„Irgendwie ist der Wurm drin“: Fraktionen kritisieren Bürgermeister in Haushaltsreden

Die Egelsbacher Gemeindevertretung stimmt dem Haushalt 2023 einvernehmlich zu. Doch es gibt Kritik an der Arbeit von Bürgermeister Tobias Wilbrand.
Egelsbach – Nicht wirklich besinnliche Töne schlägt die Gemeindevertretung bei ihrer letzten Sitzung des Jahres an. Zwar stimmen die Parlamentarier am Mittwochabend im Rathaus einvernehmlich dem Haushaltsentwurf von Bürgermeister Tobias Wilbrand (Grüne) für 2023 zu. Doch bei den traditionellen Haushaltsreden gibt es auch Kritik an der Arbeit des Verwaltungschefs.
Am Etat an sich gibt es nichts zu meckern: Er sieht sowohl Einnahmen als auch Ausgaben in Höhe von rund 33,8 Millionen Euro vor und somit zum siebten Mal in Folge ausgeglichen. Außerdem – und das dürfte für viele die wichtigste Nachricht sein – kommt er das vierte Mal in Folge ohne eine Erhöhung der Grundsteuerer aus. Somit wird der Haushalt in der Gemeindevertretung einstimmig angenommen.
Bei den traditionellen Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden gibt es erwartungsgemäß Zuspruch von Wilbrands Parteifreunden, den Grünen. Ulrich Hahn lobt „Offenheit und Transparenz“ der Verwaltung, die es in dieser Form „erstmalig in der Geschichte der Egelsbacher Haushaltsplanungen“ gegeben habe. „Zu einer solchen Transparenz braucht es Mut.“ Hahn wünscht sich von Verwaltung und Parlament aber auch eine „intensivere Gestaltung der bekannten, zumeist schon beantragten oder sogar schon beschlossenen Themen zur Verbesserung des Klimaschutzes in Egelsbach“.
„Wir müssen sparen – aber unsere wenigen Mittel auch clever investieren“, fordert Daniel Görich (SPD). Er kritisiert den vom Bürgermeister geforderten Rathaus-Anbau für 2,7 Millionen Euro und stellt drei Ausgaben gegenüber, die deutlich günstiger sind: die Zuschüsse für die Vereine, die kostenlose Windel-Abgabestelle und die Investition in einen sicheren Schulweg. „Diese Maßnahmen kosten zusammen keine 100 000 Euro und sie nützen den Menschen.“
Manfred Müller (WGE) stimmt es nachdenklich, dass die Gemeindevertreter über die Prioritätensetzung der Investitionen befinden sollen, ohne im Detail etwa über den Zustand der Straßen oder die Notwendigkeit eines Rathaus-Anbaus Kenntnis zu haben. Ob Maßnahmen sinnvoll sind, sei in jedem Einzelfall genau zu prüfen, so Müller. „Hierbei erwarten wir von der Verwaltung klare Aussagen zu Finanzierung und Wirtschaftlichkeit.“
Auch Sascha Wurm (CDU) findet: „Der Bürgermeister hat sich das sehr einfach gemacht. Er stellt seinen Investitionsplan vor und sagt, jetzt ist es an der Gemeindevertretung, zu sparen.“ Ein solider Haushalt müsse von der Verwaltung vorbereitet und priorisiert werden. Die Gemeindevertreter seien nicht in der Lage, abzuschätzen, wie dringend eine Straße saniert werden müsse oder ob es im Rathaus genug Manpower für alle Projekte gebe. Außerdem müssten Verwaltung, Gemeindevertretung und auch Vereine aufhören, „Wünsch dir was“ zu spielen, so Wurm. „Wir werden nicht für die Wünsche einiger die Belastung aller in Kauf nehmen“, sagt er mit Blick auf eine Grundsteuererhöhung.
Auch Axel Vogt (FDP) sieht die Spar-Aufforderung kritisch: „Wir sparen ja schon“, findet er, und zählt eine Reihe von nicht umgesetzten Projekten auf, die eigentlich schon für 2022 im Haushalt standen: die Vereinslagerhalle, die Sanierung der Heidelberger Straße und der Bau einer Sporthalle etwa. Auch die Bäume am Berliner Platz seien noch nicht gepflanzt, der südliche Kirchplatz immer noch nicht umgestaltet. „Irgendwie ist der Wurm drin“, sagt Vogt. „Es fehlt an Informationen und auch an Vertrauen in die Umsetzung.“ (Manuel Schubert)
Friedhofserweiterung und Straßensanierung gestrichen
Drei Fraktionen bekommen im Parlament eine Mehrheit für ihre Haushaltsanträge. Die Grünen haben Erfolg mit ihren Forderungen, die Investition in die Vereinslagerhalle aufzuschieben und die Friedhofserweiterung sowie die Sanierung der Heidelberger Straße zu streichen. Die SPD setzt Sperrvermerke für die Sanierung des Bürgerhauses und der Dr.-Horst-Schmidt-Halle durch. Außerdem bekommen die Sozialdemokraten eine Mehrheit für ihre Wünsche nach einer kostenlosen Entsorgungsstelle für Windeln und Maßnahmen für einen sichereren Schulweg für Kinder aus Bayerseich – letzteres aber erst, nachdem die SPD die angesetzte Summe in ihrem Antrag von 200 000 auf 50 000 Euro reduziert. Die WGE setzt durch, dass die Erneuerung der Langener und Rheinstraße mit einem Sperrvermerk versehen wird, bis die Verwaltung genauere Informationen zum Zustand der Straßen vorlegt.
Etwas überraschend beantragt auch der Gemeindevorstand einen Sperrvermerk für den Rathaus-Anbau. „Wir haben die politische Dimension dieses Themas unterschätzt“, gibt Wilbrand zu – und will bis zum Sommer ein Konzept zum künftigen Raumbedarf vorlegen. Der Vorschlag wird einstimmig angenommen.
Die SPD nutzt die Haushaltsdiskussion für weitere Nadelstiche in Richtung Rathaus. Hans-Joachim Jaxt kritisiert das Votum für einen erneuten Aufschub der Vereinslagerhalle: „Damit wird die Untätigkeit des Bürgermeisters belohnt.“ Ihren Antrag zur Anschubfinanzierung für eine Wohnungsbaugesellschaft zieht die SPD mangels Erfolgsaussichten zurück. „Der Bürgermeister hat die Wohnungsbaugesellschaft aufs Abstellgleis gestellt. Mit dieser Haltung hat er Egelsbach massiv geschadet“, so Daniel Görich. (msc)