1. Startseite
  2. Region
  3. Eppertshausen

Passionsspiele: In Eppertshausen ist das Leiden kürzer

Erstellt:

Kommentare

Die Schauspieler der Passionsspiele sind in Oberammergau (oben) wie in Eppertshausen Laien. Die tristen Farben gehören in Oberammergau zum künstlerischen Element. Die Aufführung in Eppertshausen weist hingegen sehr farbenprächtige Kostüme aus.
Die Aufführung in Eppertshausen sind sehr farbenprächtige. In Oberammergau überwiegen triste Farben als künstlerisches Element. © Just

Nur alle zehn Jahre finden die berühmten Passionsspiele in Oberammergau statt. Zehn Mitglieder vom Verein Passionsspiele Eppertshausen sind in die Nähe von Garmisch gereist, um das Ereignis live mitzuerleben.

Eppertsshausen - Die Dimensionen zu Eppertshausen lassen sich natürlich nicht vergleichen, und doch ist gibt es zwei große Parallelen: „In beiden Kommunen sind es Laien aus dem Ort und keine Profischauspieler, die auftreten. Dazu ist der Veranstalter die Gemeinde“, führt mit Anton von Gotstedter der stellvertretende Vorsitzende an.

In Oberammergau existiert ein eigens errichtetes Theater mit über 4 700 Plätzen. Bei 103 Aufführungen sind die meisten Rollen notwendigerweise doppelt besetzt. In einigen Szenen steht eine dreistellige Zahl an Mitwirkenden auf der Bühne, was unterstreicht, dass fast der halbe Ort mit seinen 5 000 Einwohnern am Spiel beteiligt ist. Wie von Gotstedter weiß, werden die Akteure von ihren Arbeitgebern freigestellt und die Gemeinde kommt als Veranstalter für den Verdienstausfall auf. Durch Sponsoren und Ticketpreise von 30 bis 180 Euro ist das möglich. Die Aufführungskosten belaufen sich 2022 auf rund 45 Millionen Euro.

Eine enorme Summe, die für die Eppertshäuser Gruppe aber verständlich ist: „Wir spielen nur einmal und berappen dafür an Technikkosten alleine 11 000 Euro“, heißt es. Viel Geld für den kleinen Verein, der keinen Eintritt nimmt und Beiträge von nur zwölf Euro im Jahr erhebt. Zu den Kostenfaktoren in Bayern gehören nicht zuletzt die lebenden Tiere wie Kamele, Pferde und Schafe, die versichert werden müssen.

Vom Einzug Jesu in Jerusalem, seiner Verurteilung, dem letzten Abendmahl bis hin zur Kreuzigung schuf Oberammergau für 2022 erneut eine unvergessliche Aufführung. „Wir kennen die Texte. Das ist schon amüsant, wenn man die Dialoge fast mitsprechen kann“, sagt ein Mitglied der Eppertshäuser Reisegruppe. Im Theater unweit der Ammer ist viel Sitzfleisch vonnöten: fünfeinhalb Stunden dauert das Spektakel, in Eppertshausen schafft man die Leidensgeschichte in zwei Stunden im Freien darzustellen. „Wenn bei uns einer mit dem Vorschlag käme, fünfeinhalb Stunden zu spielen, würde man ihn sicher für verrückt gehalten“, sagt von Gotstedter lachend.

Die Aufführung in Eppertshausen sind sehr farbenprächtige. In Oberammergau überwiegen triste Farben als künstlerisches Element.
Die Aufführung in Eppertshausen sind sehr farbenprächtige. In Oberammergau überwiegen triste Farben als künstlerisches Element. © Just

Während nach Oberammergau Besucher aus der ganzen Welt strömen, kann sich die Resonanz in Eppertshausen mit 2000 bis 3000 Köpfen ebenfalls sehen lassen. Sie kommen aus der gesamten Umgebung, sogar aus Nordhessen und Baden-Württemberg. Selbst aus Österreich wurden schon Besucher registriert, auch wenn diese primär Freunde in der Gegend besuchten.

Zum Besuch in Obaerammergau gehörte auch ein Empfang durch die Euro-Passion. In dem Dachverband schlossen sich 80 Passionsspielorte aus 16 europäischen Ländern zusammen. Auf die Frage, was im Stück am meisten beeindruckte, kommt Unterschiedliches bei den Eppertshäusern zutage. In einem Fall fiel der Chor mit seinen über 60 Mitwirkenden auf. Von der genauen Ausrichtung bis zu den festen Blicken wäre dieser ungemein diszipliniert gewesen. Anton von Gotstedter würdigte den Auftritt von Jesus, dem Regisseur Christian Stückl ungewohnte Attribute verlieh. „Der Messias offenbarte sich nicht als netter Kerl, sondern als ziemlich aggressiven Zeitgenossen. Das lässt sich, je nach Bibelübersetzung, auch in der Heiligen Schrift finden“, weiß von Gotstedter. Des Weiteren auffallend: der Judas in Oberammergau ist im wahren Leben Moslem.

Damit tut sich eine weitere Parallele zu Eppertshausen auf, wo das Spiel in gleicher Weise offen für Mitspieler anderer Konfessionen und Religionen ist. Hier spielte Ibrahim Zayed, der 2020 verstarb, mehrfach einen Schriftgelehrten und übernahm die Rolle als Zeichen für Toleranz und Frieden. Das letzte Passionsspiel in Eppertshausen fand 2018 statt. Nach dem dreijährigen Turnus wäre es 2021 wieder soweit gewesen, was Corona aber verhinderte. Der ausgefallene Termin wird nicht nachgeholt, weshalb man 2024 die nächste Vorstellung anvisiert. Durch die zukünftig enge Kooperation der Kirchengemeinden Eppertshausen und Münster ist es laut von Gotstedter ein Anliegen, auch möglichst viele Nachbarn in Spiel und Verein zu involvieren: „Wenn viele Münsterer kommen, würde uns das sehr helfen und bereichern.“ (Michael Just)

Auch interessant

Kommentare