Nicht nur in Egelsbach: E-Flugzeuge auf dem Vormarsch

Der Traum vom Fliegen fasziniert die Menschheit, seitdem Luftfahrtpioniere wie Otto Lilienthal oder die Brüder Wright erstmals abgehoben sind. Die schnelle Art der Fortbewegung mit modernen Jets bringt allerdings große Belastungen mit sich, die die Menschen rund den Frankfurter Flughafen und den Flugplatz Egelsbach spüren: Luftschadstoffe und Lärm. Beides soll bald verschwinden: Elektrisches Fliegen – fast lautlos und ohne Abgase – ist möglich.
Egelsbach – Am „Airpörtchen“ in Egelsbach steht bereits die erste Maschine mit Stromantrieb, ein deutschlandweiter Vorreiter. Dort zeigte sich bei einer Konferenz von Luftfahrt- und Energieexperten in dieser Woche, dass die Zukunft des Fliegens – jedenfalls auf Kurzstrecken – elektrisch sein wird.
Laura Leoncini absolviert derzeit viele Flugstunden, um die Privatpilotenlizenz zu bekommen. In ihrer Ausbildung sitzt sie am liebsten am Steuer eines Elektro-Kleinflugzeuges. „Elektrisches Fliegen ist super, du brauchst in der Vorbereitung beim Checken der Maschine nur die Hälfte der Zeit, die Propeller sind sehr leise und es ist ein tolles Gefühl, ohne Abgase und Lärm zu fliegen.“ Die angehende Pilotin aus der Schweiz ist fasziniert von der neuen Technik. „Wir sind nicht mehr am Träumen und Vorbereiten, die Zukunft ist bereits gelandet“, sagte Referentin Laura Leoncini vom Unternehmen Eaton GreenMotion in Lausanne, das sich auf das Energiemanagement für Lade-Netzwerke und Ladestationen für Elektroflugzeuge spezialisiert hat.
In Egelsbach steht erstes von EASA zertifiziertes E-Flugzeug.
Egelsbach ist nicht von ungefähr Austragungsort der Tagung: In der kleinen Gemeinde mit dem größten Verkehrslandeplatz Deutschlands steht das erste von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) zertifizierte elektrische Flugzeug. Marcel Döring, Geschäftsführer der Fluggesellschaft „Panorama Air“, ist so etwas wie ein moderner Pionier der Luftfahrt, denn er, seine Kolleginnen und Kollegen sowie die Flugschüler sind seit rund einem Jahr mit der „Pipistrel Velis Electro“ am Himmel über Egelsbach unterwegs.
Die Maschine kann 50 Minuten in der Luft bleiben, macht keinen Krach und hält die Luft sauber. Viele Egelsbacher haben von dem besonderen Flugzeug noch nichts gehört, weil es nicht zu hören ist. Pilot Marcel Döring beobachtet von Osten kommend im Landeanflug über dem großen Supermarkt im Egelsbacher Gewerbegebiet manchmal Menschen auf dem Parkplatz, die verwundert zum Himmel schauen, ein Flugzeug sehen, von der Maschine aber keine Geräusche wahrnehmen. Wenn die Zukunft des elektrischen Fliegens auch in Egelsbach verbreitet ist, können die vom Fluglärm belasteten Bürgerinnen und Bürger aufatmen und der Verein Flug-Lärm-Abwehr-Gemeinschaft-Egelsbach seine Arbeit einstellen.
Probleme mit der Energiespeicherung und Reichweite
Wie die ersten Elektroflugzeuge beweisen, ist Fliegen mit Strom und ohne Verbrennungsmotor praktisch möglich. Doch wie beim Autofahren gibt es Probleme mit der Energiespeicherung und Reichweite. Apropos Distanz und Flugzeit: Die Berechnung der Reichweite sei bei Elektroflugzeugen mit Batterie völlig anders als bei flüssigem Kraftstoff, sagte Dr. Alexander Zschocke vom Centre of Competence for Climate, Environment and Noise Protection in Aviation, bei der Konferenz in Egelsbach. Das Batteriemanagementsystem könne nur von einem Computer berechnet werden, wenn die komplexe Technik ausfalle, sei es für Piloten kaum nachvollziehbar, ob die Energie noch ausreiche.
Nach Darstellung der Luftfahrt- und Energieexperten, die bei der von Panorama Air, Boeing Global Services Digital Solutions in Neu-Isenburg und vom Cluster Hessen Aviation der House of Logistics and Mobility (HOLM) Gesellschaft in Frankfurt initiierten Konferenz über ihre Arbeit berichteten, erinnert das elektrische Fliegen heute an die Pionierzeit der Luftfahrt, als die Gebrüder Wright kurz vor Weihnachten 1903 den ersten erfolgreichen Motorflug absolvierten. Manches laufe gut, vieles werde noch erforscht, und die Entwicklung gehe ähnlich wie bei der Elektromobilität auf der Straße in großen Schritten voran: Die nächsten Stationen der Fliegerei sind ein deutliches Plus an Drohnen als kleine Transport-Maschinen, Hybrid-Flugzeuge, Flugzeuge mit Energiezellen auf Wasserstoff-Basis und Lufttaxis, die eines Tages auch autonom fliegen werden.
Airports müssen Ladeinfrastruktur ausbauen
Sollte die Forschung und Entwicklung der Batterietechnologien erfolgreich weitergehen, so seien künftig kurze Missionen von Elektroflugzeugen bis 800 Kilometer möglich, sagte Dr. Benedict Götz, Leiter der Gruppe Systemzuverlässigkeit Future Mobility des Fraunhofer-Instituts.
Auf dem Weg dahin gibt es nach Darstellung von Laura Leoncini für Airports und Flugplätze wie Egelsbach noch einige Aufgaben zu meistern. Sie nennt etwa den Ausbau der Infrastruktur und des Lademanagements. Die Flugplätze müssten mittels Fotovoltaik so viel wie möglich Strom produzieren und Ladestationen installieren, die später einen Energiefluss von bis zu 1000 Kilowatt ermöglichen, um Elektroflugzeuge mit größeren Batterien schnell auftanken zu können.
Wenn die elektrische Fliegerei keine Bruchlandung erleben soll, muss sich aber noch viel mehr ändern. Pilot und Geschäftsführer Marcel Döring ist aktuell verzweifelt, weil er keinen Gutachter findet, der seinem Elektroflugzeug am Ende des Jahres eine neue TÜV-Plakette aufklebt. Er kritisiert das Luftfahrtbundesamt, das es bis heute nicht geschafft habe, Experten als TÜV-Gutachter zu zertifizieren. (air)