1. Startseite
  2. Region
  3. Hanau

25 Jahre vorbildliche Initiativarbeit

Erstellt:

Kommentare

Mehr als 40 000 Besucher sind seit 2016 in den Kutschen des sanierten Karussells mitgefahren. Viele Hanauer verbinden Kindheitserinnerungen mit dem Kleinod auf dem Hügel im Staatspark. ARCHIV
Mehr als 40 000 Besucher sind seit 2016 in den Kutschen des sanierten Karussells mitgefahren. Viele Hanauer verbinden Kindheitserinnerungen mit dem Kleinod auf dem Hügel im Staatspark. ARCHIV © DETLEF SUNDERMANN

Hanau – Selbst das gab es: Umgeben von den 16 schmucken Pferden und vier prächtigen Kutschen machte ein Rodgauer seiner Angebeteten einen Heiratsantrag. Alles war vorher mit Stefan Bahn organisiert. Sogar ein Dudelsackspieler trat auf. „Das war Emotion pur.“

Wenn man sich mit dem Vorsitzenden für das Karussell im Staatspark Wilhelmsbad unterhält, ist immer wieder von Emotionen die Rede; seit jeher sind viele mit dem historischen Karussell verbunden. „Das Karussell ist das emotionalste Bauwerk in ganz Hanau“, sagt Bahn. Wer sich mit dem Kleinod befasst, muss Geschichte in die Mehrzahl setzen – so viele ranken sich darum, so viele Hanauer verbinden Erinnerungen mit dem ältesten Karussell der Welt, das prominent auf dem Hügel im Staatspark thront. Dass das 1780 erbaute Karussell in neuem Glanz erstrahlt und sich seit 2016 wieder dreht, ist dem Förderverein zu verdanken, der vor 25 Jahren gegründet wurde.

Einst in beklagenswertem Zustand

Seinerzeit war der Zustand des Karussells beklagenswert. Bei einem amerikanischen Luftangriff war es 1944 beschädigt worden. Nach dem Krieg wurde es in den 1960er Jahren mehr schlecht als recht instand gesetzt, später waren zwischenzeitlich gar zwölf der 16 hölzernen Pferde verschwunden. Es folgte der Niedergang.

Den wollten Stefan Bahn und Ludger Wösthoff stoppen. Sie initiierten den Förderverein, der am 23. April 1998 gegründet wurde. Sein Ziel: Das Karussell sollte saniert werden und sich wieder drehen. Kurzum: Man wollte an die großen Zeiten des Karussells anknüpfen, das im 18. Jahrhundert zum Pläsir der Wilhelmsbader Kurgäste erbaut wurde und auch noch eine Attraktion war, als die Heilquelle längst versiegt war.

Das Weitere liest sich im Zeitraffer so: Beschädigung durch preußische Artillerie, ein geplanter Verkauf, der am Protest der Bürger scheiterte, 1896 Verpachtung an einen Holzhändler, der es sanieren ließ. Das Karussell wurde später mal mit Pferdekraft, mal mit Benzin- oder Elektromotoren angetrieben, war vor allem an Sonntagen für viele ein beliebtes Ausflugsziel. Eine weitere Sanierung folgte in den 1930er-Jahren. Nach dem Krieg herrschte dann Stillstand am Karussellhügel. Der Verfall folgte.

Was sich Stefan Bahn und seine Mitstreiter –- von 17 Personen gegründet, hat der Verein heute 280 Mitglieder – vorgenommen hatten, sollte sich als viel langwieriger und aufwendiger erweisen als gedacht. „Wenn wir das damals  gewusst hätten...“, scherzt Bahn. Für die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen hatte das Karussell zunächst wohl nicht die höchste Priorität, und der Förderverein keinen leichten Start.

„Wir bekamen anfangs kaum Spenden“, erinnert sich Stefan Bahn. Mit vielerlei Aktionen kam der Verein auf Touren: Unter anderem wurden Motivkarten verkauft, in Kooperation mit einem Hörsteiner Weingut ein „Karussellwein“ editiert, außerdem Veranstaltungen initiiert. Das Federweißenfest und das Martinsfest gehören nunmehr zu den größten ihrer Art in der Region.

Wenn Stefan Bahn über das Engagement der Vereinsmitglieder spricht, gerät er ins Schwärmen. „Ohne die vielen, die den Traum mitgeträumt haben, wäre all das nicht möglich gewesen.“ Die Sanierung nicht, und vor allem nicht, dass sich das Karussell tatsächlich wieder dreht. Darauf haben Bahn und sein Verein stets hartnäckig gedrängt – gegen manche Widerstände. „Ein Karussell, das sich nicht dreht, ist kein Karussell“, war stets Bahns Credo.

Es sollten von der Gründung des Fördervereins bis zum ersten Drehtag aber nicht nur 18 Jahre vergehen, es waren auch hohe Hürden zu nehmen. 2007 wurden Pferde und Kutschen zur Restaurierung ausgebaut und das Karussell zum Schutz des Holzwerks und der Gips-Deckenkonstruktion eingehaust. Zum Glück. 2008 krachte bei einem Sturm ein Baum auf die Einhausung. Das Karussell blieb unversehrt. Das Wilhelmsbader Karussell ist nicht nur das älteste der Welt, auch die vor über 240 Jahren vom Architekten Franz Ludwig von Cancrin ersonnene Konstruktion ist einzigartig. Unter anderem ist das Besondere, dass sich zwar Pferde und Kutschen drehen, nicht aber der Boden.

Förderverein steuerte 700.000 Euro zur Sanierung bei

Die seinerzeitige Ausführung der Cancrin-Pläne war aber nicht stabil genug, um die Konstruktion zu tragen. Zudem hatte sich das Bauwerk im Laufe der Zeit ein gutes Stück abgesenkt. Im Zuge der von 2010 bis 2016 dauernden Sanierung wurde darum ein Stahlkorsett eingezogen, das alles hält. Gut vier Millionen Euro hat die Sanierung am Ende gekostet, 700 000 Euro hat der Förderverein beigesteuert. Die Stadt verdoppelte die Summe, das Land Hessen, dem die Wilhelmsbader Anlagen gehören, das Ganze dann nochmals. Zudem floss gut eine Million Euro von der Stiftung Denkmalschutz.

Ach ja, die vielen Geschichten, die sich ums Karussell ranken. Unzählige Hanauer standen als Kind vor den Gitterstäben des Rundbaus, schauten sehnsuchtsvoll auf Pferde und Kutschen. Manch einer schlüpfte auch schon mal durch die Stäbe. So wie Daniela Schadt. Das gestand die gebürtige Hanauerin und Lebensgefährtin des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck bei der feierlichen Wiedereröffnung des Karussells im Juli 2016. Der Bundespräsident weilte damals übrigens auch unter den Gästen. Quasi inkognito. Er saß ganz hinten. „Kaum einer hat ihn bemerkt“, weiß Stefan Bahn zu berichten.

40 Jahre zuvor war das Karussell zuletzt in Bewegung – als Filmbühne für den Streifen „Ein Winter, der ein Sommer war.“ Der Hessische Rundfunk hatte es mit allerlei Technik und Tricks in Bewegung gesetzt.

Mittlerweile kann man an rund einem Dutzend Betriebstagen im Jahr in den Kutschen mitfahren. 40 000 Menschen haben das seit 2016 bereits getan, allein 700 am Ostermontag. Es sind besondere Erlebnisse. Manchmal kann sich auch Stefan Bahn dem nicht entziehen. Zum Beispiel, als ein 97-Jähriger mitfuhr, der auf den Rollator angewiesen ist. Für den Senior ging ein sehnlicher Wunsch in Erfüllung. „Da hatte auch ich eine Träne im Auge“, sagt Bahn. Das Wilhelmsbader Karussell ist eben immer für emotionale Momente gut.

Infos im Internet

Termine zu Führungen, Fahrtagen und Festen des Fördervereins gibt es auf karussell-wilhelmsbad.de

Von Christian Spindler

Die stattlichen Pferde sind tabu, mitfahren darf man indes in den schmucken Kutschen. ARCHIV
Die stattlichen Pferde sind tabu, mitfahren darf man indes in den schmucken Kutschen. ARCHIV © PATRICK SCHEIBER
Eine historische Ansicht des Karussells ist auf den Fahrkarten zu sehen. ANSICHT: FÖRDERVEREIN
Eine historische Ansicht des Karussells ist auf den Fahrkarten zu sehen. ANSICHT: FÖRDERVEREIN © -
Die von Franz Ludwig von Cancrin 1780 ersonnene Konstruktion mit dem „schwebenden Fußboden“ gilt als einzigartig. Bei Führungen kann man sie in Augenschein nehmen. Vor der jahrelangen Sanierung war das Karussell mit einer Einhausung versehen worden. ARCHIV
Die von Franz Ludwig von Cancrin 1780 ersonnene Konstruktion mit dem „schwebenden Fußboden“ gilt als einzigartig. Bei Führungen kann man sie in Augenschein nehmen. ARCHIV © DIETER KÖGEL/DIRK IDING

Auch interessant

Kommentare