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Missbrauchsvorwürfe gegen Pfarrer: Bischof liest Gemeinde in Eppertshausen die Leviten

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Von: Ralf Enders

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Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz. Archi
Peter Kohlgraf, Bischof von Mainz. Archi © Dpa

Es sind deutliche Worte, mit denen der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf Mitglieder der katholischen Pfarrgemeinde St. Sebastian in Eppertshausen kritisiert.

Eppertshausen/Mainz – Es war eine denkwürdige Pfarrversammlung am Sonntag vor einer Woche in Eppertshausen. Die Stimmung war aggressiv bis feindselig, als die Bevollmächtigte des Generalvikars im Bistum Mainz, Stephanie Rieth, der Gemeinde das Vorgehen rund um die Missbrauchsvorwürfe gegen den Eppertshäuser Pfarrer im Ruhestand, Harald Christian Röper, erläutern wollte. Zahlreiche Gemeindemitglieder nahmen Röper, der auch weiter nicht nach Eppertshausen zurückkehren darf, vorbehaltslos in Schutz und kritisierten Rieth und das Bistum scharf.

Dies hat nun Wellen bis an die höchste Stelle im Bistum geschlagen: In einem Brief hat sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf an die Gemeinde in Eppertshausen gewandt und deren Verhalten ungewöhnlich deutlich kritisiert. Der Leiter des Pastoralraums Bachgau, Alexander Vogl, hat den Brief am Wochenende im Gottesdienst in Eppertshausen verlesen. Wir geben das Schreiben hier im Wortlaut komplett wieder, in der Form, die uns das Bistum zur Verfügung gestellt hat. Der Bischof schreibt:

Schreiben im Wortlaut: Mainzer Bischof wendet sich an Gemeinde Eppertshausen

„Sehr geehrte Gemeindemitglieder in Eppertshausen,

es ist mir ein dringendes Anliegen, Ihnen in diesen Tagen einen Brief zu schreiben. Ich verstehe ihn unter anderem auch als meine Reaktion auf den Besuch der Bevollmächtigten des Generalvikars, Frau Stephanie Rieth, die in meinem Namen am Sonntag, 23. April, zum Gespräch zu Ihnen gekommen ist, um Rede und Antwort zu stehen zu der Sie bewegenden Personalentscheidung bezüglich Ihres langjährigen Pfarrers Harald Röper.

Ich verstehe, dass die derzeitige Situation viele von Ihnen emotional aufwühlt. Wenn jemand viele Jahre Pfarrer einer Gemeinde war, sind enge Beziehungen gewachsen. Ich habe verschiedene Berichte von dem genannten Abend gehört. Emotionen sind für mich verständlich. Jedoch kann ich nicht akzeptieren, wie an diesem Abend mit Frau Rieth umgegangen worden ist.

Wir handeln im Bistum Mainz nach Richtlinien, die in einem langen Ringen auch mit Vertretern der Politik und Vertretern Betroffener entstanden sind; sie gelten deutschlandweit. Und es ist gut, dass wir diese Richtlinien haben. Das Gegenbild dazu haben wir in Mainz in der EVV-Studie nachlesen können. Da sehen wir die jahrzehntelange Praxis einer Kirche, die sich um geltendes Recht nur wenig schert. Ich sage es deutlich: Eine derartige Kirche will ich nicht mehr. Kirche ist kein rechtsfreier Raum, gleichgültig in welchem Bereich. Nicht zu reagieren und Dinge zu überdecken, löst Probleme nicht, sondern verschärft sie. Zur konsequenten Aufarbeitung zählt, dass wir Meldungen zur Überprüfung an die Staatsanwaltschaften weitergeben. Genauso gehört aber dazu, dass wir unter Berücksichtigung des Ergebnisses des staatsanwaltschaftlichen Verfahrens stets auch ein kirchliches Verfahren durchführen. Wir lassen uns dabei von der Perspektive der Betroffenen leiten und übernehmen zugleich die Verantwortung für Beschuldigte. Wir glauben Betroffenen und halten zugleich die Unschuldsvermutung bis zum Ergebnis des kirchlichen Verfahrens aufrecht.

Frau Rieth hat diese Zusammenhänge in der Gemeindeversammlung am vergangenen Sonntag erläutert. An dem Abend kam es dazu, dass Frau Rieth nicht zugehört wurde, in lauten Zwischenrufen Unterstellungen und sogar persönliche Beleidigungen geäußert wurden, die andere mit Beifall unterstützten. Ich halte ein derartiges Verhalten für nicht hinnehmbar, und erst recht einer christlichen Gemeinde für unwürdig. Selbst bei abweichenden Meinungen und Einschätzungen dürfen wir den gegenseitigen Respekt nicht vergessen, Beleidigungen und Hysterie gibt es bereits genügend in unserer Gesellschaft. Wenigstens die Bereitschaft zum Zuhören wäre eine notwendige Grundlage für ein Gelingen dieses Abends gewesen. Diese Feindseligkeit erreicht auch mich persönlich in verschiedenen Zuschriften. Auch in der Kirche haben nicht die Lautesten automatisch Recht.

Daher will ich nicht verschweigen, dass mich auch andere Stimmen aus Eppertshausen erreicht haben. Es gibt bei Ihnen Menschen, die sich des Verhaltens anderer an diesem Abend schämen und um Entschuldigung bitten. Es wundert mich nicht, dass diese Menschen an jenem Abend und sicher auch bei anderen Gelegenheiten nicht das Wort ergreifen. Vielmehr erschüttert es mich, dass das in einer christlichen Gemeinde nicht möglich ist.

Aus einem anderen Gemeindezusammenhang meiner früheren Tätigkeiten kann ich nur dazu einladen, alles zu vermeiden, was zu einer nachhaltigen Spaltung der Gemeinde beiträgt. Denn diese Spaltung wird lange Zeit Gemeinschaft vergiften. Die Grundlage für eine gute Gemeinschaft müssen alle gemeinsam legen und sie erhalten. Dazu kann ich Sie nur herzlich ermutigen.

Ein Wort zu unseren Entscheidungsfindungen im Bistum will ich anschließen. Keine einzige Entscheidung trifft jemand allein, Expertinnen und Experten sind eingebunden. Es ist schon ein wenig erstaunlich, wenn ohne konkretes Hintergrundwissen das Bistum und seine Verantwortlichen als unfähig oder parteilich dargestellt werden.

Ich danke denen, die in diesen Tagen zu einer Versachlichung der Themen beitragen und die haupt- und ehrenamtlich versuchen, Einheit zu erhalten. Ihnen allen wünsche ich Gottes Segen und immer mehr die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Von unserer Seite bleibt das Angebot zum Gespräch, aber unter anderen Bedingungen.

Ihnen eine gesegnete Osterzeit.

Peter Kohlgraf

Bischof von Mainz“

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