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Respekt, Disziplin und Teamfähigkeit durch boxen

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Der Gewinner Enis Osmani (Mitte) nach seinem Kampf. Rechts Trainer Onur Sarisin, der privat im Darmstädter Kampfsport-Zentrum „Fight Time“ boxt, und links Co-Trainer Tefvik Seyrek.
Der Gewinner Enis Osmani (Mitte) nach seinem Kampf. Rechts Trainer Onur Sarisin, der privat im Darmstädter Kampfsport-Zentrum „Fight Time“ boxt, und links Co-Trainer Tefvik Seyrek. © p

Beim Boxprojekt der Gemeinde Eppertshausen bringen Jugendpflegerin Stephanie Groh, Streetworker Ismail Özdemir und Box-Trainer Onur Sarisin Jugendlichen, die auf die schiefe Bahn geraten sind, Respekt, Disziplin und Teamfähigkeit bei. Zwei der 20 Jugendlichen haben nun ihren ersten Kampf bestritten.

Eppertshausen – Ein bisschen ist sie wie Mama Dalton – die Mutter von Joe, William, Jack und Averall, den Comic-Gegnern von Lucky Luke. Nicht dass sie wie diese Feilen in Kuchen einbackt. Nein, eher, dass sie sich problemlos als Frau unter schlimmen Fingern zu behaupten weiß. Die Rede ist von der Eppertshäuser Jugendpflegerin Stephanie Groh und ihrem sozialen Boxprojekt, das sie mit Streetworker Ismail Özdemir seit 2013 betreibt.

Ob nun einer dauernd die Schule schwänzt, vom Jugendgericht Sozialstunden aufgebrummt bekommen hat oder immer wieder unschön durch Prügeleien auffällt: Mama Groh fängt jeden auf. Sie geht in die Familien rein, spricht mit dem Übeltäter und verdonnert ihn zum Boxtraining. Dabei ist selbstverständlich nicht das Ziel, sich endlich mal so richtig gegenseitig verdreschen zu können, sondern vielmehr das Lernen von Eigenschaften wie Respekt, Disziplin und Teamfähigkeit.

Ismail Özdemir, seit mehr als 25 Jahren dabei, weiß dabei aus eigener Erfahrung, wie es ist, sich von der schiefen Bahn auf den rechten Weg zurückzukämpfen. Und genauso der 31-jährige Onur Sarisin, der seit 2014 die jungen Tunichtgute zwischen 16 und 27 Jahren jeden Dienstag und Sonntag und manchmal auch donnerstags nebenberuflich trainiert. Er war in seiner Jugendzeit ebenso nicht von schlechten Eltern. „Ich bin die Einzige mit sauberer Weste. Total langweilig“, meint Groh lachend.

Spenden fürs Boxprojekt

Fachbereich Soziales: 06071 300943

So oder so. Die 55 Jahre alte Mutter von drei Kindern ist prädestiniert für den Job. Soziales hat sie zwar nicht studiert – Kauffrau und Lerntherapeutin ist sie – aber sie punktet mit einem Haufen Lebenserfahrung. Über einen Streetworker-Minijob wurde sie zur Vollzeit-Jugendpflegerin der Gemeinde. Mit herzlich energischer Zuverlässigkeit und ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn weist sie seitdem ihren Schäfchen den Weg. „Steffi“ und „Sie“ wird sie respektvoll von ihnen genannt.

Onur Sarisin war lange Zeit eins dieser Schäfchen, solange, bis er sich privat und beruflich aufrappelte und zum Vorbild wandelte, zum Vorbild für die jungen Leute, die er heute trainiert. Er ist Groh und Özdemir dankbar für den notwendigen, liebevoll gemeinten Tritt in den Hintern und gibt diesen jetzt weiter. Erscheint beispielsweise ein Neuling – zurzeit sind es 20 Männer im Box-Team, es waren aber auch schon mal Frauen dabei – zu spät im Ring, müssen nicht nur er, sondern alle zur Strafe 20 Runden rennen.

Etwas, das nicht gerade beliebt macht. Deswegen bekommt jeder Neue einen der Alten als Paten zur Seite gestellt, erzählt Groh. Der spricht dann nach solch einem Vorfall mit ihm, sagt, dass es doch nicht angehen könne, wenn alle seinetwegen laufen müssen – und schon hat sich das Problem mit der Unpünktlichkeit in der Regel erledigt. Geboxt wird übrigens in der Mehrzweckhalle. Der leicht marode Touch bringt Bedingungen wie bei Rambo, meint Groh schmunzelnd. Passend. Der sei ja ebenfalls von der Straße gewesen.

Aber auch wenn es kein toller Boxstall sei, sie es manchmal ganz schön kühl hätten und sich zudem mit anderen Hallenbenutzern arrangieren müssten – über das EU-Förderprogramm LEADER sind ordentliche Sportgeräte wie ein Heimtrainer finanziert worden. Sogar einen rollbaren Boxring gibt es. Und einen Alu-Pavillon für draußen. Gut bei Corona, findet Groh. Und vielleicht können sie damit in Zukunft Schaukämpfe auf dem Bolzplatz organisieren.

Enis Osmani siegt mit Knock-out

Und nun bestritten mit Enis Osmani (23) und Emircan Pektas (18) zwei ihrer Jungs bei der Newcomer-Gala „Fight Time“ in Bensheim ihren ersten Kampf. Osmani lieferte seinem Gegner in der zweiten Runde einen Knock-out und gewann bravourös. Der jüngere Pektas musste hingegen feststellen, dass Training und Wettkampf zwei verschiedene Paar Schuhe sind, stellt Trainer Sarisin – trotzdem äußerst zufrieden – fest. Seinem Schützling fehlte noch das Abgeklärte, und er verlor nach drei Runden durch Punkte.

„Das größte Lob, das meine Brust stolz anschwellen lässt, sind nach dem Kampf Fragen wie ‚Aus welchem Boxstall kommt denn Ihr?’“, sagt Groh. „Und das, obwohl wir von einem Sozialprojekt sind.“ Ein Sozialprojekt, bei dem für ihre Jungs alles kostenlos ist, aber eben nicht umsonst. „Sie helfen mit, wo zupackende Hände gebraucht werden“, versichert sie. Und selbst zu Corona-Schwerstzeiten, als Gruppentreffen verboten waren, hängten sich Steffis Jungs in ihr Training rein.

„Als acht Wochen gar nichts ging, joggte jeder für sich allein im Wald“, berichtet sie. Ansonsten waren sie draußen auf dem Bolzplatz. „Selbst im Winter!“ Oder zehn kamen dienstags in die Halle und zehn sonntags. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Man muss nur einfallsreich sein.“ Um noch mehr tun zu können, sind natürlich immer Spenden erwünscht. Vielleicht sogar dafür, um jemanden vor dem Gefängnis zu bewahren – nicht wie bei Ma Dalton, um ihn aus dem Knast herauszusägen. Denn statt der Feile für Gitterstäbe gibt es bei Steffi Groh lieber den Schubs in die richtige Richtung. Auf die ehrliche Seite. (zkn)

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