Besuch lässt alte Zeiten aufleben

Die Underwood-Kaserne ist die jüngste der 14 ehemaligen US-amerikanischen Militärstützpunkte, die nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet wurde. Bei einer Leserführung erkundeten Hanauer das Gelände und erfuhren dabei, dass ab nächstem Jahr rund 700 Flüchtlinge in den Leichtbauhallen unterkommen sollen. Unter den Lesern waren auch ein Feuerwehrmann und ein Wachmann, die nach 15 Jahren wieder ihre einstige Arbeitsstätte gesehen haben. Beide blicken mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf ihre Zeit auf dem Groß-Auheimer Gelände zurück.
Großauheim – Ein Jahrhundert-Hochwasser in seiner Heimatstadt brachte den Erlenseer Walter Stolper 1981 auf die Underwood-Kaserne. Es regnete vier Tage lang ununterbrochen. Der Landwehrgraben und der Fallbach überfluteten die Keller: „Am Nachbarhaus stand ein US-Fire-Truck zum Wasserpumpen. Ich unterhielt mich mit dem Kameraden und er erzählte mir, dass sie in Underwood noch Feuerwehrleute suchen“, erinnert sich Walter Stolper. Er arbeitete von 1981 bis 2009 als Feuerwehrmann bei der US-Army. Seine ersten drei Jahre nahm er auf der Hauptfeuerwache der Old Argonner Kaserne in Hanau Wolfgang die Notrufe entgegen und schrieb Brandberichte von den Einsätzen. 1984 wurde er in den Fliegerhorst in Erlensee abkommandiert, wo er etliche Löschzüge mitfuhr: „Bei Feueralarmen, aber auch Inspektionen, kam ich öfters in die Underwood-Kaserne.“
Wenn er dort auf die amerikanischen Soldaten traf, waren die Stimmung und das Verhältnis immer sehr gut: „Sie wussten, dass wir Feuerwehrleute schnell zur Stelle waren, wenn sie uns brauchten und wir helfen konnten.“ Auch mit der „Military Police“ arbeitete Walter Stolper in Notfällen eng zusammen, um die Soldaten zu versorgen. Denn auf Underwood war die einzige Patriot-Einheit Europas stationiert, die im Irak-Krieg 1991 beteiligt war. An ein Erlebnis denkt der Erlenseer besonders gern zurück: „Am Nikolaustag fuhren wir Santa Claus mit seinen Engeln von Kaserne zu Kaserne. Das war ein Highlight für die Kinder.“
Auch die US-Army-Karriere von Michael Willner begann nicht in Underwood: „1976 habe ich mich als Fahrer einer Civilian Support Group (Guard) 4230th Einheit beworben. Wir waren am Anfang in der Yorkhof Kaserne Hanau untergebracht.“ Drei Jahre später wurde er Einsatzleiter und kümmerte sich um die Organisation und Logistik mehrerer hessischer Munitionsdepots. „In Hausen wurden beispielsweise Teile für die Pershing-Raketen zusammengebaut.“ Diese Waffen hatten einen nuklearen Sprengkopf und wurden nach dem Kalten Krieg zerstört. Eine der letzten Pershing-Raketen befindet sich vorm Eingang der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck.

1984 wurde Michael Willners Einheit in die Underwood-Kaserne verlegt. Als er das Gelände zum ersten Mal erblickte, ist ihm besonders die moderne Einrichtung aufgefallen: „Sowohl Büros, Unterbringungsmöglichkeiten als auch Waffen- und Bekleidungskammern waren in einem guten Zustand.“ Links am Eingang der Kaserne war das „Weiße Haus“ – das Büro des Majors. Wochentags lebte der Wachmann in einer Hanauer Wohnung. Jeden Freitag pendelte er in seine Heimat in der bayrischen Rhön.
Michael Willner gehörte in Underwood zur Wachmannschaft, die im Gebäude 791 untergebracht war. Er stellte sicher, dass stets genügend Wachfahrzeuge für die amerikanischen Soldaten zur Verfügung standen und regelmäßig gewartet wurden. Außerdem stellte er Führerscheine für die Fahrzeuge aus. Er fühlte sich wohl auf Underwood: „Die US-Army war ein guter Arbeitgeber. Zu den Soldaten hatten wir als Wachmannschaft ein kollegiales Verhältnis auf Augenhöhe.“
Dennoch gab es auch tragische Erlebnisse: „Ein junger Kollege hat bei einer Panne Erste Hilfe geleistet. Dabei passierte ein Folgeunfall und er erlag den Unfallfolgen. Es ist, als sei es gestern gewesen. Es macht mich nach wie vor sehr traurig.“ 1993 wurde Michael Willners Einheit aufgelöst und er fand einen neuen Arbeitgeber.
30 Jahre später steht der ehemalige Wachmann nun wieder auf seiner alten Arbeitsstätte: „Der Besuch hat die alten Zeiten wieder lebendig werden lassen. Ich habe in Erinnerungen geschwelgt und mich dabei sehr wohl gefühlt. Es war fast wie nach Hause kommen.“ Dennoch hat sich seitdem einiges verändert, da sich niemand um die Instandhaltung der ehemaligen Kaserne kümmerte: „Der Zahn der Zeit hat seine Spuren hinterlassen.“ Auch Walter Stolper findet: „Es ist schade, dass die Kaserne so lange dem Verfall preisgegeben wurde. Die Natur holt sich wieder viel zurück, man sieht es an den Straßen und den Dachrinnen, aus denen Bäume raus wachsen. Man hätte sie schon eher nutzen sollen und können.“ (von Lisa Mariella Löw)