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Prozess um Brandstiftung in Gelnhausen: Bewegende Sprachnachricht der Angeklagten

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Der Prozess um den Brand auf dem Hofgut „Kaltenborn“ in Gelnhausen wird vor dem Landgericht Hanau verhandelt. Die Zeugen sind jetzt vernommen worden.

Hanau/Gelnhausen – Ob die 56 Jahre alte Petra R. in der Nacht zum 15. August 2022 in ihrer Wohnung im historischen Hofgut „Kaltenborn“ bei Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis) ein Feuer legte, konnte der Brandsachverständige nicht mit Sicherheit belegen. Gleichwohl konnte sein Gutachten die Beschuldigte auch nicht entlasten. Beim zweiten Verhandlungstag vor der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht Hanau wurden zudem zwei ehemalige Kunden der Reitlehrerin als Zeugen gehört.

Dabei wurde auch die letzte Sprachnachricht vorgespielt, in der sich R. von den beiden mit bewegenden Worten verabschiedete. In der Voicemail wird die verzweifelte Lage deutlich, in der sich R. seinerzeit wohl befand. Die Angeklagte, die nach eigenen Angaben seit vielen Jahren wegen ihrer körperlichen und seelischen Schmerzen unter einer Tabletten- und Alkoholsucht leidet, besitzt an die fragliche Nacht nur noch bruchstückhafte Erinnerungen. Der Frau wird schwere Brandstiftung und Mordversuch vorgeworfen, weil sich in dem Haus noch vier Mitbewohner befanden, die sich zum Glück unbeschadet retten konnten.

Laut dem Gutachter ist das Feuer in der Küche ausgebrochen. Erheblichen Schaden hatte auch das holzverkleidete Treppenhaus des Gebäudetrakts genommen. Menschen hätten es wegen der Hitze und Rauchgase nicht mehr nutzen können, so der Ermittler. Weil es sich nicht allein um eine brandtechnische, sondern ebenso um eine kriminalistische Ermittlung handelte, wurde die Aufzeichnungen der Überwachungskameras ausgewertet. Gegen 1 Uhr ist darauf für eine kurze Zeit der Widerschein eines möglichen Feuers auf einem Dach zusehen. Dem Gutachter zufolge kam der Feuerschein aus einem Küchenfenster, möglicherweise wegen einer starken Flammenentwicklung, die dann wieder zusammenfiel bevor sich der Vollbrand entwickelte.

Das Dach des Hofguts wurde ein Raub der Flammen. Die Kripo schließt einen technischen Defekt aus. ARCHIv
Das Dach des Hofguts wurde ein Raub der Flammen. Die Kripo schließt einen technischen Defekt aus. © 5Vision.News

Prozess vor dem Landgericht Hanau wegen Brandstiftung auf Reiterhof bei Gelnhausen

„Eine technische Brandursache ist auszuschließen“, erklärte der Ermittler. Für den Kripo-Mann steht daher fest: „Menschliches Handeln muss hier zur Ursache geführt haben.“ Ob dies fahrlässig oder vorsätzlich geschah, konnte er hingegen nicht mit Bestimmtheit sagen. Ebenso wenig, ob mit brennbaren Flüssigkeiten dem Feuer nachgeholfen worden ist.

Ein Ehepaar, das mit ihren Pferden bei R. Kunden war, berichtete vor Gericht, dass sich der psychische Zustand von R. in den vergangenen eineinhalb Jahren verschlechtert habe. Die 56-Jährige war bei dem Paar seit 2017 als Reitlehrerin und Bereiterin unter Vertrag. R. kümmerte sich auch sonst um die Tiere. Man habe eine „enge und vertrauensvolle Beziehung, aber keine Freundschaft“ gehabt, sagte der Zeuge. Zunehmen habe man bei R. Stimmungsschwankungen und depressive Phasen wahrgenommen. Immer öfter seien Termine abgesagt worden.

Von einem übermäßigen Alkoholkonsum habe man nichts mitbekommen. Auffällig sei jedoch das Innere ihres Autos gewesen, das einer Messie-Wohnung glich. Tiere hätten R. alles bedeutet. Ihre Arbeitsqualität war „fantastisch“, sie habe sich „aufopferungsvoll um die Pferde gekümmert“.

Prozess wegen Brandstiftung auf Reiterhof bei Gelnhausen: „Ich muss endlich einen Cut machen“

Sie war „110-prozentig“, sagte die Frau des Zeugen. Allerdings habe der Umgang anderer Menschen mit Tieren R. seelisch sehr belastet.

Am frühen Morgen nach der Brandnacht erhielt die Frau auf ihrem Handy eine Voicemail von R., die wie ein Abschied klang. „Mit geht es super scheiße (…) Ich muss endlich einen Cut machen (…) Ich glaube, ich bin am Ende mit meiner Energie (…) mit letzter Kraft versuche ich, noch was Selbstbestimmtes hinzubekommen“, lauten einige Sätze der Sprachnachricht. Sie seien besorgt gewesen, aber an Suizid habe man nicht gedacht, so die Zeugen.

Die Angeklagte erklärte bereits zur Prozesseröffnung, in den Tagen vor dem Brand hätten sich die Ereignisse so verdichtet, dass der Gedanke an Selbsttötung gewachsen sein. In der Nacht zum 15. August 2022 sei ihr klar geworden, sie könne ihren Frieden nur finden, wenn sie nicht mehr da sei. Ihr Leben wollte sie in der Schweiz beenden. Dort wurde sie einige Tage nach dem Brand festgenommen. Der Prozess wird fortgesetzt. (Detlef Sundermann)

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