Teurere Tierarztbesuche: Ärztin verteidigt Preiserhöhung – und erklärt die Gründe
Seit November gilt eine neue Gebührenordnung für Tierärzte. Für viele Tierbesitzer ist der Tierarztbesuch seitdem deutlich teurer geworden. Aus Sicht einer Hainburger Ärztin war es für die Anpassung höchste Zeit.
Ostkreis – Egal, ob Hase, Katze, Hund oder Pferd – ein Tier zu haben, ist nicht günstig. Seit November ist es für viele Tierbesitzer noch teurer geworden, denn seitdem ist eine neue Fassung der Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT) in Kraft getreten. Tierarztbesuche sind seitdem häufig deutlich teurer als zuvor.
„Vor ein paar Wochen hatte eines unserer Pferde ein Hufgeschwür. Der Tierarzt war zweimal da, und die Kosten sind doppelt so hoch wie früher“, sagt Kerstin Grünewald, Vorstandsmitglied des Reit- und Fahrvereins Seligenstadt und Umgebung. Insgesamt 13 Pferde sind im Besitz des Vereins. „Die Pferde sind alle durchgeimpft. Die neuen Impfkosten kann ich noch gar nicht einschätzen“, so Grünewald.
Eine Möglichkeit, die Kosten geringer zu halten, seien schon in der Vergangenheit Sammeltermine für mehrere Pferde gewesen. „Darauf sind wir jetzt noch mehr bedacht.“ Kleinere Verletzungen könnten zudem selbst versorgt werden. Trotzdem stehe die Frage im Raum, ob der Verein die Preise für die Reitstunden erhöhen muss. „Eigentlich wollen wir das aber nicht, weil wir möchten, dass jeder bei uns als Vereinssport reiten kann“, sagt Kerstin Grünewald.

GOT sorgt bei Tierhaltern in Hessen für deutlich höhere Kosten
Wie dem Reitverein geht es aktuell vielen Pferdebesitzern, denn neben den gestiegenen Behandlungskosten kommt für sie auch noch die Hausbesuchsgebühr hinzu. Diese müssen die Tierärzte laut der neuen GOT nun bei allen Behandlungen, die außerhalb der Praxis stattfinden, berechnen – ausgenommen sind nur landwirtschaftliche Nutztiere. Bei Pferden findet der Großteil der Behandlungen nicht in der Klinik, sondern direkt am Stall statt.
Doch auch Kleintierbesitzer, die mit ihren Tieren in die Tierarztpraxis kommen können, bekommen die Anpassung der GOT teils deutlich zu spüren. Lag der einfache Satz für eine Impfung bei Hund oder Katze bisher bei rund 4,50 Euro, müssen Tierärzte nun mindestens 11,50 Euro für die Injektion berechnen. Hinzu kommt außerdem die jetzt rund doppelt so teure Behandlung selbst, der Impfstoff, Verbrauchsmaterial wie zum Beispiel Handschuhe oder Spritze, die Impfbescheinigung sowie die Umsatzsteuer.
Hainburger Tierärztin freut sich über deutliche Lohnerhöhung für Tierarzthelfer durch die GOT
Aus Sicht der Hainburger Tierärztin Dr. Julia Frangipani war es höchste Zeit für eine Anpassung der GOT – auch, damit Tierärzte und Tierarzthelfer angemessen bezahlt werden könnten. „Der Beruf braucht eine lange Ausbildung, ist körperlich anstrengend und auch gefährlich“, sagt Frangipani. „Durch die neue GOT haben wir jetzt endlich mal eine deutliche Lohnerhöhung von zehn Prozent für Tierarzthelfer. Ich muss jetzt kein schlechtes Gewissen mehr gegenüber meinen Angestellten haben“, so die Tierärztin, die bisher viel Verständnis von den Patienten-Besitzern bekommen hat.

Auch die neue Hausbesuchsgebühr sei für sie sinnvoll, denn mit ihrer mobilen Tierarztpraxis ist sie auch bei den Patienten zu Hause im Einsatz. „Das ist natürlich mehr Aufwand, in der Praxis kann ich außerdem viel schneller arbeiten. Früher habe ich deshalb die allgemeine Untersuchung im Hausbesuch teurer gemacht, die Gebühr finde ich also absolut gerechtfertigt.“
Dass die Besitzer ihrer Patienten durch die neue GOT in finanzielle Nöte geraten, hat Julia Frangipani bisher noch nicht erlebt. „Es wird aber sicher nicht vermeidbar sein, dass Tierhalter jetzt bestimmte Behandlungen wie Impfungen hinauszögern.“ Für wenige Wochen oder Monate sei das nicht tragisch, „es wäre natürlich schlimm, wenn Impfungen versäumt werden und dadurch Krankheiten ausbrechen.“
Tierhalter in Hessen im Diskurs
In den sozialen Medien tauschen sich derzeit viele Tierhalter zur neuen GOT aus. Gerade bei chronisch kranken Tieren sei der finanzielle Aufwand enorm, heißt es dort. Und während die einen so weitermachen können wie bisher, denken andere tatsächlich darüber nach, Behandlungen zurückzustellen.

Für Martina Schuschklee aus Klein-Krotzenburg ist das keine Option. Die Grundversorgung für ihre Mini-Bullterrier-Dame müsse gesichert sein, sagt sie. „Wir kriegen das gestemmt, sonst hätten wir uns keinen Hund geholt.“ Dass immer etwas sein könne, müsse man sich vorher klar machen. Für den Notfall lege ihr Mann jeden Monat etwas Geld beiseite.
Das rät auch Tierärztin Dr. Frangipani, eine Krankenversicherung hält sie für sinnvoll. „Vor allem sollte man ehrlich sein, wenn es finanziell knapp ist“, so die Tierärztin. Auch wenn die GOT den finanziellen Rahmen vorgibt, könne man beispielsweise durch Ratenzahlung gemeinsam mit dem Tierarzt eine Lösung finden. (Laura Oehl)
Die Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT)
Seit November 2022 ist die neue Fassung der GOT in Kraft. Sie legt fest, welche Gebühren Tierärzten grundsätzlich zustehen. Dabei wird für jeden Schritt einer Behandlung ein Rahmen vom einfachen bis zum dreifachen Satz vorgegeben, den die Tierärzte weder unter- noch überschreiten dürfen. In einigen Fällen sind die Gebühren gesunken, in vielen allerdings auch deutlich gestiegen.
Nach einer Studie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung von 2020 ist die GOT im vergangenen Jahr – bis auf wenige kleinere Änderungen – zum ersten Mal seit 1999 umfassend angepasst worden. Neben den neuen Gebührensätzen wurden auch neue Untersuchungsverfahren in die GOT aufgenommen.
Mit der Anpassung soll zum einen ein fairer Wettbewerb der Tierärzte, der auf Leistung statt auf niedrigen Preisen beruht, gewährleistet werden. Darüber hinaus geht es auch darum, den Tierarztberuf aufzuwerten und beispielsweise für eine angemessene Bezahlung zu sorgen. (loe)