FVCA trotzt allen Widrigkeiten

Die Fastnachter des FVCA Eppertshausen begeistern ihr Publikum mit einem fünfstündigen Sitzungsprogramm. Und das trotz vieler Herausforderungen: Die bewährten Veranstaltungstechniker haben wegen Corona aufgehört, die Band musste absagen und die Ersatzmusiker hatten einen Unfall auf der Abreise. Auch ein neuer Sitzungspräsident ist kurzfristig eingesprungen.
Eppertshausen – „In der Ukraine wird auch für die Fastnacht gekämpft“: Mit nachdenklichen Worten eröffnet Lutz Murmann am Freitagabend die Sitzung des FVCA Eppertshausen in der ausverkauften Bürgerhalle, der am Samstagabend eine weitere Fünf-Stunden-Show vor vollem Haus folgen sollt. „Fastnacht ist und war immer politisch“, betont er und untermalt das mit dem Tragen einer blau-gelben Schleife. Dass die „Carneval-Abteilung“ des Fußball-Vereins ihr Sitzungscomeback nach zweimaligem Corona-Ausfall inmitten eines teils schlimmen Weltgeschehens zelebrieren und Murmann recht kurzfristig als Sitzungspräsident einspringen musste, sind nur zwei der vielen Widrigkeiten, denen die Eppertshäuser Narren meisterlich trotzen.
„Wir hatten diesmal Herausforderungen, das kann man sich gar nicht vorstellen“, schnauft FVCA-Abteilungsleiter Eric Seib zwischen den beiden Vorstellungen durch. Die Pandemie hat Spuren hinterlassen: „Den Technikpartner, den wir 18 Jahre lang hatten, gibt es jetzt nicht mehr.“ Auch der bisherige Sicherheitsdienst steht nicht mehr zur Verfügung. „Unsere Regie ist ebenfalls neu, dazu brauchten wir einen neuen Getränkelieferanten und einen neuen Essenslieferanten“, berichtet der örtliche Obernarr. Was noch längst nicht alles ist.
Denn vor wenigen Wochen erlitt ein Mitglied der Sitzungsband Happy Singers einen schweren gesundheitlichen Schlag, die Gruppe kann daher nicht auftreten. „Versuch’ mal, so kurz vor der Sitzung eine Band zu finden“, skizziert Seib die schwierige Suche nach einem tuschenden Plan B. Zu allem Überfluss hat das als Ersatzlösung verpflichtete Duo auf der Anreise am Freitag einen Unfall und kommt erst zehn Minuten vor Beginn in der Halle an. Und dann brauchte der FVCA eben auch noch einen neuen Sitzungspräsidenten, weil Jörg Helfmann dieses Jahr verständlicherweise pausierte. Im Januar war sein Vater Peter gestorben, der selbst ein leidenschaftlicher Fastnachter war.
FVCA Eppertshausen: Wir lassen uns den Frohsinn nicht nehmen
Schon in den ersten Sitzungsminuten finden Lutz Murmann, Elferrat und Publikum aber den Konsens: Wir lassen uns den Frohsinn nicht nehmen. Auch die aus Froschhausen geholten „The four Shots“ (die jungen Sängerinnen müssen bei der Premiere ausnahmsweise zu dritt auftreten) skandieren in ihrem Stimmungslieder-Reigen: „Eins kann mir keiner nehmen – und das ist die pure Lust am Leben.“ Die Frankfurterin „Tante Gladice“ in Begleitung der Eppertshäuser „Muddi“ Anita Seidel schlägt wegen Kriegstreibern, Diktatoren und Naturkatastrophen auch keine leisen Töne an. Was das Publikum, das manchen Wahnsinn einfach ein paar Stunden vergessen darf, jederzeit goutiert.
Mit feinen wie pointierten Reimen greift derweil „Bosse-Hans“ Müller das Welt- und Lokalgeschehen auf. In Sachen Corona kann man über seine Einschätzung streiten, da in der Bürgerhalle in Sachen Helau-Begeisterung, Ticketnachfrage aus allen Altersgruppen und körperlicher Nähe alles wie einst scheint: „Aus heutiger Sicht sag ich ganz klar – es wird nie wieder so, wie es mal war.“ Mit Klartext zu Wladimir Putin, aber auch Sticheleien gen Münster (schließlich habe Helene Fischer einen Eppertshäuser „und keinen Rotkopf“ gewählt) und örtliche Wildparker trifft er in ganz unterschiedlichen Ressorts ins Schwarze.
Schüler Marc Sperl feiert Bütten-Debüt in Eppertshausen
Reine Blödeleien, wie sie zu jeder guten Fastnachtssitzung gehören, liefern hingegen Reiner Sperl, Colin Murmann und Grundschüler Marc Sperl. Letzterer debütiert als Redner, fiel aber schon früher und noch knirpsiger als „Azubi“ des Sitzungspräsidenten mit seinem herrlichen „Eppertshaiser“ Schlappmaul auf. Er erzählt, seine Oma habe beim Feuerwehr-Rollenspiel im Schlafzimmer vom Opa „mehr Schlauch“ gefordert. Ein Gag, den man in dieser Kampagne zwar auch in anderen Sitzungen (zum Beispiel in Dieburg) hört, der deshalb aber nicht minder komisch ist. Vor allem, weil ihn Marc Sperl wie seinen ganzen Vortrag in herzallerliebstem Dialekt rüberbringt. Er könnte jenen Weg gehen, den Colin Murmann – mittlerweile zum jungen Mann gereift und deshalb auch authentisch in seiner Rolle als Aushilfs-Taxifahrer – in der Eppertshäuser Narretei schon beschritten hat.
Ansonsten wird Party gemacht: mit der Offenbacher Guggemusik Ice Breakers, der Elferrats-Show und dem Finale der Los Crachos. Besonders beeindruckend, weil durchweg „hausgemacht“, sind wieder die temporeichen und vielfältigen acht (!) FVCA-Tanzgruppen. Von den Jüngsten der Funnys (Trainerinnen: Kim Lübker, Selina Blickhan, Laura Ouaajoura) über die Jugendgarde (Viktoria Murmann, Vanessa Essinger, Laura Ouaajoura), One 2 Step (Laura Hürtgen, Kim Blickhan), die große Garde (Celine Grimm), die Showtanzgruppe (Iris Gotta), das Damenballett (Tanja Rick, Sabrina Dreher) und das Männerballett (Tatjana Gotta, Sandra Dormehl) bis hin zu den gar nicht eingerosteten „Knackfrisch“-Damen (Iris Gotta) treten sie den Beweis an: Alles hat sich in der Eppertshäuser Fastnacht in den beiden vergangenen Jahren glücklicherweise doch nicht verändert. (Jens Dörr)

