1. Startseite
  2. Region
  3. Frankfurt

Verein kämpft gegen Lebensmittelverschwendung und für Nachhaltigkeit

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Katharina Schulenburg und Daniel Anthes vom Verein „Shout out Loud“ haben neuerdings auch Bier aus Brotresten im Angebot – „Knärzje“ heißt das Gebräu – so wird in der Region das Endstück eines Brotlaibes genannt. -  Foto: dpa
Katharina Schulenburg und Daniel Anthes vom Verein „Shout out Loud“ haben neuerdings auch Bier aus Brotresten im Angebot – „Knärzje“ heißt das Gebräu – so wird in der Region das Endstück eines Brotlaibes genannt. © dpa

Frankfurt - Der Frankfurter Verein „Shout out Loud“ setzt sich gegen Lebensmittelverschwendung und für Nachhaltigkeit ein. Auf den moralischen Zeigefinger wollen die jungen Leute dabei verzichten. Sie setzen auf Kreativität. Von Martin Jockel

Hinterhofromantik beim „Markt im Hof“ in Frankfurt: Inmitten von zischenden Pfannen, Essensliebhabern und Marktständen steht ein zunächst unscheinbarer Imbisswagen, ein Foodtruck. Das Besondere: Es handelt sich nicht um die gewohnte Bratwurstbude. „Die Resteküche – Beste Küche“ steht auf dem Wagen. An diesem Truck werden leckere Gerichte ausgereicht, komplett aus geretteten Lebensmitteln zubereitet – also solchen, die eigentlich schon weggeworfen werden sollten.

Hinter dem Truck steht der Frankfurter Verein „Shout out Loud“; er ist nur eines seiner vielen Projekte. Seit 2013 setzen sich die „Shoutler“, meist junge Erwachsene, gegen Lebensmittelverschwendung und für Nachhaltigkeit ein. „Am Anfang haben die Gründer gedacht, wir bauen jetzt Brunnen in Afrika und machen die Welt so zu einem besseren Ort“, sagt Vorstandsvorsitzender Daniel Anthes, genannt Dan. „Dann haben sie aber schnell gemerkt, dass es auch vor ihrer eigenen Haustür ein großes Problem gibt: die Verschwendungskultur.“

Dan selbst ist 2014 dem Verein beigetreten. Zu dieser Zeit habe sich herauskristallisiert, dass der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung zum Kerngeschäft der „Shoutler“ wird. „Inzwischen machen wir dazu ganz unterschiedliche Projekte – wir versuchen, nicht stehen zu bleiben, sondern uns immer wieder neu zu erfinden“, sagt Dan.

Am Anfang waren das „Waste Watcher Partys“, das gemeinsame Kochen mit geretteten Lebensmitteln. Während der Flüchtlingsbewegung 2015 kam das Projekt „Integration durch den Magen“ dazu. Hier kochen die „Shoutler“ mit Geflüchteten. „Der Rest ist so ein bisschen Pop-up“, sagt Dan – soll heißen: punktuell. Die Ehrenamtlichen fahren mit ihrem Resteküchen-Foodtruck auf Events, die sie teilweise selbst veranstalten. Finanziert haben sie das Gefährt per Crowdfunding.

Die Lebensmittel bekommen sie von einem Biogroßhändler aus der Region. „Denen tut es auch im Herzen weh, wenn sie so viel wegschmeißen müssen. Sie sind froh, wenn es wegkommt und noch benutzt wird“, sagt Katharina Schulenburg – Spitzname „Kath“. Kath ist Kassenwartin des Vereins und leitet unter dem Namen „Kein Essen für die Tonne“ die Programme zur Lebensmittelrettung.

Der Vorteil sei, dass die Schwelle zur Teilnahme sehr niedrig sei, sagt Dan. So kommen Interessierte zum Beispiel immer wieder zum monatlichen Stammtisch. Die Beweggründe sind ähnlich: Die Suche nach Nachhaltigkeit, nach sinnvollem Umgang mit Ressourcen. „Ich denke, das ist auch ein Generationending“, erklärt Dan. „Bei unseren Omas war die Wertschätzung für Lebensmittel noch gang und gäbe. Unsere Generation versucht, dieses authentische, natürliche wiederzufinden.“

Dabei verzichten die „Shoutler“ auf den mahnenden Zeigefinger. „Natürlich gehört es dazu klarzustellen, was alles falsch läuft, aber viel spannender ist doch zu sehen, was dagegen passiert“, sagt Kath. Man wolle über das spielerische Element und vor allem über Genuss auf das Thema aufmerksam machen.

Dabei kämpfen sie auch gegen ein Stigma an. „Die Leute assoziieren Nachhaltigkeit immer mit Verzicht. Sie denken, da lebt man bestenfalls wie im Mittelalter“, sagt Dan. Der Verein wolle zeigen, dass auch mit vermeintlichen Lebensmitteln zweiter Klasse Genuss möglich ist – wenn man ein wenig kreativ wird. Gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen, ist das Kernziel von „Shout out Loud“.

Ein vielversprechendes Projekt dafür ist gerade angelaufen. Zusammen mit zwei Brauereien aus der Region machen die „Shoutler“ Bier aus altem Brot. „Knärzje“ nennt sich das Getränk, das hessische Wort für das Endstück eines Brotlaibs. „Wir hatten gerade den ersten größeren Braudurchlauf – der ist jetzt noch im Verkauf“, sagt Dan. Bisher gibt es „Knärzje“ nur in der Frankfurter Brauerei „Braustil“ und in einem Supermarkt in Oberursel zu kaufen. „Aber das Ziel ist natürlich, dass das keine Eintagsfliege bleibt. Früher oder später wollen wir auch in die Läden gehen, aber dafür brauchst du Masse“.

Tafeln, die Lebensmittel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum an Bedürftige verteilen, sehen in Vereinen wie „Shout out Loud“ keine Konkurrenz. Man freue sich über jeden, der Lebensmittel vor dem Wegwerfen rette, sofern er Hygienevorschriften einhalte und keine kommerziellen Interessen verfolge, sagt Willi Schmid, Vorsitzender der Tafel Hessen. Und auch die Frankfurter Tafel hat keine Probleme mit „Shout out Loud“. Man stimme sich ab, wer welche Lebensmittelhändler anfahre. (dpa)

Auch interessant

Kommentare