Rundgang zum Egelsbacher Verkehrskonzept: Anreize zum Abbremsen

Bei einem Rundgang durch Egelsbach stellt eine Gruppe der Hochschule Darmstadt erste Ideen für das Verkehrskonzept vor. Problemstellen gibt es einige.
Egelsbach – Gleich zu Beginn gibt’s ein Lob vom Professor: „Die Durchfahrt ist unterbunden, das ist genau der richtige Weg“, sagt Jürgen Follmann und deutet auf die beiden Schranken vor der Wilhelm-Leuschner-Schule. Die Heidelberger Straße ist die erste von vielen Stationen bei dem gut anderthalbstündigen Rundgang, zu dem die Gemeinde und die Hochschule Darmstadt geladen haben.
Die Veranstaltung ist der Auftakt auf dem Weg zum neuen Verkehrskonzept, das die Bachelor- und Masterstudenten des Fachbereichs Bau- und Umweltingenieurwesen im Auftrag der Gemeinde erarbeiten sollen.
Die rund 20 Teilnehmer des Rundgangs – darunter einige Gemeindevertreter – begutachten diverse heikle Stellen im Ort, so auch vor der Grundschule. Dass Elterntaxis durch die Straße heizen, sei durch die Absperrung verhindert, das sei schon einmal sehr gut, meint Follmann. Doch wie auf Kommando fährt ein Mann im schwarzen BMW heran und stellt sich auf den Lehrerparkplatz. „Vielleicht müsste man die Schranke noch weiter nach vorn setzen und mit einem Zahlencode versehen“, schlägt Follmann vor. Es sind viele kleine Ideen wie diese, die der Professor und seine Studierenden bei der Auftaktveranstaltung präsentieren. Bei weiteren Terminen in den folgenden Monaten soll es dann ins Detail gehen.

Gesprächsbedarf gibt es natürlich auch an der nächsten Station: am „Scharfen Eck“, der unübersichtlichen Kreuzung von Bahn-, Schul-, Luther- und Ernst-Ludwig-Straße. „Aus meiner Sicht ist das die gefährlichste Ecke in Egelsbach“, sagt Bürgermeister Tobias Wilbrand. „Wenn ich hier mit dem Fahrrad langfahre, gucke ich immer dreimal“, bestätigt Inge Braukmann-Best (WGE). Viele Jugendliche würden mit ihren Rollern jedoch einfach über die Kreuzung rasen, ohne auf die Vorfahrtsregeln zu achten. Marc Gasper (SPD) meint: „Alles, was hilft, die Geschwindigkeit zu drosseln, ist gut. Hier wird viel zu schnell gefahren.“
„Scharfes Eck“ in Egelsbach: Professor schlägt Rechts vor Links vor
Man solle den Fokus auf den Schulweg – also die Nord-Süd-Achse – legen, regt Follmann an: „damit die Kinder mit ihren Eltern Radfahren können und gut gesehen werden“. Er schlägt vor, Rechts vor Links einzuführen. „So brutal das ist: So kriegen wir Geschwindigkeit raus, weil alle vorsichtiger fahren müssen.“ Auch könne man den Kreuzungsbereich auf das Niveau des Bordsteins anheben – ein weiterer Anreiz zum Abbremsen.
„Wir empfehlen außerdem, mal als Pilotversuch alle Einbahnstraßen ein Jahr lang für Radfahrer in beide Richtungen zu öffnen“, verkündet Follmann, als die Gruppe durch die schmale Schulstraße weiterzieht. „Wenn einem dann hier ein Lastenrad entgegen kommt, wird es aber eng“, entgegnet Stefan Ehrhard (Grüne). „Das hier ist ein Drei-Zentimeter-Bordstein“, analysiert Follmann. „Wenn man ihn auf einen Zentimeter absenkt, kann der Radfahrer einfach ausweichen.“ Während des Rundgangs fallen dem Verkehrsexperten immer wieder neue Dinge auf, die die Gemeinde mal hinterfragen könnte. So auch ein rot-weißer Pfosten an der Ecke zur Judengasse: „Der muss weg“, sagt Follmann sofort. „Er hat eigentlich keinen Sinn. Autos passen dort eh nicht durch und für Radfahrer ist das im Dunkeln richtig gefährlich.“

So auch am Kirchplatz, wo Follmann ein Stoppschild ins Auge sticht. „Warum steht das hier? Man hat doch alle Sichtfelder“, meint der Verkehrsexperte. „Hier kann man mal entrümpeln.“ Eine Rechts-vor-Links-Regelung sei ausreichend, er könne sich sogar einen Mini-Kreisel vorstellen, so Follmann, „das würden wir gerne prüfen“. Und Wilbrand ergänzt: „Meine Zukunftsvision ist, dass hier alles in einem einheitlichen Pflaster gestaltet wird – ein richtiger Platz also.“
Bürgermeister: Radverkehr in Egelsbach hat „unheimlich zugenommen“
Zum Abschluss gibt es noch ein kleines Experiment: Vier von Follmanns Studenten verwandeln die Ecke Kirchstraße/Freiherr-vom-Stein-Straße mit einer roten Plane kurzerhand in einen Kreisel. Zunächst sind die Autofahrer verwirrt – viele fahren einfach links am Kreisel vorbei. Doch mit ein bisschen Gestikulieren klappt’s. „Man sieht, dass es funktioniert“, sagt Follmann. „Alle fahren langsamer und vorsichtiger.“
Als es allmählich dunkel wird und die Gruppe zum Bürgerhaus zurückkehrt, sind immer noch zahlreiche junge Radler auf den Straßen unterwegs. „Ich finde es richtig klasse, dass die Kinder auch um 19.30 Uhr noch mit dem Rad fahren“, attestiert Follmann. „Der Radverkehr hat hier in den letzten Jahren unheimlich zugenommen“, bestätigt Wilbrand. „Aber weil wir so unstrukturiert sind, geht es wild in alle Richtungen. Es wäre wichtig, dass das Verkehrskonzept diese Wege etwas steuert.“ (Manuel Schubert)