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Das Eppertshäuser „Settchen“ war eine selbstbewusste Frau

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Doppelt so groß hätte die Eppertshäuser Bürgerhalle sein können. Viele Gäste mussten draußen warten, bis jemand den Ball verließ.
Doppelt so groß hätte die Eppertshäuser Bürgerhalle sein können. Viele Gäste mussten draußen warten, bis jemand den Ball verließ. © Schweinfurth, Melanie

Damit sie bei ihrem Auftritt am späten Abend auf der Bühne der Eppertshäuser Bürgerhalle auch ihre ganze Wirkung entfalten können, „muss noch ordentlich Schminke drauf“, wie im Umkleideraum jemand ruft. Und tatsächlich wird, eine Stunde bevor die „Settchen“ zum gleichnamigen Lied und Tanz auftreten, schon „ordentlich Schminke“ aufgetragen.

Eppertshausen – Blauer Lidschatten, lange, künstliche Wimpern, lockige Perücken, dazu Glitzer-Tops und Schlaghosen – so präsentierten sich die Settchen später ihrem gut gelaunten Publikum. Passend zum Motto des diesjährigen Maskenballs „Gimme, gimme, gimme – more Settchen“ waren auch die Gäste im 70er-Jahre-Look erschienen. Je bunter, desto besser hieß die Devise. Während sich die Settchen auf ihren Auftritt vorbereiteten, warteten draußen etwa 200 Gäste auf Einlass. Doch nicht jeder fand am Sonntagabend noch einen Platz in der Halle.

„Im Vorverkauf gingen alle Karten schnell weg“, erzählt Paul Schledt von der Eppertshäuser Kolpingsfamilie, die den traditionsreichen Settchesball zusammen mit dem Chor St. Sebastian ausrichtete. Wer auf eine Eintrittskarte an der Abendkasse hoffte, war gut beraten, schon früh am Abend zu kommen. Ansonsten hieß es: Geht einer raus, kann einer rein. Denn auch die große Bürgerhalle fasst nur eine bestimmte Anzahl Menschen, und ein wenig Platz zum Tanzen sollte ja auch noch bleiben.

Für die Gute-Laune-Musik sorgten DJ VIM von „planet radio“ aus Frankfurt und die „Lieblingsband“. Sie hatten von der Bühne und einer nebenan aufgebauten Loge aus einen guten Blick auf die tanzenden, singenden und feierlustigen Gäste. Derweil war es für die Veranstalter im Vorfeld nicht einfach, den Abend zu planen. „Wir haben im Oktober angefangen, mit mehreren Teams den Settchesball vorzubereiten“, sagt Schledt.

Dabei sei die Frage aufgekommen: Kann man die Fastnacht verlernen? „Natürlich haben wir auf einen guten Zuspruch gehofft. Aber wir mussten auch berücksichtigen, dass die Menschen nach zwei Jahren Unterbrechung vielleicht nicht mehr so unbeschwert feiern.“ Doch die Fastnacht „verlernt“ hatte offenbar niemand. Und das Organisationsteam, inzwischen deutlich verjüngt, hat mit einer neuen Art der Werbung und der Kommunikation vor allem die jüngeren Gäste erreicht.

„Der Settchesball soll aber alle Altersgruppen ansprechen“, sagt Schledt. Für alle, die es zwischendurch ein klein wenig ruhiger mochten, gab es eine Cocktail-Bar, in der sich vor allem die Generation über 40 gern aufhielt. Noch relativ neu ist, dass die Settchen-Gruppe nicht mehr ausschließlich aus Frauen besteht. Neben 15 Frauen zwischen 16 und 28 Jahre standen auch acht junge Männer auf der Bühne.

Der Name Settchen ist eine verniedlichende Form von Elisabeth. Vor 84 Jahren wurde in Eppertshausen zum ersten Mal die Geschichte einer Frau namens Settchen erzählt. Und zwar von Johann Gruber und Peter Beckmann, die in der Fastnachtssaison 1938/39 das Settchen-Lied erstmals auf die Bühne brachten. Gruber schrieb den Text, Beckmann warf sich in knappe Frauenkleider und präsentierte sich den Eppertshäuser Narren als „goldisch Oos“.

„Des Eppertshaiser Settche, des is e goldisch Oos / des hot e herrlich Bettche, nit klaa unn ach nit groß / in diesem scheene Bettche / do schläft’s und träumt so süß / des Eppertshäuser Settche / als wär’s im Paradies“, heißt es im Refrain des Settchen-Lieds. Wer die Hymne verstehen möchte, der sollte im örtlichen Dialekt sattelfest sein, denn manche Begriffe sind durchaus doppeldeutig. Aber immer liebevoll gemeint.

So lässt sich „Oos“ zwar tatsächlich mit „Aas“ übersetzen, doch ist dies keine abwertende Beschreibung des Settchens. Eher ist damit eine selbstbewusste Frau gemeint, die gern Fastnacht feierte. Damit sie auf einen Maskenball gehen konnte, ließ sie auch mal ihren Mann die Kinder hüten. Was in den 1930er-Jahren ein Skandal war, ist heute selbstverständlich. Und so konnten am Sonntagabend alle – Männer und Frauen, Jüngere und Ältere – unbeschwert die Fastnacht und natürlich auch das Settchen feiern.

So wird man ein „Settchen“: Ina (rechts) und Lisa bereiten sich auf ihren Auftritt vor. Die Tanzeinlage gilt als Höhepunkt des Balls.
So wird man ein „Settchen“: Ina (rechts) und Lisa bereiten sich auf ihren Auftritt vor. Die Tanzeinlage gilt als Höhepunkt des Balls. © Schweinfurth, Melanie
DJ VIM von „planet radio“ sorgte für die passende Musik.
DJ VIM von „planet radio“ sorgte für die passende Musik. © zeta

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