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Rassist entgeht Haftstrafe nur knapp: „Alter Bekannter auf dem Revier“

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Gericht
Mit neun Monaten Haft auf Bewährung war der Angeklagte gut bedient. © dpa

Ein 55-jähriger Egelsbacher wird vom Amtsgericht Langen wegen Beleidigung und Bedrohung verurteilt. Da er vielfach vorbestraft ist, kommt er gerade so mit einer Bewährungsstrafe davon.

Egelsbach – Sage und schreibe 25 Verurteilungen hat ein alter Bekannter der Justiz seit 1996 angehäuft. Nun sammelte der 55-jährige Egelsbacher vor dem Amtsgericht Langen seine 26. Strafe ein. Die Vorwürfe diesmal: drei Beleidigungen, eine Bedrohung. Und dafür musste er noch nicht einmal das Haus verlassen. Die Opfer waren nämlich seine Nachbarn und ein postalischer Empfänger.

Der erste Fall betrifft direkt die Justizkarriere des arbeitslosen Verkäufers. Nach einer Verhandlung vor dem Landgericht Darmstadt legt sein Verteidiger Revision bei der sechsten Strafkammer ein. Diese weist das Rechtsmittelgesuch zurück: Die formalen Erfordernisse seien nicht erfüllt worden. Das will sich der 55-Jährige nicht gefallen lassen. Er kontert dem Vorsitzenden per Brief am 13. Februar 2020: „Ihr seid Dreckschweine alle!“

Egelsbach: Mit den Fingern Gesten für Geschlechtsverkehr gemacht

Fall Nummer zwei und drei spielen sich im Egelsbacher Süden ab, wo der Angeklagte seit Jahren im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses lebt. Seit sie dort wohnen, regt er sich über seine dunkelhäutigen Nachbarn aus dem vierten Stock auf, in deren Fenster er durch den L-Knick des Gebäudes recht gut blicken kann. Die jüngste, inzwischen zwölfjährige Tochter traut sich schon lange nicht mehr allein durchs Treppenhaus, weil sie Angst vor dem Angeklagten hat. Wohl auch deshalb ist seine Person Dauergesprächsthema im Haus. Der 1. September 2020 ist wieder so ein Tag, an dem er sich von der alleinerziehenden 45-jährigen äthiopischen Pflegekraft und ihren drei Töchtern gestört fühlt.

„Mehrere Kinder spielten im Hof und plötzlich gab es unten Geschrei. Ich sah aus dem offenen Fenster, was los war. Der Nachbar stand auf dem Balkon und hatte ihnen wohl ein Messer gezeigt. Sie waren alle verängstigt“, beginnt die 20-jährige Tochter die umfangreiche Geschichte dieses Tages. „Als er mich sah, wurde ich mit ,Nigger, Schlampe, Fotze‘ beschimpft, und: ,Ich mach dich fertig! Du gehörst hier nicht hin! Geht dorthin, wo ihr hergekommen seid!‘“ Dann habe er mit den Fingern Gesten für Geschlechtsverkehr und das Durchschneiden der Kehle gemacht, zur Ausfahrt gezeigt und gesagt: „Irgendwann bist du da unten! Ich mache die Kinder jetzt kaputt!“

Rassist aus Egelsbach: „Er redete sich regelrecht in Rage“

Die Studentin gibt Kontra, aber „es wurde danach eher noch schlimmer“. Ihre Mutter und die zwei Jahre jüngere Schwester bestätigen die Aussagen. Die Zeuginnen rufen die Polizei. Die Beamten sprechen den Störenfried an und müssen sich Fall Nummer drei anhören. Der Angeklagte schimpft über Zuwanderer: „Früher haben hier nur Deutsche gewohnt, jetzt nur noch Kanaken!“ Die 27-jährige Polizeikommissarin aus Langen berichtet: „Der Mann ist auf dem Revier ein alter Bekannter. Als wir kamen, stand er schon im Flur und wartete auf uns. Er redete sich regelrecht in Rage, war aufbrausend und wütend. Er wirkte verwahrlost, ungepflegt.“

Der Angeklagte selbst – anwaltlich vertreten – sagt kein Wort zu den Vorwürfen. Stattdessen lässt er die Zeuginnen während der gesamten langen Verhandlungszeit nicht aus den Augen. Verteidiger Jörg Blessberger erklärt, dass das Haus für ihn inzwischen eine erhebliche psychische Belastung darstelle, er erfahre dort eine gewisse Stigmatisierung. Der Anwalt plädiert für eine milde Strafe, ohne Zahlen zu nennen.

Sozialpsychiatrischer Dienst und Bewährungshelfer als Auflage für Mann aus Egelsbach

Im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft verurteilt Richter Volker Horn den Egelsbacher zu neun Monaten Haft, die gerade so noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Als Auflage muss der Angeklagte Termine beim sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises wahrnehmen, auch ein Bewährungshelfer ist Pflicht. Horn ermahnt eindringlich: „Ich bin mir nicht sicher, ob das Urteil zum Rechtsfrieden beiträgt. Die Situation im Haus muss sich eklatant ändern, sonst sitzen Sie demnächst wieder hier – und dann fahren Sie ein. Das muss Ihnen klar sein.“

Neben Beleidigungen und Bedrohungen hat der Arbeitslose auch Fälle von (sexueller) Nötigung, Körperverletzung, Diebstahl und Beweisfälschung auf der hohen Kante. Ein echter Härtefall eben. (Silke Gelhausen)

Im Berufungsprozess gegen Hans-Gerd R., den Vater des Attentäters von Hanau, hat Staatsanwalt Martin Links in seinem Plädoyer eine Geldstrafe von 11 700 Euro (180 Tagessätze) gefordert. R. habe eindeutig rassistische und rechtsextreme Ansichten.

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