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Dekan Dieter Bockholt im Interview: Corona, Pastoraler Weg und die Eintracht

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Von: Bernhard Koch

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Dekan Bockholt: Nachdenkliche Worte in der Bilanz, große Freude über den Eintracht-Wimpel.
Dekan Bockholt: Nachdenkliche Worte in der Bilanz, große Freude über den Eintracht-Wimpel. © beko

Der scheidende Dekan Dieter Bockholt blickt im Gespräch mit der Redaktion zurück und nimmt Bezug auf gegenwärtige Probleme.

Ostkreis – Ein Vierteljahrhundert ist Dieter Bockholt Pfarrer in St. Wendelinus Hainstadt, 18 Jahre davon auch Dekan im Dekanat Seligenstadt. Im Juli wird Willi Gerd Kost Nachfolger als Hainstädter Pfarrer und ab 1. August als Leiter des Pastoralraums Mainbogen. Bockholt verlässt die Region in Richtung Bad Vilbel.

Das Jahr 2022 ist auch für Sie ein „besonderes Jahr“. Welche Gedanken gehen Ihnen dabei durch den Kopf?

Jetzt wird’s konkret! Im kommenden Jahr werde ich 70, und ich habe dem Bischof versprochen, weiterhin etwas zu tun, aber nicht mehr in leitender Funktion. Zehn Tage vor Weihnachten 2021 habe ich den Verzicht auf die Pfarrei St. Wendelinus Hainstadt unterschrieben, denn Pfarrer können ja nicht einfach so versetzt werden.

Bleiben wir in Hainstadt. Wie war das damals zum Start im Oktober 1997?

Ich war nach Kaplansjahren in Münster, Dietzenbach und Seligenstadt 14 Jahre Pfarrer in Urberach, damals auch der jüngste Dekan im Dekanat Rodgau, und wollte ursprünglich weiter weg. Mainz-Bretzenheim und Hainstadt wurden mir angeboten, mit meinen Eltern schaute ich mir beide Gemeinden an. Innerhalb von vier Tagen sollte ich mich entscheiden und plädierte dann für Hainstadt.

In Hainstadt waren damals 65 Prozent der Einwohner katholisch.

Ja, es gab mehr als 5000 Katholiken, und ich kannte ja die Gemeinde schon durch meine Kaplansjahre in der Basilika-Pfarrei. Jetzt sind es schon weniger als 4000 Katholiken, das wird auch deutlich, wenn man Zahlen sieht: Derzeit gibt es noch etwa fünf Trauungen im Jahr, 20 Taufen, gegenübergestellt etwa 60 Beerdigungen.

Und die Corona-Pandemie hat das Gemeindeleben auch verändert...

Allerdings, und das ziemlich stark. Der Gottesdienstbesuch ist um etwa ein Drittel zurückgegangen, viele ehemalige Kirchgänger verfolgen eher die Gottesdienst-Übertragungen in den Medien. Vieles gelingt nur noch mit Videositzungen, das Engagement der Menschen ist stark ausgedünnt. Zur Erstkommunion in diesem Jahr war die Kirche erstmals nach dem Lockdown wieder mal voll. Und auch hinter dem Zeltlager stehen noch Fragezeichen, weil sich noch nicht genügend Mitfahrer angemeldet haben.

Es gibt jetzt zusätzlich durch den pastoralen Weg tiefgreifende Veränderungen in der Struktur der Seelsorge. Ist das auch Abschied von Vertrautem und Gewohntem?

Allemal. Es gibt ganz große Unterschiede bei den Generationen, und wir werden unterschiedlich lange auf dem Weg sein bis 2030. Was mir besonders auffällt ist, dass nur noch ein Viertel der Familien zusätzlich zur Beerdigung ein Requiem wünschen.

Und was muss passieren, um wieder mehr Menschen für die Kirche zu begeistern?

Ich habe kein Patent-Rezept, aber wir müssen uns definitiv von starren Formen der Gottesdienste trennen. Wir müssen offen sein für Neues, müssen die frohmachende Botschaft leben. Die Zeit, Gottesdienstbesucher zu zählen, ist vorbei, das Zahlendenken überhaupt. Viele Menschen treten aus, weil sie enttäuscht sind.

Das ist ja nicht anders bei „der Jugend“. Allein mit Zeltlagern und Sternsingeraktionen kann Jugendarbeit nicht fundamental funktionieren, selbst wenn’s auf Instagram oder TikTok steht.

Richtig. Deshalb ist nach wie vor das Wichtigste, bei den Jugendlichen vor Ort zu sein, auch in der Schule. Ihnen deutlich zu machen: Ich bin da! Kontakt halten, aber nicht vorwiegend mit dem Ziel, sie als Magnet in die Kirche zu ziehen. Wir müssen uns auf die Jugend einlassen, deshalb war mir der Reli-Unterricht immer wichtig.

Das haben Sie auch im Dekanat immer deutlich gemacht. Seit 2004 sind sie als Dekan auch für das gesamte Dekanat Seligenstadt zuständig. Bis zum Sommer.

Ja, als jüngster Dekan im Bistum habe ich begonnen, als ältester Dekan höre ich auf, nachdem meine Amtszeit zweimal verlängert wurde.

Auf die Mitarbeit der Laien haben Sie immer besonderen Wert gelegt...

Und das ist auch wichtig für die Zukunft. Hier im Dekanat haben sich die Laien unheimlich engagiert, wo sie es durften. Darauf muss geachtet werden, denn es gibt noch viele Unklarheiten bei der künftigen Arbeit der Gremien. Fehlende Transparenz erschwert eine effektive Zusammenarbeit.

Bei so vielen Aufgaben bleibt doch kaum Zeit für Hobbys...

Die habe ich stark vernachlässigen müssen. Zwischendurch habe ich die Balkon-Eisenbahn aufgebaut, einige Strecken digitalisiert, aber das war’s dann. Zum Glück kann ich nach meiner Knie-OP wieder gut wandern, und ich muss mir freie Zeit im Kalender irgendwie auskratzen.

Das ändert sich ja jetzt im nächsten Lebensabschnitt hoffentlich. Sie werden als Pfarrvikar weiter Dienst tun, aber ohne die Verantwortung als Pfarrer oder Dekan.

Ja, darauf freue ich mich. Bis Ende August wohne ich zwar noch in Hainstadt, aber bin dann schon in Wetterau-Süd aktiv. Wie schreibt es die neue Gemeinde von St. Nikolaus Bad Vilbel im Pfarrbrief? Ich werde im Pfarrhaus wohnen, aber nicht der Pfarrer sein.

Nicht der Pfarrer sein heißt...

...als Priester zu wirken, Seelsorger sein, da wo ich gebraucht werde. Aber zu tun gibt es genug als Nachfolger von Pfarrer Herbert Jung (74), der wie ich 1997 dort die Gemeinde übernahm: Die Pfarrei hat vier Kirchen mit rund 5000 Katholiken. Einen Vorteil hat die Region jetzt schon: Ich bin schneller in meinem Fitness-Zentrum.

Und näher an der alten Heimat...

So ist es. Ober-Erlenbach ist meine alte Heimat.

Die alte und neue Liebe scheint aber die Eintracht zu sein, wenn ich den Wimpel hier im Büro richtig deute...

Ja, das ist eine besondere Geschichte, die noch nicht aufgeklärt ist. Die Hainstädter wissen ja, dass ich Fan von Eintracht Frankfurt bin. Ich habe mich riesig über diesen Wimpel gefreut, den ich am Vorabend des Europapokal-Endspiels im Briefkasten fand. Leider weiß ich bis heute nicht, wer ihn eingeworfen hat. Ich hab das in einem Gottesdienst erzählt und mich dafür bedankt. Und wir haben extra das Kirchenlied gesungen, in dem die Eintracht erwähnt wird: „Nun lasset uns Geschwister sein, der Eintracht uns erfreuen“.

Gedanklich sind Sie bereits im Ablösungsprozess. Was steht in Hainstadt noch an, wie geht es weiter?

Am Sonntag, 17. Juli, ist die Verabschiedung geplant, Anfang September soll der Umzugswagen kommen. Bis dahin werde ich pendeln, und man wird mich immer wieder in Hainstadt antreffen, auch bei Terminen. Ab 1. August ist Pfarrer Willi Gerd Kost Pfarrer in Hainstadt und leitender Pfarrer des Pastoralraumes Mainbogen, also der Gemeinden zwischen Zellhausen und Steinheim.

Mit Dekan Bockholt sprach OP-Mitarbeiter Bernhard Koch

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