Ausstellung in Frankfurt: Studentenrevolte und Frauenkampf

Frankfurt - Studentenrevolte, Frauenbewegung und Häuserkampf: Die Frankfurter Bildjournalistin Inge Werth dokumentierte die bewegten 1960er und 70er Jahre. Im Museum Giersch sind nun ihre Fotografien aus dieser Zeit zu sehen. Von Eugen El
„Ich habe viel erlebt“, sagt die 1931 geborene Fotografin Inge Werth. Im Jahr 1963 kam sie nach Frankfurt. Sie arbeitete als freie Bildjournalistin für lokale und überregionale Zeitungen und Magazine, unter ihnen die „FAZ“ und „Die Zeit“. Sie fotografierte beispielsweise in Haiti, Polen und auf Kuba. Neben Barbara Klemm und Abisag Tüllmann gilt Werth als bedeutende Chronistin der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche in Westdeutschland der 1960er und 70er Jahre.
Nun zeigt das Museum Giersch der Goethe-Universität über hundert Schwarz-Weiß-Fotografien von Inge Werth aus der Zeit zwischen 1966 und 1973. Die meisten sind in Frankfurt und Paris entstanden. Es ist die erste museale Präsentation der Fotografien Werths, wie Museumsdirektor Manfred Großkinsky betont.

„Ich denke, ich bin links“, bekennt Inge Werth, die zur Ausstellungseröffnung nach Frankfurt gekommen ist. In ihrer Arbeit als Bildjournalistin sei sie aber nie einseitig gewesen, sagt Werth. So hat sie im Mai 1968 nicht nur die Protestaktionen linksgerichteter Pariser Studenten fotografiert, sie lichtete auch eine Gegendemonstration der Anhänger des konservativen französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle ab.
Die Schau zeigt das Werk einer unprätentiösen Fotografin. Inge Werth verwendet meist eine Kleinbildkamera, auf Stativ oder Wechselobjektive verzichtet sie. Oft fotografiert sie ohne Blitz. Einige ihrer Aufnahmen sind unscharf. Über ihren Ansatz sagt Werth: „Ich wünsche mir, dass die Atmosphäre der Aktionen sichtbar wird.“ Angespannt wirken die Gesichter auf einem Foto vom 12. Dezember 1968. Der Sozialphilosoph Jürgen Habermas, damals 39 Jahre alt, diskutiert in einem Hörsaal der Goethe-Universität mit streikenden Studenten.
Eine Reihe von Aufnahmen zeigt eine Versammlung von Gegnern des Vietnam-Krieges in der Frankfurter Paulskirche im März 1970. Werth hält dabei eine Begegnung mehrerer Generationen fest. Der Schriftsteller und spätere Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll sitzt in der ersten Reihe. Etwas weiter hinten hat der damals 84-jährige marxistische Philosoph Ernst Bloch Platz genommen. Er trägt eine schief sitzende Sonnenbrille. Rechts von ihm hört wiederum der noch junge Schriftsteller Martin Walser zu.
Aufgeladen wirken die Aufnahmen vom 11. April 1966. Die damals 25-jährige US-Folksängerin und Bürgerrechtlerin Joan Baez gab ein Konzert auf der Abschlusskundgebung des Ostermarschs auf dem Römerberg. Inge Werth dokumentierte nicht nur den politischen Aufbruch. Sie hielt auch künstlerische Experimente fest, wie etwa die Aufführung von Peter Handkes Theaterstück „Publikumsbeschimpfung“ am Theater am Turm. Die Ausstellung präsentiert auch Werths Fotografien der Frauenbewegung und der Hausbesetzungen in Frankfurt der frühen 70er Jahre – und ist eine Reise in eine bis heute prägende, aber auch immer entrückter wirkende Epoche.
„Paris, Frankfurt am Main und die 1968er Generation. Fotografien von Inge Werth“, bis 14. Oktober im Museum Giersch, geöffnet Di. bis Do. 12-19 Uhr, Fr. bis So. 10-18 Uhr