DNA-Probe der Hanauer Polizei führt zum Treffer in der Datenbank

Über acht Jahre ist der brutale Überfall auf eine damals 25-jährige Jurastudentin her. Nun ist vor Gericht bekannt geworden, wie die Polizei dem mutmaßlichen Mörder auf die Spur gekommen ist. Der Angeklagte hat nach zahlreichen kleineren Straftaten selbst für seine Überführung gesorgt.
Hanau - Kriminalisten und Profiler versuchen ständig, Schwerverbrechen auch noch Jahre nach der Tat aufzuklären – denn Mord verjährt nie. Cold Cases werden diese Taten genannt. Der mysteriöse Überfall auf eine 25-jährige Jurastudentin vor mehr als acht Jahren an der Philippsruher Allee ist jedoch nicht von einer Cold-Case-Spezialeinheit gelöst worden. Wie am Montag vor dem Hanauer Schwurgericht bekannt wird, hat sich der wegen versuchten Mordes angeklagte Benjamin F. vor rund einem Jahr quasi selbst im Netz der Ermittlungen verfangen. Denn am 22. August 2020 soll F. in einem Geschäft am Postcarré in Hanau Waren im Wert von 13,52 Euro gestohlen haben. Bei sich trug er ein Messer – daher gibt es noch eine weitere Anklage gegen ihn wegen des Verdachts des räuberischen Diebstahls. Im Vergleich zum versuchten Mord eine eher unwichtige Tat.
Doch sie ist der entscheidende Moment in diesem Fall. Denn die Ermittler der Hanauer Kriminalpolizei legen keineswegs die Hände in den Schoß und freuen sich, dass sie einen weiteren Fall gelöst haben. Vielleicht haben sie einen weiteren, vagen Verdacht? Dafür gibt es keinen Beweis. Dokumentiert ist jedoch, dass die Kripo in Hanau eine DNA-Probe von F. genommen und sie an den bundesweiten Zentralrechner weitergeleitet hat. Rund um die Uhr werden darin bekannte und unbekannte Spuren verglichen. Es sind gigantische Datenmengen. Mehr als fünf Monate dauert es – dann melden die Computer am 29. Januar dieses Jahres einen Treffer. Die DNA von F. stimmt mit dem am 15. September 2013 an der Ecke Philippsruher Allee/Mittelstraße gefundenen Genmaterial überein.
Der Rest ist dann Routine für die Ermittler, die alle Puzzleteile zusammensetzen. Wenig später wird F. festgenommen und gesteht die Tat. Ohne diese DNA-Spur hätten die Ermittler diesen Fall wohl niemals lösen können. Das verdeutlichen die beiden Beamten des Landeskriminalamts (LKA), die fast drei Jahre alles daran setzen, den von Augenzeugen am Tatort beobachteten Täter zu finden. „Wir haben sogar mit Mantrailer-Hunden die Spuren verfolgt, die mitten durch Kesselstadt führten“, berichtet eine LKA-Hauptkommissarin. Zusammen mit ihren Kollegen dreht sie zwischen Kinzig und Burgallee fast jeden Stein um, befragt Anwohner und Gastronomen, wertet eine Flut von Daten aus den Funkzellen aus.
Selbst die Öffentlichkeitsfahndung, ein riesiges Transparent am Tatort und die Ausstrahlung in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY “ bringen „kaum Ermittlungsansätze“. Eine DNA-Reihentestung, zu der rund 200 Männer geladen werden, ist ein Flop. „Es war seltsam. An diesem Abend war viel Betrieb in Kesselstadt. Aber es gab keine weiteren Hinweise, keine weiteren Spuren.“, sagt sie Ermittlerin.
Erst Anfang 2021, als der DNA-Treffer bekannt wird, stellt sich heraus: Auch F. befindet sich zum Tatzeitpunkt mit seinem Handy in Kesselstadt. Der Ladung zum Reihentest bekommt er jedoch nicht.
Wie gefährlich dieser Angriff auf die Jurastudentin gewesen ist, verdeutlicht Dr. Mattias Kettner vom rechtsmedizinischen Institut der Universität Frankfurt. Er stuft die schweren Verletzungen der damals 25-jährigen Frau als „potenziell lebensgefährlich“ ein. Es sei ein „sehr glücklicher Zufall“ gewesen, dass das Opfer den schweren Angriff „zumindest ohne größer körperliche Schäden“ überstanden hat. (Von Thorsten Becker )