Hausarzt-Praxis schließt nach 24 Jahren ‒ aber die Nachfolge ist gesichert

Nach 24 Jahren ist für Eduard Feinweber bald Schluss: Der Allgemeinmediziner hört zum 1. Oktober auf. Aber: Mit Dr. Almas Temuri kann er eine Nachfolgerin präsentieren, die sogar bei ihm angeklopft hat – nicht umgekehrt.
Egelsbach – Feinweber hatte immer gesagt, dass er seine Praxis nur aufgeben würde, wenn er einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin findet. Doch nun hat es durch Zufall schneller geklappt als gedacht. „Das ist ein echtes Geschenk für Egelsbach“, sagt der Arzt.
„Für mich es ist es Zeit, mich niederzulassen“, erklärt Temuri, die seit 2014 Fachärztin für Allgemeinmedizin ist. Nach diversen ärztlichen Tätigkeiten in Deutschland, England und der Schweiz wollte sich die gebürtige Londonerin gerne im Rhein-Main-Gebiet als Hausärztin niederlassen. Sie ist ein „echtes Frankfurter Mädsche“, sagt sie lachend, ist in Frankfurt aufgewachsen und hat an der Goethe-Universität studiert.
Temuri begann daraufhin Arztpraxen abzuklappern, setzte auf Mund-zu-Mund-Propaganda in der Branche. „Doch viele waren noch nicht bereit, ihre Praxis abzugeben“, sagt sie. Schließlich ist sie vor einem guten halben Jahr auf Egelsbach (Kreis Offenbach) gestoßen und hat bei Eduard Feinweber angefragt. „Hier hat von Anfang an alles gestimmt, das Kollegium und die Art und Weise, die Praxis zu führen“, sagt Temuri begeistert.
Egelsbacher Hausarzt: Andere Kollegen suchen händeringend Nachfolger
Auch Feinweber ist die Entscheidung leicht gefallen, unter diesen Umständen, seine Praxis an Temuri abzugeben. „In einer Zeit, in der sich viele in die Jahre gekommene Hausärzte händeringend um eine Nachfolge bemühen müssen, bin ich froh, dass ich meine Praxis einer so netten und qualifizierten Ärztin übergeben kann“, sagt der Egelsbacher Hausarzt. „Dr. Temuri sprüht vor Begeisterung.“ Vor allem ist er froh, dass damit die nahtlose medizinische Versorgung in Egelsbach gewährleistet bleibt. „Ich habe relativ viele alte Patienten und auch immer viele Hausbesuche gemacht“, sagt Feinweber. Das werde Temuri weiterführen, ebenso wie die Versorgung der Patienten im DRK-Seniorenzentrum.
Teilweise waren die Egelsbacher Patienten schon verunsichert, da sie von den Krankenkassen angeschrieben wurden. Das liegt an der hausarztzentrierten Versorgung, kurz HZV. „Die ist an die Person gebunden und als wir den Krankenkassen gemeldet haben, dass hier ein Wechsel stattfindet, haben die wiederum die Patienten angeschrieben“, erklärt Feinweber. Die Briefe hätten für Verunsicherung bei einigen Patienten gesorgt. „Es sah so aus, als höre ich einfach auf und die Leute haben sich Sorgen gemacht, dass sie sich einen neuen Hausarzt suchen müssen“, erklärt er.
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Aber der Standort bleibt, das Praxisteam bleibt – es kommt nur eine neue Ärztin. Seinen langjährigen Mitarbeiterinnen Bettina Gersemsky und Marina Varga spricht Feinweber daher besonderen Dank aus, genauso wie seinen Patienten für die oft jahrzehntelange Treue. Auch die bisherigen Sprechzeiten bleiben bestehen, sagt Temuri. Sie werde aber einige neue Leistungen anbieten wie Ultraschalluntersuchungen der Schilddrüse und des Bauches oder Hautkrebs-Screenings.
Egelsbach (Kreis Offenbach): Versiert im Umgang mit Patienten mit Migrations- oder Fluchtgeschichte
Auch sprachlich bringt Temuri Kenntnisse mit, die im Umgang mit Patienten mit Migrations- oder Fluchthintergrund nützlich sind: „Ich spreche Urdu, Punjabi und rudimentär Arabisch“, sagt die Ärztin. Auch auf Englisch kann sie sich fließend mit Patienten verständigen. Zudem sei es etwa für Frauen mit muslimischen Hintergrund oft angenehmer, von einer Frau untersucht zu werden, weiß sie. Feinweber kann das bestätigen: Er erinnert sich an Patientinnen aus dem Jemen, die sich nicht entkleiden und von ihm untersuchen lassen wollten. „Da konnte ich dann nicht viel machen“, bedauert er. Temuri schließe damit eine Lücke in Egelsbach, meint er.
Die Ärztin freut sich nun auf den neuen Abschnitt: „Ich werde Egelsbach jetzt kennenlernen, aber ich war zumindest schon mit meinem Bruder auf dem Flugplatz“, sagt Temuri lachend. Während der Einarbeitungszeit will Feinweber noch unterstützend für sie da sein. „Wenn ich gebraucht werde, werde ich helfen“, sagt er. Ansonsten freut er sich auf die gewonnene Freizeit. „Ich werde mich vielen Dingen widmen, für die bislang zu wenig Zeit blieb.“ Der gelernte Maschinenschlosser will sich wieder handwerklich betätigen, aber auch dem Garten widmen und in der Region herumreisen. „Außerdem lese ich gerne – alles außer Romane“, sagt Feinweber. Er will auch weiter zu medizinischer Literatur greifen. „Zum Beispiel zur Sportmedizin, die ist mein Steckenpferd.“ (Von Julia Radgen)
Bereits seit Jahren fehlen in Stadt und Kreis Offenbach Hausärzte. Zusätzlich bringt die Corona-Pandemie viele bestehende Hausarztpraxen an ihre Belastungsgrenze - und das in vielen Facetten.