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Eine Fundgrube mit Kultstatus

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Heinz Schweinhardt in seinem Kosmos: Der alteingesessene Egelsbacher übernahm den Familienbetrieb 1959 von seinem Vater. Erst installierte er ein Fachgeschäft für Modelleisenbahnen, nahm später Porzellan und Spielwaren ins Sortiment, bis er sich im Laufe der Zeit schließlich immer weniger festlegte.
Heinz Schweinhardt in seinem Kosmos: Der alteingesessene Egelsbacher übernahm den Familienbetrieb 1959 von seinem Vater. Erst installierte er ein Fachgeschäft für Modelleisenbahnen, nahm später Porzellan und Spielwaren ins Sortiment, bis er sich im Laufe der Zeit schließlich immer weniger festlegte. © Kleinsorge (p)

Egelsbach - Wer die Ladenschwelle von Heinz Schweinhardts passiert, betritt einen eigenen Kosmos. Von Timo Kurth

„Krempel-Heinz“, wie er in Egelsbach gerne genannt wird, verkauft über ein und denselben Ladentresen Spielwaren, Porzellan und Mausefallen zwischen hauseigenem Schlüsseldienst und Fahrradwerkstatt. „Egal, was du brauchst, das gibt’s mit Sicherheit beim Heinz“, ist ein vielgehörter Satz in Egelsbach – seit den 60er Jahren bis heute.

Das Schweinhardt’sche Geschäft im Ortskern ist nicht nur ein Unikat, in dem die Zeit in vielen Winkeln stehen geblieben zu sein scheint. Es stellt auch eine Elschbächer Institution dar, die immer wieder Gegenstand diverser Karnevals- und Kerbspäße geworden ist. Vor mehr als 100 Jahren wohl als Bäckerei gegründet, baute Schweinhardts Vater den Laden zum Sanitärgeschäft um, ehe es unter seiner eigenen Regie zum Fachgeschäft für alles Mögliche und Unmögliche wurde.

Eine ältere Dame mit Kinderwagen steht vor dem Schaufenster in der Ernst-Ludwig-Straße. Ihr Enkel zeigt augenscheinlich Interesse an der Spielzeuglokomotive dahinter. Seit mehr als 50 Jahren motivieren Heinz Schweinhardt solche Szenen. Tag für Tag steht der 79-Jährige deshalb seit Jahrzehnten hinter seiner Theke und ist damit im Ort mittlerweile zu einer echten Kultfigur geworden.

„Dieser Laden ist eben mein Hobby“, erklärt Schweinhardt, während er durch die Reihen seiner vollgestellten Regale streift. Über mehrere Etagen ist „Krempel-Heinz“ hier Herr von Haushaltsgegenständen, Spielzeugeisenbahnen, Fahrradzubehör und unzähligem anderen. Allein 50.000 Schlüssel hängen an einer Wand, einige Formate sind anderswo wohl längst nicht mehr erhältlich. „Jeder einzelne ist absolut unterschiedlich“, verrät er schmunzelnd.

Fein säuberlich hat Schweinhardt seine unzähligen Artikel mit handschriftlichen Preisschildern versehen. Der finanzielle Anreiz spielt für den Rentner schon lange eine untergeordnete Rolle. „Viele dieser Dinge stehen hier schon seit Jahren. Einige werden wohl nie verkauft, aber das ist nicht schlimm“, erklärt er, während er fürsorglich Spielfiguren im Regal zurechtrückt.

Schweinhardt hat in seinem Leben nie woanders gewohnt als in Egelsbach. Seit 1959 führt er das Geschäft. Bereits vorher war das Haus im Besitz der Familie, sein Vater führte den Betrieb seit 1923 als Sanitärgeschäft, das vorher vermutlich – darauf lässt die Bauweise schließen – eine Bäckerei war.

Heinz Schweinhardt wollte bei seiner Übernahme neue Impulse setzen. Machte es zunächst zum Fachgeschäft für Modelleisenbahnen und nahm später Porzellan und Spielwaren ins Sortiment, bis er sich über die Jahre schließlich immer weniger festlegte. Der gelernte Schlosser richtete zuletzt auch eine Ecke für Schlüsseldienste ein und repariert mittlerweile in der angeschlossenen Werkstatt schon mal Fahrräder. Dass jemand wie er gerne werkelt, ist selbstredend: Beeindruckend sind etwa die selbstgebauten und motorgetriebenen „Präsentationskonstruktionen“, mit denen Haushaltsartikel oder Spielzeugautos drehend und schwingend das Interesse der Kundschaft auf sich ziehen sollen.

Seit Jahren kann Schweinhardt natürlich auf Stammkunden setzen, doch auch die kommen eben nicht jeden Tag. „Mal kommen mehr, mal weniger. An manchen Tagen auch gar niemand, das ist eben unvorhersehbar.“ Auch ruhige Phasen können „Krempel-Heinz“ nicht demotivieren, denn er muss sich selbst nichts mehr beweisen. Aus einem anderen Grund werden die Tage des Kult-Ladens in absehbarer Zeit aber wohl gezählt sein: „Der Körper spielt nicht mehr komplett mit“, sagt Schweinhardt. Neben der Hüfte hat er Probleme mit dem Knie bekommen. Sein Sohn – selbst Autoschlosser – wird das Geschäft höchstwahrscheinlich nicht weiterführen. Ein genaues Datum für die Schließung gibt es noch nicht. „Nächstes oder übernächstes Jahr wird wohl endgültig Schluss sein“, kündigt er an. Übel nehmen kann ihm das in Egelsbach niemand. Heinz Schweinhardt wird kommendes Jahr 80 und hat sich seinen Ruhestand wahrlich verdient.

Treffen wird das vor allem treue Kunden, für die der „Krempel-Heinz“ bei diversen Problemchen erste Anlaufstelle ist. „Wenn ich etwas brauche, geht mein erster Weg nicht selten in seinen Laden“, berichtet beispielsweise Bernfried Kleinsorge. Als er vor Kurzem auf der Suche nach einem neuen Schlüssel für ein altertümliches Schloss war, sah er sich mit schwindender Hoffnung in Schweinhardts Laden um. „Der Mann griff unter die Theke und wenige Minuten später ließ sich der Riegel öffnen. Ein echter Problemlöser eben!“

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