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Eppertshäuser Bäckermeister sucht Nachfolger

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In der Backstube von Jürgen Kreher (Zweiter von rechts) tauschte sich die Männerrunde– darunter Landrat Klaus-Peter Schellhaas (Zweiter von links) und Eppertshausen Bürgermeister Carsten Helfmann (Dritter von links) über die Sorgen und Nöte des Handwerks aus.
In der Backstube von Jürgen Kreher (Zweiter von rechts) in Eppertshausen tauschte sich die Männerrunde– darunter Landrat Klaus-Peter Schellhaas (Zweiter von links) und Eppertshausen Bürgermeister Carsten Helfmann (Dritter von links) über die Sorgen und Nöte des Handwerks aus. © Just

Unter dem Titel „Sorgen und Nöte vom Handwerk“ hat die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main Bäckermeister Jürgen Kreher in Eppertshausen besucht.

Eppertshausen – „Ich werde dieses Jahr 58. Auch wenn ich noch ein paar Jahre arbeiten muss, mach ich mir langsam Gedanken über einen Nachfolger für meinen Laden – das dürfte schwierig werden“, sagt Jürgen Kreher, Bäckermeister und Inhaber des gleichnamigen Betriebs im Ort. Beim Besuch von Dr. Christof Riess, Geschäftsführer der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, legte Kreher in seiner Backstube dar, wo der Schuh drückt.

Unter dem Titel „Sorgen und Nöte vom Handwerk“ nahmen des Weiteren Landrat Klaus-Peter Schellhaas, Rainer Lamp, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Darmstadt-Dieburg, Kreishandwerksmeister Joachim Höfler sowie Eppertshausens Bürgermeister Carsten Helfmann am Austausch teil.

Der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main gehören derzeit rund 33 000 Betriebe an, davon sind lediglich 640 Metzger oder Bäcker. „Das ist ein Riesenproblem. Wir brauchen Azubis, doch die lassen sich nur schwer finden“, konstatierte Riess. Davon kann Kreher ein Lied singen: vor zwei Jahren lernte der letzte Azubi aus, seitdem gingen keine Bewerbungen mehr ein. Für Kreher, der seit 1996 immer ausgebildet hat, eine ungewohnte Situation. Mit Sorge beobachtet er, dass die Menge der Bäcker, die in den Ruhestand gehen, deutlich über der Zahl liegt, die in den Beruf einsteigen. Parallel würden kleine Betriebe verschwinden, während die Zahl der großen Ketten und Filialbäcker gleich bleiben oder mehr werden.

„Eppertshausen kann stolz sein, dass zwei Bäcker und zwei Metzger noch die Grundversorgung abdecken“

„Eppertshausen kann stolz sein, dass zwei Bäcker und zwei Metzger noch die Grundversorgung abdecken“, so Kreher, der ebenfalls den Rückgang der Innungsbetriebe und die bundesweite Schließung von Berufsschulstandorten moniert. Letzteres führt zu mehr Blockunterricht, was aber nicht unbedingt negativ ist. „Hier wird deutlich intensiver gelernt“, lauten Krehers Erfahrungen.

Ein Lob richtete die Runde ans hessische Kultusministerium, das bemüht sei, alle Berufsschulstandorte zu erhalten. Das wird vom Landkreis Darmstadt-Dieburg als Schulträger unterstützt: „In Dieburg zu bauen oder zu investieren, kommen wir gerne nach. Steigt der Schulstandort im Wert, ist das gut für alle“, warf der Landrat ein.

Doch wie lässt sich der Misere im Handwerk nun begegnen? „Wir müssen raus an die Schulen und die Jugendlichen direkt abholen. Von selbst kommt keiner mehr zu uns“, ist sich Kreher sicher. Ausschreibungen auf dem Papier brächten wenig, es gelte direkt junge Menschen anzusprechen – vor allem jene, die ihre Fähigkeiten noch nicht kennen. Gerade fürs Bäckerhandwerk sei dies wichtig, da der Beruf nicht oben bei den Berufswünschen steht. Dafür bräuchte es mehr Zusammenarbeit mit den Lehrern, fast schon ein Briefing, damit diese vermitteln „wie das Handwerk tickt“.

Parkplatzsituation in Eppertshausen

Schulen müssten heutzutage fürs Handwerk Interesse wecken und Überzeugungsarbeit leisten. „Wir haben schon Skizzen, wie wir das angehen wollen“, verbreitete Schellhaas Hoffnung. Für Kreishandwerksmeister Joachim Höfler muss an den Gymnasien ebenfalls eine Umstellung erfolgen. Bei der Wertschätzung zwischen Akademie und Handwerker klaffe immer noch eine große Lücke. In den Gymnasien werde zu wenig übers Handwerk geredet. Das sei fatal, denn für die elektronischen und technischen Berufe benötige man vor allem Gymnasiasten aufgrund der komplexen Inhalte. Riess betrachtet es als essenziell, junge Menschen über die sozialen Medien anzusprechen. Auch die virtuelle Welt/Realität müsse herangezogen werden, etwa bei der Berufsorientierung in den Bildungszentren: „Handwerksberufe mit einer 3-D-Brille vorzustellen ist was ganz anderes, als wenn einer dasitzt und erzählt.“

Mehr Zusammenarbeit aller Akteure gab die Runde als eines der wichtigsten Credos aus. Das schließe Ministerien, Berufsschulen, Kammern und Betriebe ebenso ein wie die Kommunen. Letztere können etwa die Parkplatzsituation verbessern. Kreher lobte die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Eppertshausen, die Park- und Halteraum vor seiner Bäckerei schufen. Bürgermeister Carsten Helfmann gab an, dass die Verwaltung das Handwerk so gut wie möglich unterstützt. Eine Möglichkeit seien Bauprojekte, bei denen man auf Großunternehmer verzichtet und die Gewerke einzeln ausschreibt. Das komme lokalen Betrieben zu Gute. (Michael Just)

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