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Prozess um tödlichen Unfall auf A661: Mit 150 Sachen in die Kurve

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Bei dem Unfall im September 2020 überschlug sich das Auto. Eine 16-jährige Mitfahrerin kam ums Leben. (Symbolbild)
Bei dem Unfall im September 2020 überschlug sich das Auto. Eine 16-jährige Mitfahrerin kam ums Leben. (Symbolbild) © imago-images.de

Als ein 21-Jähriger auf der A 661 in Egelsbach die Kontrolle über seinen Wagen verliert, kommt eine 16-Jährige ums Leben. Auch am zweiten Verhandlungstag wird im Prozess um fahrlässige Tötung vor dem Jugendschöffengericht Darmstadt noch kein Urteil gesprochen.

Egelsbach – „Ich weiß, dass etwas Schlimmes passiert ist. Ich wollte das nicht. Ich möchte das gerne rückgängig machen. Mir fehlen die Worte.“ Stehend verkündet der 21-jährige Angeklagte seine Entschuldigung – gerichtet an die Nebenkläger und Eltern des 16-jährigen Mädchens, das am späten Abend des 23. September 2020 auf der A 661 ums Leben kam.

Ein voll besetzter blauer Golf, viel zu hohes Tempo und die leicht abschüssige, lang gezogene Kurve am Autobahnende in Egelsbach. Der Fahrzeugführer verliert die Kontrolle, der Pkw droht, aus der Kurve zu fliegen. Der junge Bad Vilbeler versucht noch, nach rechts gegenzulenken, doch das ändert nur die Richtung der Fliehkräfte. Das Fahrzeug wird auf die Böschung katapultiert, überschlägt sich mehrfach und bleibt mit der Front zur mittleren Betonwand auf der Seite liegen.

Nur einer der fünf jungen Menschen ist angeschnallt

Von den fünf Insassen ist nur eine angeschnallt. Der Fahrer und das Mädchen, das hinter ihm sitzt, werden durch die Seitenfenster nach draußen geschleudert – das hier übliche Einscheiben-Sicherheitsglas ist durch den Aufprall komplett zerkrümelt. Während der Angeklagte leicht verletzt auf der Böschung liegen bleibt, wird die Dietzenbacherin vom sich überschlagenden Auto überrollt, bleibt auf der Straße liegen. Sie stirbt noch am Unfallort an schweren inneren Verletzungen der Organe – unter anderem einem Herzbeutelriss.

Die drei verbliebenen Personen können allein oder mit Hilfe des Ersthelfers das Fahrzeug verlassen. Zwei 14-jährige Mädchen aus Dietzenbach werden nur leicht verletzt, ein 28-Jähriger aus Bad Vilbel schwer. Er kommt – 15 Monate nach dem Unfall – an Krücken in den Gerichtssaal. Er berichtet: „Ich war vorher bei einer Reinigungsfirma beschäftigt, aber seit dem Unfall kann ich nicht mehr arbeiten. Ich bin zweimal am Knie und einmal am Rücken operiert worden.“ Demnächst steht der nächste Eingriff an, dann sollen diverse Schrauben entfernt werden. Zum Unfall selbst sagt er: „Wir waren auf dem Weg nach Dietzenbach, wollten die Mädchen nach Hause bringen. Ich habe auf der Autobahn zu ihm gesagt, er soll etwas moderater fahren. Kurz danach war schon der Unfall.“

Auch die einzige Gurt-Gesicherte auf dem Beifahrersitz bestätigt, dass der Bekannte flott unterwegs war. „Er war auf der Autobahn manchmal schon schnell, aber nicht so, dass ich Angst gehabt hätte“, erinnert sie sich. Einmal sei er in Bad Vilbel bei Rot über die Ampel gefahren.

Anderer Autofahrer: „Ich wurde mit mindestens 150 Sachen überholt...“

Der Eindruck „dynamische Fahrweise“ deckt sich auch mit weiteren Zeugenaussagen zweier nachfolgender Fahrzeugführer, die schon in dem auf 120 Stundenkilometer beschränkten Abschnitt von dem blauen Golf überholt wurden. Nach dem 120er-Schild kommt zügig das 100er-Schild und dann das Tempo-70-Schild, das ab der Kurve gilt. „Ich wurde mit mindestens 150 Sachen überholt, dabei kam der Golf etwas ins Schlingern. Danach überholte er noch das Auto vor mir“, erinnert sich ein 27-jähriger Darmstädter.

Der 23-Jährige aus Egelsbach, der als Erster am Unfallort war, erzählt: „Ich war auf dem Weg nach Hause, als ich von dem Golf mit hoher Geschwindigkeit überholt wurde, kurz bevor es einspurig wird. Ich habe mich gewundert, dass er nicht bremste. Da war mir schon klar, dass er die Kurve nicht schaffen würde. Kurz darauf sah ich eine riesige Staub- und Rauchwolke. Ich fuhr rechts ran und begann zu helfen, wo es ging.“

Laut Verkehrsgutachter David Freibott soll der Pkw mit 110 bis 160 Stundenkilometern verunfallt sein. Genauer könne man das aufgrund des komplexen Vorgangs nicht sagen. Alkohol soll mit 0,44 Promille im Blut des Fahrers eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. Selbstüberschätzung kommt als Ursache wohl eher in Betracht.

In wenigen Tagen soll das Urteil fallen.

Von Silke Gelhausen

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