Der Wahnsinn überzeugt: Rammstein in der Frankfurter Commerzbank-Arena

Mit kleinen, tippelnden Schritten, die ihn selbst irgendwie infantil wirken lassen, fährt Till Lindemann einen großen Kinderwagen aus Metall auf die Bühne der ausverkauften Frankfurter Commerzbank-Arena.
Frankfurt – Der Rammstein-Sänger platziert eine Kamera über seinem rechten Auge, deren Bild auf Großleinwand übertragen wird. Während des ruhigen Parts des Liedes „Puppe“ geht Lindemann über die Bühne, sein Blick wendet sich bald auf das Innere des Kinderwagens. Als der Refrain einsetzt, steht jener in Flammen und das besungene Spielzeug reißt den Mund zu einem stummen Schrei auf. Die Gitarren drehen auf – und die Fans ebenso. Der Wahnsinn überzeugt. Die Erwartungen an die für Rammstein charakteristische Pyrotechnik-Show werden erfüllt.
Bei „Deutschland“ setzt die Band stärker auf Elektronik – sowohl optisch als auch klanglich. Typischerweise wird Gitarrist Richard Kruspe zum DJ, der das Publikum unterhält. Unterdessen schlüpfen die restlichen Musiker in schwarze Anzüge, die mit LED-Leisten ausgestattet sind. Als leuchtende Strichmännchen tanzen sie über die abgedunkelte Bühne, bis sie sich ungesehen an die Instrumente schleichen und die Hymne des neuen, unbetitelten Albums bei spektakulärer Lichtshow und in gewohnt brachialer Manier spielen.
Rammstein in Frankfurt: Gewohnter Einstieg ins Geschehen
Die Performance der aktuellen Tour beweist, dass auch die neuen Songs den bandtypischen Sound aufweisen. Bei „Radio“ steigt der Zuhörer schnell „auf den Rücken der Musik“. Auch „Was ich liebe“ bietet zu Beginn des Konzerts einen gewohnten Einstieg ins Geschehen.
„Engel“ hingegen hat die Band jegliche Härte genommen und den bekannten Titel in die Hände des Publikums gegeben. Die Lichter der großen Bühne sind erloschen, die Band steht auf einer kleineren Plattform inmitten der Masse, flankiert von Scheinwerferkegeln. Sanfte Pianoklänge bestimmen den Klang, der Text wird auf der Leinwand zugespielt, und so erheben 45.000 Fans in der Commerzbank-Arena ihre Stimme: „Wir haben Angst und sind allein, Gott weiß, ich will kein Engel sein.“ Mit Schlauchbooten setzen die Bandmitglieder über das Meer aus Händen wieder zur Hauptbühne über, wo sie Lindemann mit einem Willkommensschild in Empfang nimmt. Ein Bild, das für sich spricht.
Je weiter die Nacht das Stadion in Dunkelheit hüllt, desto spektakulärer wird die Feuershow. Und da ist er, dieser Funke, von dem niemand wusste, dass er auf ihn wartet. Jener, der buchstäblich überspringt, als zu „Du hast“ der Frontmann die Pyrotechnik über die Köpfe der Zuschauer zischen lässt. Der Funke, der den Bogen zu „Du riechst so gut“ entzündet und die Bühne erhellt. Und der zu „Ich will“ das Konzert in einer einzigen Explosion enden lässt.
Rammstein arbeitet mit Bildern
Rammstein arbeitet mit Bildern, seien diese nun visuell, emotional oder lyrisch. Das Konfetti zum Song „Rammstein“ legt sich wie Ascheregen auf das Publikum, schwarzer Rauch, von Scheinwerfern durchbrochen, umarmt die Masse, und auch die riesige Schaumkanone zu „Pussy“ gehört längst zur Show. Andere Elemente, etwa das brennende Duo, das die Gitarristen Kruspe und Paul Landers bilden, kehren wieder. Manche in neuem Gewand. So muss etwa Keyboarder Flake nicht nur den Kochtopf, sondern auch einen direkten Angriff mit dem Flammenwerfer überstehen.
Nach etwa zwei Stunden beendet die Band das finale Konzert ihrer Deutschland-Tour, während letzte Rauchschwaden in den Nachthimmel aufsteigen.
VON LISA SCHMEDEMANN
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