Ein Stück Landleben zu mieten

Egelsbach - Gesund und ökologisch vertretbar, so möchte doch eigentlich jeder von uns leben. Von Timo Kurth
Auch wegen diverser Lebensmittelskandale schauen selbst Bioskeptiker inzwischen so manches Ma(h)l genauer hin: Woher stammen die Produkte aus dem Discounter? Vielen ist gesunde Ernährung inzwischen sogar so wichtig, dass sie ihr Gemüse kurzerhand selbst anbauen: Eigener Garten, eigene Radieschen, eigene Möhren – eigene Geschmackserlebnisse. Für das Gros der Städter ist der eigene Garten freilich ein schwer erfüllbarer Wunsch. Lediglich 36 Prozent der Deutschen besitzen tatsächlich einen. Aber ob jede Scholle letztlich Platz und Umgebung für ein eigenes Gemüsebeet bietet, ist fraglich. Fehlen zudem die Zeit, der grüne Daumen oder das nötige Werkzeug, verpufft der Traum von der eigenen Gemüseproduktion ruck, zuck wieder.
Saisongärten stehen aus diesem Grund hoch im Kurs. Der Trend ist auch in Egelsbach angekommen – genauer gesagt auf dem Birkenhof. Bereits seit drei Jahren überlassen Ortslandwirt Arno Eckert und sein Hofteam Erfahrenen wie Unerfahrenen ein Stück Land in der anbaufreundlichen Jahreszeit. „Es werden jedes Jahr mehr Menschen, die sich für unsere Saisongärten interessieren“, sagt Annika Eckert, die dieses Birkenhof-Angebot koordiniert.
Die Größe der Gartenparzellen ist variabel, bei 40 Quadratmetern geht es los. Damit die Freizeitgärtner sofort loslegen können, hat das Hofteam in den Saisongärten bereits vor der Übernahme eine Reihe von Gemüsesorten ausgesät. Nur circa ein Drittel der Fläche steht zu Beginn leer. Für einen Kostenbeitrag von 130 Euro haben Hobbygärtner sämtliche Rechte (und Pflichten) zur Nutzung ihres Stücks Garten.
Wetterfeste Gemüsebauern
Erste Lektion: Gemüsebauern müssen wetterfest sein. Zum Teil heftiger Regen begleitet die offizielle Übergabe der Saisongärten am ersten Mai-Sonntag – knapp zwei Dutzend Mieter der Anbauflächen lassen sich davon nicht schrecken. Sie möchten sich letzte Informationen vom Hofteam abholen. In Gummistiefeln und dicht gedrängt unter Regenschirmen treten sie an die Felder, die das nächste halbe Jahr in ihrer Obhut liegen werden.
Dass unter den Saisongärtnern auch blutige Anfänger stecken, ist bei einigen Fragen unverkennbar. „Wie düngt man eigentlich? Und ist das mit der bloßen Hand ungesund?“, wird Arno Eckert beispielsweise gefragt. Der Fachmann gibt sein Wissen natürlich gerne weiter. Außerdem hat der Birkenhof in diesem Jahr eine Beratungsstelle für Saisongärtner eingerichtet, die beim Anbau Probleme haben. „Meine Mutter steht bei regelmäßigen Terminen zu Fragen aller Art Rede und Antwort“, verspricht Annika Eckert.
Die meisten Anwesenden sind freilich alles andere als unbedarft. „Rund 80 Prozent der diesjährigen Saisongärtner waren schon voriges Jahr mit dabei“, schätzt Arno Eckert. Ein „Wiederholungstäter“ ist Frank Schnauber, der abermals gemeinsam mit Frau und Kindern den eigenen Saisongarten pflegen möchte. Ihm ist vor allem der soziale Aspekt wichtig. „Hier können die Kinder noch lernen, dass die Gurken nicht im Lidl wachsen“, sagt er lächelnd. „Außerdem ist das Verhältnis zwischen den Gärtnern sehr gut. Häufig kommt man zum Plausch zusammen, nicht zuletzt bei den verschiedenen Hof-Veranstaltungen. Einfach der perfekte Ausgleich zum Arbeitsplatz.“
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Dass der Ertrag ebenfalls stimmt, kann Verena Jakel bestätigen, die ebenfalls seit vorigem Jahr mit ihrer Familie im eigenen Garten erntet. „Von Ende Mai bis in den Oktober hinein hatten wir regelmäßig frisches Gemüse auf dem Tisch. Wir haben in diesem Jahr eine weitere Parzelle gemietet, um uns steigern zu können“, erzählt sie begeistert. Auch andere Beweggründe locken Mieter: „Ich habe zuletzt eine Ausbildung zur Wild- und Heilkräuterexpertin absolviert“, schildert Petra Lewandrowski, die zum ersten Mal einen Saisongarten am Birkenhof übernimmt. „Hier bekomme ich jetzt die Möglichkeit, das Gelernte anzuwenden.“
Der Birkenhof-Chef ist ebenfalls mit seinem Projekt zufrieden. „Wir haben in den vergangenen drei Jahren durchweg positive Erfahrungen mit unseren Saisongärten gemacht. Alle halten sich an die Spielregeln.“ Eckert freut außerdem, dass Menschen wieder bereitwillig aufs Land kommen. „Ich habe schon Leute beobachtet, die morgens um 5 Uhr vor der Arbeit zur Gartenpflege vorbeigeschaut haben.“
Noch gibt es freie Saisongarten-Parzellen am Egelsbacher Birkenhof. E-Mail-Adresse für Interessierte: saisongarten@birkenhof-egelsbach.de