Ausbauprogramm für Schulen zur Ganztagsbetreuung beschlossen

Der Umbau und die Umgestaltung der 16 Grundschulen in der Stadt für flächendeckende Ganztagsbetreuung kann beginnen. Die Stadtverordneten haben am Montagabend die Pläne von Stadtschulamt, Eigenbetrieb Kindertagesbetreuung sowie Eigenbetrieb Immobilien- und Baumanagement einstimmig beschlossen. Das Betreuungsangebot kann somit erheblich ausgeweitet werden.
Hanau – Laut Stadt liegt der Bedarf der Grundschüler bei 80 Prozent. Kritik an dem Vorhaben gab es allein in Richtung Bund und Land wegen des Eigenanteils der Stadt Hanau. Vor zwei Jahren beschlossen Bundestag und Bundesrat den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. In Hessen soll dieses Gesetz bis zum Schuljahr 2029/30 vollständig umgesetzt sein.
Alle Schulen mit Anbauten erfüllten bereits die Anforderungen einer Ganztagsbetreuung, sagte der scheidende Bürgermeister und Bildungsdezernent Axel Weiss-Thiel (SPD) bei der Vorstellung der Vorlage im Parlament. Schulen wie die Robinsonschule in Wolfgang, Eichendorffschule in Großauheim oder die Gebeschusschule im Lamboy benötigen hingegen zusätzliche Räumlichkeiten. Einige Schulen wie die Anne-Frank-, die Pestalozzi- oder die Brüder-Grimm-Schule, alle Innenstadt, werden ob der Geburtenrate in den Quartieren vor einer drei- zu einer vierzügigen Einrichtung ausgebaut und erhalten eine entsprechende Mensa, die für eine Nachmittagsbetreuung unumgänglich ist. Bei der Anne-Frank-Schule wird zur Betreuung der benachbarte Hort vom Stadtschulamt übernommen. Bei der Heinrich-Heine-Schule (Kesselstadt) wird es das ehemalige Kinderhaus West sein.
Allerdings werden die baulichen Erweiterungen allein nicht ausreichen, um das Betreuungssoll von 3800 Plätzen von der ersten bis zur vierten Klasse bei einer vorausgesetzten 80-Prozent-Quote zu erfüllen – derzeit sind es rund 1600 Plätze. Weiss-Thiel betonte: „Tafelräume, die in der Grundschule nach dem Unterricht ungenutzt sind, gehören der Vergangenheit an.“ Multifunktionalität sei künftig gefordert. Um dieser Vorgabe gerecht zu werden, sind flexibel gestaltete Klassenräume erforderlich, heißt es im Konzept. „Der neue Klassenraum wird zu einer ‚Werkstatt’, in dem sich verschiedenste Unterrichts- und Betreuungsformen integrieren lassen“, heißt es weiter. Konkret kann dies etwa eine Ausstattung mit höhenverstellbaren Tischen sowie bequemen und belastbaren Stühlen bedeuten. Der Raum soll eine neue Bedeutung erhalten. Im Ausstattungskonzept bezieht sich die Stadt auf die frühkindliche Reggio-Pädagogik, bei der mit den Stärken und nicht gegen die Schwächen der Kinder gearbeitet werde. Der Raum fungiert dabei als „dritter Pädagoge“. Er wird „neben der Lerngruppe und der pädagogischen Bezugsperson als dritter Faktor gesehen“, heißt es.
Nachmittagsbetreuung soll somit aus mehr als Hausaufgabenbetreuung oder Beschäftigung bestehen, sondern erhebt laut dem Konzeptpapier den Anspruch, durch individuelle Förderung für Bildungsgerechtigkeit und etwa durch Sprachförderung zur Integration beizutragen. Weiss-Thiel erklärte aber auch, dass bei den pädagogischen Fachkräften ebenso der Begriff „Multi“ vorausgesetzt werden muss.
Für die Umsetzung der Pläne wird eine erhebliche Menge Geld benötigt. Bis 2024 müsse die Stadt dem Land den Förderbedarf mitteilen, so Weiss-Thiel. Die benötigten Zuschüsse für den Betreuungsbetrieb wie Mensa- und Personalkosten seien bis 2026 zu melden. Die Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung waren sich einig, dass die Förderung zu gering ausfalle. Geld, das für die Pflichtaufgabe Ganztagsbetreuung im Haushalt eingestellt ist, werde an anderer Stelle fehlen, so Weiss-Thiel. Jochen Dohn von „Die Fraktion“ warf Land und Bund eine Vernachlässigung des „Qualitätsprinzips“ vor. SPD-Fraktionsvize Amin Jebabli befürchtete, die Förderung komme noch nicht einmal in die Nähe der Kostendeckung. „Ich glaube, dass wir am Ende statt 85 nur 75 Prozent der Ausgaben erhalten“, sagte Jebabli.
Von Detlef Sundermann