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Schwerer Balanceakt: Am dritten Jahrestag des Anschlags in Hanau finden Faschingsumzüge statt

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Von: Christian Spindler, Yvonne Backhaus-Arnold

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Der jährliche Faschingsumzug in Hanau fällt auf den Jahrestag des Anschlags. Ein Balanceakt für alle Beteiligten.

Hanau – Manchmal kollidieren Termine äußerst unglücklich. Im vorliegenden Fall trifft zusammen, was unterschiedlicher kaum sein könnte: Am 19. Februar jährt sich der Anschlag von Hanau zum dritten Mal. Das Datum fällt diesmal just auf den Fastnachtssonntag. Dann finden in den Stadtteilen Steinheim und Klein-Auheim sowie im Tümpelgarten traditionell die Faschingsumzüge statt.

Und am Tag davor laufen die Karnevalisten feiernd durch die Hanauer Innenstadt. Geht das: den Jahrestag des Attentats zu begehen und am selben Tag Fastnachtsumzüge durch die Straßen ziehen zu lassen? Kurzantwort: Ja, das geht. So kamen Karnevalsvereine und Rathausspitze überein. Man hat es sich aber nicht leicht gemacht und vieles abgewogen, heißt es.

Fasching in Hanau: Gemischte Reaktionen bei den Angehörigen der Opfer

„Ich habe schon sehr früh entschieden, dass Fasching 2023 in Hanau stattfindet“, sagt Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung. Mitte Oktober habe es ein Treffen mit den Angehörigen der Anschlagsopfer gegeben. Man habe sie frühzeitig informieren und einbinden wollen. „Es gab gemischte Reaktionen, aber keine einhellige Empörung“, so der OB. Ihm sei es wichtig, eine Balance zu finden zwischen Feiern und Fröhlichkeit und dem 19. Februar. „Das muss man auch aushalten können.“

Bei einer späteren Zusammenkunft von Vertretern der Karnevalsvereine im Rathaus sei man sich einig gewesen, dass auch die Umzüge stattfinden sollen, berichtet ein Teilnehmer. Tenor: Bei allem gebotenen Erinnern an den Anschlag müsse das Leben ja weitergehen.

Hanau: Vorverlegung scheitert an Terminüberschneidungen

Erörtert wurde angeblich als mögliche Alternative eine Vorverlegung der Umzüge. Problem dabei: Terminüberschneidungen. Am Wochenende zuvor finden in Nachbargemeinden Umzüge statt, darunter in Hainstadt. Viele Gruppen laufen wechselseitig bei den jeweils anderen Umzügen mit. Und noch ein Wochenende früher sind etliche Sitzungen terminiert. „Wir hätten bei einem früheren Termin einfach nicht genügend Leute uff die Gass gekriegt“, sagt ein Stadtteil-Karnevalist.

So ganz sicher, ob in Hanau alles wie gehabt stattfinden wird, sind sich aber offenbar nicht alle Fastnachter. Vor wenigen Tagen machte das Gerücht die Runde, die Umzüge seien vom Oberbürgermeister doch noch abgesagt worden. Erst eine Nachfrage und die Auskunft aus dem OB-Büro, dass alles wie geplant stattfinden wird, beruhigte die karnevalistischen Gemüter.

Das Narrenschiff nimmt Fahrt auf: Nach drei Jahren Pause sollen die Faschingsumzüge in Hanau und den Stadtteilen wieder stattfinden. ARCHIV
Das Narrenschiff nimmt Fahrt auf: Nach drei Jahren Pause sollen die Faschingsumzüge in Hanau und den Stadtteilen wieder stattfinden. ARCHIV © Holger Hackendahl

Hanauer OB gibt Stadtteilumzügen „Rückendeckung“

Die Stadtteilumzüge am Jahrestag hätten trotz allem Für und Wider seine „ausdrückliche Rückendeckung“, sagt Kaminsky. Er selbst will beim Innenstadtumzug am Faschingssamstag vor Ort sein, am Sonntag jedoch nicht. „Das kriege ich emotional nicht hin.“ Die Umzüge am Sonntag finden am Nachmittag statt, die offizielle Gedenkfeier zum Jahrestag des Anschlags am Vormittag auf dem Marktplatz.

Dort wird es 2023 keinen Faschingsrummel geben. Sollte er beantragt werden, werde er auf den Freiheitsplatz ziehen und während der Gedenkveranstaltung pausieren, so Kaminsky. „Ich möchte nicht, dass Bilder von Trauer mit einem Autoscooter im Hintergrund von Hanau aus um die Welt gehen.“

Faschingsmotto: Stärker.Bunter.Hanau

Nachdem die Faschingsumzüge in Hanau und den Stadtteilen 2020 wegen des Anschlags abgesagt wurden, konnten sie in den letzten beiden Jahren corona-bedingt nicht stattfinden. Der Neustart am 18. Februar in der Innenstadt soll unter dem Motto „Stärker. Bunter. Hanau“ stehen. In Steinheim wird überlegt, dem besonderen Datum beim Umzug Rechnung zu tragen, sagt Horst Benn, Vorsitzender es Förderkreises, etwa durch eine Schweigeminute oder ein Banner. Benn: „Das wollen wir nächste Wochen entscheiden.“

Dass das Balance-Finden zwischen dem Gedenken und dem Zulassen von Feiern und Fröhlichkeit nicht bei jedem auf Zustimmung stößt, hat Oberbürgermeister Claus Kaminsky erst gestern wieder erfahren: Ihn erreichte ein Brief mit der Frage, wie man denn nur Fasching feiern könne an einem solchen Datum. (Yvonne Backhaus-Arnold und Christian Spindler)

Die Polizei hat vor dem Haus einer Hinterbliebenen einen Platzverweis gegen den Vater des Attentäters von Hanau durchgesetzt. Es war nicht der erste Zwischenfall in den vergangenen Monaten.

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