweirad Möck in der Daimlerstraße in Dreieichenhain und Fahrradfachmann in zweiter Generation, kennt die Schwierigkeit mit den für die Saison 2022 erst im Herbst gelieferten Rädern und den jetzt vollen Lagern mit Modellen aus den Jahren 2022 und 2023. „Aber es gab Unterschiede bei den Herstellern. Mit einigen konnten wir schon reden und sie waren fair und wir mussten nicht alle Räder abnehmen“, erklärt Peter Möck. Für Leute, die jetzt ein Fahrrad suchen, ist der Zeitpunkt gut: „Nicht nur wir als Händler haben jetzt eine große Auswahl. Auch die Lager unserer Großhändler sind voll – das hat schon einen Einfluss auf die Preise und ermöglicht auch schnelle Bestellungen“, erläutert Möck.
Bei ihm ist der Absatz von E-Bikes und Bio-Bikes etwa gleich stark. Er macht sich im Augenblick keine allzu großen Sorgen: „Während der Pandemie herrschte natürlich Ausnahmezustand. Zum Teil kamen 50 Räder am Tag zur Reparatur und der Laden war komplett ausverkauft“, erinnert er sich. Das Fahrrad liege, auch wenn der ganz große Ansturm nachgelassen habe, immer noch im Trend: „Die Menschen wollen sich gesund bewegen, der Umweltgedanke spielt eine immer größere Rolle. Da sind das Fahrrad und das E-Bike, mit dem die Leute sehr bequem auch größere Reichweiten erzielen, eine gute Lösung“, sagt der Fachmann, dessen Geschäft im nächsten Jahr 60 Jahre besteht.
Kein Dreieicher Problem
Der vierte Dreieicher Fahrrad-Händler ist Peter Ringeisen mit seinem Geschäft Fahrrad Dreieich in der Offenbacher Straße. „Das Thema mit den vollen Lagern ist ja kein Dreieicher Problem. Ich bin im Verband, wir sind im regen Austausch, das treibt gerade alle Händler um“, sagt Ringeisen. Er spürt eine gewisse Zurückhaltung bei den Kunden, aus den von Guido Engel genannten Gründen. Bei ihm im Geschäft werden ebenso viele E-Bikes wie normale Räder verkauft. „Besonders wichtig ist mir eine gute und ehrliche Beratung“, sagt Ringeisen, der seit 1974 im Fahrradgeschäft ist.
Von Frank Mahn Und Nicole Jost
