Lebensfreude am Existenzminimum

Egelsbach - Wie ein Ehepaar aus Egelsbach den Naturschutz-Aktivitäten in Togo auf den Grund geht. Von Cora Werwitzke
Wenn hierzulande nach dem Winter wieder einmal über Schlaglöcher in den Straßen lamentiert wird, können Bernfried Kleinsorge (58) und seine Frau Annkatrin Hoeck (56) nur schmunzeln.
Die beiden Naturfreunde aus Egelsbach haben eine Reise durch ein Land gewagt, in dem „Straßen das sind, was bei uns nicht mal als Feldwege durchgehen würde“, wie es Kleinsorge formuliert. Mit einer 15-köpfigen Gruppe der „Naturfreunde International“ bereiste das Ehepaar zwei Wochen lang Togo – eines der ärmsten Länder weltweit.
So sehr die Menschen auch am Existenzminimum leben, der Naturschutz ist in dem westafrikanischen Staat ein Thema. Bester Beweis: die landesweite Umweltorganisation „Case-Togo“, auf deren Einladung die Naturfreunde aus ganz Deutschland und der Schweiz Projekte in weiten Teilen des Landes besuchten. „Die 800 bis 1000 Mitglieder der Organisation sind vor allem junge Leute und sehr aktiv“, erzählt Kleinsorge. In Schulen und Dörfern schaffen sie etwa mit Baumpflanzaktionen ein Bewusstsein für Umweltschutz. „Jeden Tag haben wir drei bis vier solcher Naturfreunde-Projekte besucht – teils verbunden mit längeren Empfängen, Tänzen und Zeremonien.“
Wenig gegessen, viel gearbeitet
„Jovos, jovos!“ Die Bezeichnung für „Weiße“, die ihnen überall begegnete, klingt dem Ehepaar noch in den Ohren. „Wir haben uns bei den Empfängen manchmal gefühlt wie die Bundeskanzler-in persönlich“, unkt Kleinsorge. Die Gastfreundschaft, Neugier und Lebensfreude der Menschen gehören für den Egelsbacher zu jenen Eindrücken, die sich nachhaltig eingeprägt haben. „Bemerkenswert ist, dass Deutschland trotz der kurzen kolonialen Etappe hohes Ansehen in Togo genießt“, fügt er hinzu. „Dort sagt man, die Deutschen haben ‘wenig gegessen, viel gearbeitet und viel dagelassen‘.“
Die von den togoischen Partnern organisierte Route führte die Egelsbacher von der im Süden am Meer gelegenen Hauptstadt Lomé ins 600 Kilometer entfernte Kara als nördlichsten Zwischenstopp und über die Binnenstädte Atakpamé und Kpalimé zurück zum Ausgangspunkt. Die unzähligen Kilometer im Kleinbus über holprigen Grund bezeichnet Kleinsorge als „durchaus anstrengend“. Häufig ging es in aller Herrgottsfrühe los, vorbei an atemberaubend schönen Landschaften, aber auch vermüllten Landstrichen. „Es gibt in Togo keine Müllverbrennungskapazitäten“, berichtet Bernfried Kleinsorge. Die Deponien wachsen – „und die potenzielle Energie durch Müllverbrennung bleibt ungenutzt“.
Die Antwort steht noch aus
Kann doch nicht sein, sagten sich der 58-Jährige und seine Frau, die spätestens seit der Sanierung der eigenen Hofreite auf umweltfreundlicher Lehmbasis in Egelsbach als Macher bekannt sind. Als Kleinsorge registrierte, dass es in Lomé ein Zementwerk von Heidelberg Zement gibt, legte er sich kürzlich Aktien zu und schrieb umgehend den Vorstandsvorsitzenden an. „Zement-Herstellung ist eine energieintensive Geschichte. Ich hab ihm den Vorschlag gemacht, den Ofen so umzurüsten, dass darin auch Müll statt nur Öl verbrannt werden kann.“ Eine Antwort, so der umtriebige Naturschützer, stehe noch aus.
Doch zurück zur schweißtreibenden Tour durch Togo: Trotz der gigantischen Probleme, mit denen das strukturschwache Land zu kämpfen hat, wurde die Naturfreunde-Abordnung Zeuge von couragierten Projekten, die „vor allem umweltpädagogische Züge tragen“, so Kleinsorge. Angeleitet von Case-Togo stellen Schüler und Dorfbewohner Papierkörbe auf, pflanzen Bäume oder legen Fischteiche an. „Sie haben unseren tiefsten Respekt“, verdeutlicht das reisefreudige Paar, das sich vor Ort vor allem mit Englisch und Französisch behalf, aber auch auf einen Dolmetscher zurückgreifen konnte. Annkatrin Hoeck spricht sogar ein paar Brocken in der Landessprache, was daher rührt, dass sie vor drei Jahrzehnten schon einmal eineinhalb Jahre lang ein Entwicklungsprojekt in Togo mitgestaltete. „Damals half sie und übrigens auch ein Freund, der nun ebenfalls zur Reisegruppe gehörte, eine Rinderzucht aufzubauen“, schildert ihr Mann. Ein Höhepunkt der aktuellen Reise war denn freilich auch, als das Trio vor dem Zuchtgelände von damals stand – „der Wärter ist bis heute derselbe, er traute seinen Augen kaum und kam aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus.“ Enttäuschend war dagegen die Erkenntnis, dass das Projekt von damals inzwischen so gut wie stillgelegt zu sein scheint.
Voller Tatendrang
Zurück in Egelsbach sind die Naturfreunde voller Tatendrang, für ausgewählte Projekte in Togo Unterstützung zu generieren. Als Sachgüter, die sich gut sponsern lassen, nennt Kleinsorge gebrauchte Laptops für die Umweltorganisation, „oder zum Beispiel einen Zaun, den sich die Gruppe mit dem Fischteichprojekt wünscht.“ Auf die Frage, ob er sich eine weitere Reise in das westafrikanischen Land vorstellen kann, kommt Bernfried Kleinsorges Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Wenn Heidelberg Zement den Ofen umrüstet, dann garantiert!“
‹ Wer sich für die togoischen Projekte interessiert, kann die Egelsbacher jederzeit ansprechen. Bilder und Eindrücke von der Reise werden sie über kurz oder lang in der Naturfreunde-Ortsgruppe präsentieren .