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Heidelbeer-Saison: Egelsbacher Plantage erntet 400 Tonnen in acht Wochen

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Von: Manuel Schubert

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Und ab dafür: In der 2019 neu gebauten Produktionshalle von Birkensee Beerenkulturen werden die Heidelbeeren in 300-Gramm-Schälchen versandfertig gemacht.
Und ab dafür: In der 2019 neu gebauten Produktionshalle von Birkensee Beerenkulturen werden die Heidelbeeren in 300-Gramm-Schälchen versandfertig gemacht. © Strohfeldt

Bei Birkensee Beerenkulturen in Egelsbach hat die Heidelbeer-Ernte begonnen. Landwirt Christian Königer ist mit dem bisherigen Verlauf zufrieden, doch die Inflation macht ihm ein wenig Sorge.

Egelsbach – Bei den sieben Frauen sitzt jeder Handgriff. Schnell und konzentriert wiegen sie die Plastikschalen ab. Kleine Ampeln helfen ihnen dabei: Erscheint ein rotes Licht, legen die Frauen Heidelbeeren nach, leuchtet die Ampel gelb, nehmen sie ein paar Früchte heraus. Grünes Licht bedeutet: Wunschgewicht von 300 Gramm erreicht, rauf aufs Fließband, und ab dafür.

Auf der idyllischen Plantage von Birkensee Beerenkulturen im Westen Egelsbachs herrscht in diesen Tagen hektische Betriebsamkeit. Kein Wunder: Es ist Erntezeit. Von Mitte Juni bis Mitte August werden hier bis zu 400 Tonnen Heidelbeeren gepflückt, verpackt und verschickt. Geschäftsführer Christian Königer beobachtet das Treiben am Fließband, wo die Heidelbeerschälchen von mehreren Maschinen vollautomatisch mit einer Folie verschlossen, mit Aufklebern versehen und mit einem Code bedruckt werden. Am Ende der Produktionsstraße stehen weitere Mitarbeiter bereit, um die abgepackten Beeren in schwarze Körbe zu packen. Daneben stapeln sich braune Pappschachteln und grüne Holzkisten bis unters Dach.

Königer wirkt zufrieden, als er aus der 2019 neu gebauten Produktionshalle heraus ins Tageslicht tritt. Vor ihm tun sich Heidelbeersträucher auf, so weit das Auge reicht – in alle vier Himmelsrichtungen. 35 Hektar besitzt das Familienunternehmen in Egelsbach, neun weitere in Erzhausen. Sie werden ausschließlich zum Heidelbeeranbau genutzt. „Das ist in Südhessen ziemlich einzigartig“, meint Königer. Circa 120 000 Sträucher wachsen auf dem Anwesen am Waldrand, die meisten tragen noch viele hellgrüne, harte Früchte. Königer pflückt sich eine der vereinzelten reifen Beeren, die bereits die typische lila-bläuliche Farbe haben. „Schmeckt schon schön süß“, urteilt der Landwirt und nascht eine zweite.

Christian Königer, Geschäftsführer von Birkensee Beerenkulturen in Egelsbach
Der Herr der Heidelbeeren: Christian Königer erwartet für diese Saison eine durchschnittliche Ernte. © Strohfeldt

In einer Ecke des gigantischen Geländes westlich der K 168 sind Dutzende Erntehelfer zu Gange. Bis zu 220 Personen sind jetzt, in der Erntezeit, auf der Plantage beschäftigt, die meisten von ihnen sind Saisonarbeitskräfte aus Rumänien, viele kommen jedes Jahr nach Egelsbach. Sie pflücken die Beeren und legen sie direkt in die kleinen Plastikschalen, die später im Supermarktregal zu finden sind. Jeder Strauch wird in einem Sommer bis zu fünf Mal geerntet. Seine Produkte verkauft Birkensee Beerenkulturen nicht in Buden oder einem Hofladen, sondern an Großhandelspartner, die die Früchte wiederum an den Einzelhandel veräußern. Aldi und Rewe beliefert das Egelsbacher Unternehmen in Südhessen selbst.

Königer rechnet für dieses Jahr mit einer durchschnittlichen Ernte. Das Frühjahr sei ein bisschen trocken gewesen, „das gibt leichte Einbußen bei der Fruchtgröße“. Tage mit 37 Grad, wie am vergangenen Wochenende, tun dem Betrieb weh: „Bei großer Hitze entzieht die Pflanze der Frucht Feuchtigkeit, dann fällt die Beere in sich zusammen, fast wie eine Rosine.“ Andererseits bedeute jeder Regenschauer „für uns bares Geld“. Aber Königer sieht es gelassen: „Das ist halt so, nicht jedes Jahr ist gleich.“

Der 50-Jährige hat schon viele Heidelbeerernten hinter sich. Sein mittlerweile verstorbener Vater Gerhard gründete den Betrieb 1975. Nachdem Christian Königer, gelernter Maschinenbauer, zehn Jahre in der Erdöl-Industrie gearbeitet hatte, stieg er 2003 im elterlichen Unternehmen ein, das er 2009 als Geschäftsführer übernahm. Mutter Ursula wohnt bis heute auf dem Anwesen und packt mit an. Egelsbach sei als Standort optimal, sagt Christian Königer: „Der Boden ist recht sauer, das mögen die Pflanzen.“

Den Klimawandel bekommt er aber auch hier zu spüren: „Die letzten Jahre waren nicht gerade von viel Niederschlag geprägt“, sagt Königer. „Von April bis Juni würde ich am liebsten jede Nacht bei Petrus Regen bestellen“, scherzt er. Generell könne die Heidelbeere die Trockenheit jedoch besser wegstecken als zum Beispiel die hiesigen Bäume. Und bei der Wasserversorgung hilft der Plantage ein eigener Brunnen.

Ein Strauch Heidelbeeren: Manche Früchte sind schon reif, andere brauchen noch ein wenig.
Manche Früchte sind schon reif, andere brauchen noch ein wenig. © Strohfeldt

Größere Sorgen bereitet Königer die Inflation. Die Spargel- und Erdbeerbauern hätten bereits Zurückhaltung bei der Kundschaft erlebt. „Die Kauffreudigkeit ist nicht so wie früher“, das könne auch seine Heidelbeeren betreffen. Was Königer ärgert: Die deutschen Supermärkte kaufen immer mehr billige Heidelbeeren aus Osteuropa hinzu, das mache die Preise kaputt. „Es kann nicht sein, dass ein deutscher Betrieb zu den gleichen Preisen liefern muss wie ein polnischer. Wir haben ganz andere Standards bei der Bezahlung unseres Personals und beim Umweltschutz – und dadurch viel höhere Ausgaben.“

Nun beschäftigt ihn aber erst einmal die Ernte. Und danach? „Den Rest des Jahres sind wir hier nur fünf Festangestellte, das ist ein ganz anderes Arbeiten.“ Zu tun gibt es dennoch genug: Die Felder wollen gepflegt, junge Pflanzen großgezogen, alte Sträucher gerodet und neue in die Erde gesetzt werden. „Nach der Ernte“, sagt Königer, „ist vor der Ernte.“ (Manuel Schubert)

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