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Boxen geht auch ohne Fäuste

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Der Chef hat selbst ein Handicap: Der Egelsbacher Boxstudio-Betreiber Senaid Salkicevic (links) im Training mit Daniel Fener.
Der Chef hat selbst ein Handicap: Der Egelsbacher Boxstudio-Betreiber Senaid Salkicevic (links) im Training mit Daniel Fener. © kegler

Die „Fäuste fliegen“ hier ganz kontrolliert und zielgerichtet: Im Studio der Super Cup Kickboxing Academy haben sich knapp zwei Dutzend Sportlerinnen und Sportler in einem großen Kreis versammelt, um erste Erfahrungen oder tiefere Einblicke in die Welt des Kampfsportes zu sammeln. Anlass ist ein Trainingstag des Inklusionsprojekt „BYOH“.

Egelsbach – In der Mitte des Studios steht Senaid Salkicevic, Inhaber der Egelsbacher Sportstätte, selbst Profi-Kickboxer und mehrfacher Weltmeister. Eines hat er jedoch mit vielen im Raum gemeinsam: ein Handicap. Salkicevic fehlt ein Bein, andere haben amputierte Arme. Dennoch wollen sie gemeinsam mit Menschen ohne Beeinträchtigung Kampfsport betreiben. Dass dieses Vorhaben funktionieren kann, beweist Yasmin Uygun. Die Boxerin hat vor rund vier Jahren das Inklusionsprojekt BYOH (Be Your Own Hero – Sei dein eigener Held) ins Leben gerufen und bringt seither bei ihren Events in verschiedensten Sportstudios bundesweit Menschen mit und ohne Handicap zusammen – so auch an diesem Tag in Egelsbach. „Ausgangspunkt war ein Instagram-Video, das einen Menschen mit Handicap zeigte, der Kampfsport macht. Er hat mich mit seiner Hingabe zum Sport begeistert, und ich habe mich gefragt, wieso nicht mehr Menschen mit Handicap den Kampfsport für sich entdecken“, schildert sie. „Das große Anliegen ist, Sportler mit Handicap zu motivieren, sich auch einfach mal in einem Fitnessstudio anzumelden und diese im Gegenzug zu sensibilisieren, Menschen mit körperlichen Einschränkungen zuzulassen.“

Eine besondere Erfahrung

Die Events sind dabei immer ähnlich aufgebaut: Nach einem ersten Warm-up gibt es Übungen im Bodenkampf und im Stand, gefolgt von einem kleinen Cool Down. „Natürlich hängt alles davon ab, wie fit und motiviert die Gruppe dabei ist“, erklärt Salkicevic, der am heutigen Tag auch als Trainer fungiert. Für ihn ist es das erste Mal, dass er ein Training dieser Form – für eine Gruppen von Menschen mit und ohne Handicap – anbietet. In seiner aktiven Karriere als Kampfsportler sei er bisher meist der einzige mit einem Handicap gewesen. „Ich muss auch erst mal ausprobieren, was funktioniert und wie die Sportler untereinander interagieren können“, so Salkicevic.

Konzentriert: Andrea Treber (links) fehlt seit der Geburt die linke Hand, dennoch übt sie lange Kampfsport aus. Das „Be Your Own Hero“-Projekt ist für sie eine tolle Gelegenheit, um mit anderen Sportlern in Kontakt zu kommen.
Konzentriert: Andrea Treber (links) fehlt seit der Geburt die linke Hand, dennoch übt sie lange Kampfsport aus. Das „Be Your Own Hero“-Projekt ist für sie eine tolle Gelegenheit, um mit anderen Sportlern in Kontakt zu kommen. © Moritz Kegler

Nach den ersten Übungen zum Warmwerden geht es richtig los: Die Teilnehmenden legen die Ausrüstung mit Handschuhen und Schützern für die Schienbeine an, damit sie erste Schläge und Tritte ausprobieren können. Unter den sportlichen Kämpferinnen ist Andrea Treber. Der Bischofsheimerin fehlt seit ihrer Geburt die linke Hand, sie ist aber dennoch seit 20 Jahren im Kampfsport aktiv. „Ich habe über den Podcast von Yasmin Uygun von diesen inklusiven Events erfahren und sie dann einfach gefragt, wann sie mal hier in der Umgebung unterwegs ist“, erzählt sie. Da sie in ihrem Umfeld bisher niemanden mit Handicap hatte, ist diese Erfahrung etwas ganz Besonderes: „Es ist einfach großartig, mit so vielen verschiedenen Menschen zusammen zu trainieren.“

„Ich denke, es ist wichtig, die Berührungsängste zwischen Menschen mit und ohne Handicap abzubauen. Dabei ist solch ein Event sehr hilfreich“, meint Daniel Fener. Der Darmstädter Sportwissenschaftsstudent trainiert bereits seit einiger Zeit mit zwei amputierten Beinen bei Senaid Salkicevic, der ein großes Vorbild für ihn ist. Bei seinen Kursen im Studium trainiert Fener bereits zusammen mit Menschen ohne Handicap. Das inklusive Sportevent hat für ihn aber noch einmal einen ganz anderen Reiz: „Es macht superviel Spaß und jeder ist gut drauf. Ich hätte gerne mehr davon!“

Dies zu ermöglichen, ist für Salkicevic ein großes Anliegen. „Meine Profikarriere neigt sich langsam dem Ende entgegen. Ich werde nächstes Jahr noch einen Abschiedskampf geben und mich dann voll auf mein eigenes Studio hier konzentrieren“, kündigt er an. Nach dem ersten Inklusions-Event bleibt zu wünschen, dass noch viel mehr Menschen diese Erfahrung machen können – und gerade dabei lernen, die Berührungsängste mit Gehandicapten abzulegen.

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