Vettel, Glasner – und Kalac

Es ist die höchste Auszeichnung, die das Land Hessen an aktive Sportler, Trainer und Funktionäre verleiht: die Sportplakette. Zehn Sportler und je fünf Trainer und Funktionäre haben sie jetzt in Wiesbaden für 2022 überreicht bekommen, darunter illustre Namen wie Rennfahrer Sebastian Vettel, Eintracht-Coach Oliver Glasner und der in Langstadt lebende Handbiker (Fahrrad mit Handkurbeln) Vico Merklein. Unter den ausgezeichneten Funktionären war auch ein Eppertshäuser: Ernes Erko Kalac, Mitgründer und seit 20 Jahren Vorsitzender des Gesundheits- und Kampfsportverein (GKV) Lotus Eppertshausen.
Eppertshausen – Für sein Wirken in Sport und Gesellschaft hatte der 58-Jährige 2006 bereits den Hessischen Integrationspreis und 2021 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Der gebürtige Montenegriner, der in den 1980er-Jahren sowohl ein Diplom als Maschinenbau-Ingenieur als auch als Karate-Lehrer machte, tanzt sportlich, politisch und vor allem integrativ auf vielen Hochzeiten.
Die Basis für vieles legte in Kalacs Vita der Kampfsport. Als Zehnjähriger begann er mit Karate, besitzt heute den 6. Dan (Schwarzgurt). Noch in Montenegro gründete er als 24-Jähriger 1988 seinen eigenen Klub. Im selben Jahr wurde er WM-Dritter im Kumite (Kampf). Ein Jahr zuvor hatte er in dieser Karate-Disziplin bereits EM-Bronze geholt.
Zehn Jahre später floh Kalac vor den Balkan-Kriegen nach Deutschland. Im Rhein-Main-Gebiet fand er schnell Anschluss als Kickbox- und Karatetrainer in einem Groß-Zimmerner Fitnessstudio, auch als Coach in Maintal und Offenbach. In Eppertshausen, wo er 2002 zu den Gründern des GKV Lotus gehörte, wurde er heimisch.
Kalac integrierte sich in jedweder Hinsicht und machte Karriere. Zum einen mit dem Eppertshäuser Verein, der schon im ersten Jahr Weltcup-Siege im Team feierte, zum anderen als Trainer zweier Einzel-Europameister (Afrim Latifi im Karate-Kumite, Hüseyin Imam im Kickboxen). 2021 brachte er den syrischen Flüchtling Wael Shueb als Teil des IOC-Integrationsteams zu den Olympischen Spielen nach Tokio.
Von 2002 bis 2006 war Kalac nicht nur Kümmerer beim GKV, sondern auch Kumite-Nationaltrainer für Serbien und Montenegro. Der Deutsche Olympische Sportbund machte ihn zudem zum Integrationsbotschafter. Kalac engagiert sich auch in der SPD. Für die Landtagswahl in diesem Jahr ist er Ersatzkandidat seiner Partei im Wahlkreis 52, zu dem auch Eppertshausen gehört.
Über die Auszeichnung mit der Sportplakette freut sich Kalac sehr. Er habe sie zum Anlass genommen, „in Gedanken noch einmal bis zu meiner Flucht zurückzugehen. Ich wollte mein Geburtsland nie verlassen. Leider ging es nicht anders.“ Als großes Glück, verbunden mit Dankbarkeit und Demut, empfinde er es, vor 25 Jahren nach Deutschland gekommen zu sein: „Hier darf ich in Freiheit, Frieden und Demokratie leben.“
Zunächst habe er hier allerdings das „Flüchtlingsetikett getragen, ich bin in der deutschen Bürokratie auf eiserne Türen gestoßen, mein Studium wurde nicht anerkannt, ich konnte meine Berufsqualitäten nicht zeigen“. In dieser schweren Phase habe ihm „der Sport die Türen geöffnet. Viele Sportlerinnen, Sportler und Kinder freuten sich, mich als Trainer zu gewinnen. Das war der Aufstieg. Der Verein war das Sprungbrett für alles.“
Bis heute habe er „über 6 000 Menschen betreut“, rechnet Kalac vor. Besonders stolz ist er nach wie vor auf „seinen“ GKV Lotus: „Hier spielen die soziale Herkunft und das Geld keine Rolle. Wer seinen Beitrag nicht zahlen kann, muss es nicht.“ Im Eppertshäuser Gesundheits- und Kampfsportverein zahlen derzeit nur 70 der mehr als 300 Mitglieder ein Entgelt.