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Sie geht mit einem guten Gefühl

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Von: Yvonne Backhaus-Arnold

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„Der Umzug war für die Stadtbibliothek ein gewaltiger Kraftakt, aber es hat sich gelohnt“: Beate Schwartz-Simon ist stolz auf das Kulturforum 2023 und ihre Kolleginnen und Kollegen.
„Der Umzug war für die Stadtbibliothek ein gewaltiger Kraftakt, aber es hat sich gelohnt“: Beate Schwartz-Simon ist stolz auf das Kulturforum 2023 und ihre Kolleginnen und Kollegen. © patrick scheiber

Beate Schwartz-Simon prägte die Stadtbibliothek und das Kulturforum Hanau in den letzten Jahren wie keine Zweite. Nun geht sie in den Ruhestand - und blickt auf viele schöne Ereignisse zurück und voraus.

Hanau – „Ist das nicht wunderbar?“, fragt Beate Schwartz-Simon beim Gang durch die Reihen. Eigentlich ist es gar keine Frage, sondern eine Feststellung. Alle Tische im Lesecafé des Kulturforums sind an diesem Dienstagmittag mit Schülerinnen und Schülern besetzt, die fürs Abitur lernen. In der Krimiabteilung wird geblättert, im Kinderbereich kann sich ein kleiner Junge gerade nicht entscheiden, welche Bücher er ausleihen möchte. Schwartz-Simon liebt diese Momente.

Wenn sie Ende des Monats, nach 25 Jahren als Leiterin der Stadtbibliothek und seit 2015 des Kulturforums Hanau, in den Ruhestand geht, wird sie dieses Grundgemurmel als Erinnerung und Gefühl mit nach Hause nehmen. Samstags, sagt sie, sei das „Gemurmel“ besonders groß. Dann sind alle hier, lesen, lernen, unterhalten sich. „Für mich ist das Idealbild von Bibliothek.“

Der Beruf wird Beate Schwartz-Simon quasi in die Wiege gelegt. Ihr Vater ist Bibliothekar. Als sie zwölf ist, zieht die Familie von Bremen nach Offenbach. Der Vater übernimmt hier die Leitung der Stadtbücherei am Büsing-Palais.

Nach der Schule studiert Schwartz-Simon Bibliothekswesen in Stuttgart. In ihrem Berufsleben („Die Wahl war richtig.“) gibt es danach genau zwei Stationen: Oberursel und Hanau. 1997 übernimmt sie die Leitung der Bücherei am Schlossplatz. Als sie neulich beim Aufräumen Akten sichtete, kamen auch die Erinnerungen zurück. An die schwere Holztür und die dunkle Treppe. So wenig einladend wie das alte Gebäude, so begrenzt waren auch die Möglichkeiten, um dort bibliothekarisch zu arbeiten. „Es war eng, man stieß immer irgendwo an“, erzählt die 65-Jährige. Ihr Büro war damals unter dem Dach, klein und dunkel. Heute sitzt sie ganz am Ende des Bürotrakts in der zweiten Etage des Kulturforums. Die bodentiefen Fenster geben den Blick Richtung Alte Johanneskirche frei. Auf den Wegen unten fahren Autos, wuseln Menschen hin und her. Das gefällt der Wahl-Frankfurterin.

Für die Hanauer Bibliothek und deren Weiterentwicklung sei der Wettbewerbliche Dialog, die Entscheidung, die Bücherei und damit Kultur und Bildung mitten in die Stadt zu holen, ein historischer Glücksfall gewesen.

10. September 2015: Nach rund sieben Jahren Planungs- und Bauzeit wird das neue Zentrum der Hanauer Innenstadt eröffnet. Das 160 Millionen Euro schwere städtebauliche Projekt auf dem Freiheitsplatz beherbergt heute in einem Komplex aus fünf miteinander verbundenen Gebäudebauteilen neben der Stadtbibliothek auch das Stadtarchiv, das Medienzentrum mit dem kommunalen Bildarchiv, die Bildungsberatung der Volkshochschule sowie die Trägervereine Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde zu Hanau 1808 und den Hanauer Geschichtsverein 1844 – und mehr als 90 Geschäfte, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe.

„Der Umzug war für die Stadtbibliothek ein gewaltiger Kraftakt, aber es hat sich gelohnt“, sagte Schwartz-Simon bei Eröffnung 2015.

Bis heute ist die rund 5000 Quadratmeter große Einrichtung eine der modernsten Bibliotheken Deutschlands. Bis heute kommen Bibliothekare und Politiker aus ganz Deutschland, um sie sich anzusehen.

Stolz war Beate Schwartz-Simon damals und ist es auch heute noch vor allem, weil sich das Kulturforum immer weiterentwickelt habe. Das sei die große Stärke. Datenbanken, Apps, E-Books und Tonies gehören zum Standard. Drei abgeschlossene Lern-Räume sind mit Landeszuschüssen gerade eingeweiht worden, demnächst kommt ein Gaming-Raum dazu.

Am 6. Mai wird der gemeinsame Maker-Space von Stadtbibliothek und Medienzentrum im ersten Stock eröffnet. Hier können sich Interessierte mit digitalen Techniken vertraut machen, VR-Brillen, 3-D-Druck, Laserplotter. Auch Lehrkräfte sollen hier künftig geschult werden.

400 000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr zählt das Kulturforum, 154 000 Bücher gibt es, 30 000 davon im Magazin zur Landeskundlichen Ausstellung.

2022 wurde die Stadtbibliothek mit dem Hessischen Bibliothekspreis ausgezeichnet – als „Dritter Ort“. Der amerikanische Soziologe Ray Oldenburg nennt sie so, da sie neben dem Zuhause („Erster Ort“) und dem „Arbeitsplatz“ („Zweiter Ort“) niedrigschwellige und identitätsstiftende Treffpunkte für die Mitglieder einer lokalen Community sind. „Hier ist jeder willkommen und es ist für jeden zugänglich“, beschreibt es Beate Schwartz-Simon in ihren Worten.

Sie selbst bezeichnet sich als Teamspielerin. 30 Köpfe zählt das Mitarbeiter-Team, zu dem auch Praktikanten und Auszubildende gehören. Die Kunst, sagt die 65-Jährige, sei es, jede und jeden zur Entfaltung zu bringen, ihnen Raum zu geben, selbst etwas umzusetzen, „statt im Weg rumzustehen“.

Für den Ruhestand ab Mai gibt es noch nicht viele Pläne. Ausruhen. Lesen. Nicht nur quer, sondern vertieft, ausgeruht, auch mal mitten am Tag. „Ich möchte das Lesen als Privatsache neu entdecken“, sagt die Frankfurterin mit einem Schmunzeln.

In den kommenden Tagen wird sie ihre Nachfolgerin Dr. Ester Mikuszies einarbeiten, ihr einen Einblick in Tagesabläufe und Routinen geben. Und vielleicht gehen sie an einem Samstag mal gemeinsam durch die Räume und Buchreihen, um das Gemurmel einzufangen. (von Yvonne Backhaus-Arnold)

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