Batnight am Bruchsee: Weg vom Dracula-Mythos

Dem Säugetier, das in der Finsternis flattert, haftete über Jahrhunderte ein düsteres Image an – zumindest im europäischen Kulturkreis. Zur 25. Internationalen Fledermausnacht („Batnight“) hatte der Naturschutzbund NABU Langen-Egelsbach den Spezialisten Rudolf Keil eingeladen, um den Besuchern die Tiere näherzubringen.
Egelsbach – „Fledermäuse standen im negativen Gegensatz zu Engeln“, erklärt der Dietzenbacher Rudolf Keil den Besuchern am Samstagabend am Bruchsee in Egelsbach. Die NABU-Vorsitzende Susanne Mönke-Cordts hatte nicht vermutet, dass so viele kommen. Keil habe jedoch prophezeit: „Fledermäuse ziehen immer“. Gut 100 Interessierte tragen sich in die Corona-Listen ein, vor allem Familien mit Kindern. Keil hatte im Vorfeld erst in Langen nach Fledermausgebieten gefahndet – „das ganze Vorturnen brachte aber nichts“. In Egelsbach wurde der 77-Jährige fündig, dem vor einem Vorführeffekt nicht bange sein muss. „Denn Fledermäuse haben ihre festen Jagdreviere“.
Viele verbinden die Tiere mit dem Dracula-Mythos. Ein Kind drückt sich an die Beine seines Vaters, als Keil erzählt, Vampire gebe es tatsächlich. Schaudern muss sich hierzulande niemand: Keil zeigt das Bild eines Exemplars, das am Bein eines Huhnes leckt. Vampirfledermäuse leben in Südamerika, ritzen nachts vor allem Rinder, um deren Blut zu trinken.
Die Fledermaus blickt auf eine lange Geschichte zurück. Keil erwähnt die 48 Millionen Jahre alten Versteinerungen aus der Grube Messel, die einen evolutionären Schritt zu den 52 Millionen alten Funden auf dem nordamerikanischen Kontinent erkennen lassen, „während der vier Millionen Jahre hat sich Echoortung entwickelt“.
Detektor macht die Rufe der Fledermäuse hörbar
Nach diesem kurzen Theorieteil führt Keil die Teilnehmer in ein Jagdrevier der Tiere auf Höhe des Geländes von „Birkensee Beerenkulturen“. Er trägt einen Detektor bei sich, der über einen Lautsprecher die Rufe der Fledermäuse wiedergibt: Sie ähneln einem Klappern. Anhand der Frequenz von 44 Kilohertz weiß Keil, „das sind Zwergfledermäuse“. Die Tiere fiepen nicht vor sich hin, „sie geben laute Schreie ab“. Doch das menschliche Ohr vernimmt maximal 20 Kilohertz.
Der Energiebedarf einer Fledermaus wirkt gewaltig, „täglich muss sie ein Drittel ihres Gewichts fressen“. Als müsste sich ein 75 Kilo schwerer Mensch zwischen Frühstück und Abendessen durch Spaghetti oder Schnitzel einen halben Zentner auf die Rippen futtern. Manche Fressopfer – das sind Insekten, vor allem Mücken und Falter – entwickelten übrigens eine Finte: „Sie spüren, wenn ein Echolot sie trifft und lassen sich fallen“, weiß Keil. Hängt die Fledermaus kopfüber, schlägt das Herz 300 Mal pro Minute, während der Jagd pocht es 1100 Mal. Deshalb müssen Fledermäuse viel trinken.
Als Dunkelheit herrscht, lässt Keil ein Kind mit seiner Rotlichtlampe übers Wasser leuchten. Blind sind die Tiere nicht, „weißes Licht ist zu grell“. Nur Zentimeter entfernt flattern die hiesigen Fliegenfledermäuse über den Bruchsee. Die Kälte, die bis in den Mai herrschte, wirkte sich miserabel auf die Population aus. Keil erzählt, dass er Anrufe von Hausbesitzern bekam, deren Wände voller kleiner Tiere hingen. Nachwuchs, für den die Mütter keine Milch mehr hatten. Keil sammelte viele ein, die die Pflegestation in Obertshausen an Helferinnen verteilte, „manche Frauen kümmerten sich um 30 Tiere“. Der Leiter eines Supermarkts rief ihn, als er eine Fledermaus fand, die nur 2,9 Gramm wog, „dem Tod sehr nahe“. In Obertshausen sei es aber gelungen, das Tier auf 4,2 Gramm zu päppeln. „Es hatte enormen Lebenswillen“, sagt Keil.
Von Stefan Mangold