Zwischen Freiheit und Vaterland

Hainburg - Wer eine Schlacht verloren hat, kann immer noch den Krieg gewinnen. Das gilt auch umgekehrt, wie die Feldzüge Napoleons bewiesen: Über Jahre siegreich und Herr über fast ganz Europa, stürzte der Franzosenkaiser in den Befreiungskriegen 1813.
Wie sich die große Politik und die Schrecken des Krieges im Gefolge der französischen Revolution am östlichen Untermain fühlbar machten, zeigt derzeit eine Ausstellung beim Heimat- und Geschichtsverein Hainburg. Dass in den Ausstellungsräumen an der Elisabethenstraße einmal eine Muskete abgefeuert wird, hätte Stefan Becker bis vor ein paar Tagen nicht für möglich gehalten. Wie der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins (HGV) fahren auch die meisten der knapp 30 Zuhörer zusammen, als Herbert Schmid den Abzug zieht, der ziselierte Hahn auf das Pulver in der Pfanne niedersaust und wenige Zentimeter vor der Nase des Schützen eine Stichflamme zuckt. Zwar dröhnt kein Knall, keine Kugel fliegt - Schmid, Sportschütze und gefragter Experte für historische Feuerwaffen, hat auf Pulver und Blei im Lauf verzichtet. Dennoch bleibt ein Eindruck, wie sich ein Infanterist in Napoleons Armee, vielleicht in der Schlacht bei Hanau, gefühlt haben muss.
Schmids Vortrag steht exemplarisch für das Programm, mit dem der HGV eine im Kern eher schlichte Wanderausstellung umgeben hat. Unter dem Titel „Krieg und Freiheit“ von der Historikerin Magdalena Zeller im Auftrag der Kulturregion Frankfurt-Rhein-Main zusammengestellt, skizzieren Infotafeln und Exponate die Lasten, die Napoleons Einfall 1806 der Region aufbürdete, beleuchten aber auch den „Geist der Freiheit“, den die Franzosen mit in den politisch rückständigen hessischen Fürstenstaat brachten. Dazu im Kontrast und oft im Widerstreit: Die patriotische Grundhaltung, die viele Bürger die „Franzosenzeit“ bis Anfang 1814 als Fremdherrschaft erleben ließ und die in Malereien, Flugschriften und Büchern Ausdruck fand.
Ein Waffenkenner aus Hainburg
Bislang einzige Gastgeber der Präsentation im Kreis Offenbach, haben die Hainburger Heimatforscher den Kern der Schau mit Dokumenten, Archiv- und Dachbodenfunden von Privatsammlern, Vereinen und Museen aus Rodgau, Seligenstadt, Hainburg, Mainhausen, Groß-Umstadt und dem Odenwald angereichert. Vor allem mit Beiträgen örtlicher Akteure: Herbert Schmid, der Waffenkenner, ist selbst Hainburger. In Hainstadt führte er seine private Sammlung vor, darunter Gewehre, Bajonette und auch einen Küraß, einen Brustpanzer aus Eisenblech, den ein schwerer französischer Reiter getragen hat.
Aus Rodgau kommt ein Gemälde, das eine „Schlacht bei der Tannenmühle“ zeigt. In Scharmützeln, Truppendurchmärschen und Einquartierungen machte sich 1806 der Griff Napoleons nach Hessen bemerkbar. Ab 1810, als seine Truppen gen Osten zogen, überstiegen die Versorgungs- und Unterbringungspflichten etwa in Seligenstadt oft die Grenzen des Erträglichen. Ende Oktober 1813 strömten alliierte Truppen - Österreicher, Bayern und Russen - unter dem General von Wrede durch die Einhardstadt und die Nachbardörfer, um dem Franzosenheer nach der vernichtenden Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig vor Hanau den Rückzug abzuschneiden. Dort schlug - und gewann - der Eroberer seine letzte Schlacht auf deutschem Boden.
Auch nach der Schlacht bei Hanau lastete die militärische Besatzung schwer auf der Region. Das Schulhaus am Freihofplatz und die alte Stadtkirche in Seligenstadt waren Lazarette, in denen Verwundete wie die Fliegen starben. Auch wütete Ende 1813 eine Typhus-Epidemie in der Stadt. Die Kriegsschulden, aufgelaufen durch ständige Zwangsversorgung lagernder Heere, hatte die Stadt erst acht Jahre später vollständig erfasst und größtenteils beglichen. (rdk)
Die Ausstellung in der Elisabethenstraße 8 ist noch bis 25. Oktober samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.