Aktion in Hanau: „Darf ich Sie erfrischen?“

Hanau – Emil und Hugo haben schnell den Spieß umgedreht, den beiden Pfarrerinnen die lilafarbenen Sprühflaschen mit nettem Bitten abgenommen, um für einen Moment und mit Freude die zwei Frauen in ihrem Talar mit einem feinen Wassernebel umgeben. Die beiden Steppkes bilden am Samstag zur Marktzeit jedoch die Ausnahme.
In der Regel sind es die beiden Gottesfrauen Katharina Scholl aus Großauheim und Margit Zahn von der Projektstelle für kirchliche Lebensbegleitung, die an der Ecke Hammerstraße/Marktplatz die Menschen mit „Darf ich Sie erfrischen?“ auf ihren Weg zu den Erledigungen ansprechen.
„Es entsteht immer ein Lächeln“
Oft bleiben die Angesprochenen stehen, etwas verblüfft, wohl mit dem Gedanken und der Neugier, was die beiden Kirchenfrauen mit einem vorhaben. Ein paar „Zisch, Zisch“ auf die Hände nehmen die meisten an, vereinzelt darf es auch eine kühlende Tröpfchenwolke ins Gesicht sein, wie bei einem mittelalten Herrn, der mit freudiger Miene das Angebot genießt.
„Die Leute sind überrascht und es entsteht immer ein Lächeln“, sagt Zahn. Und genau das sei mit dem Vorhaben geplant. Es sei nicht beabsichtigt, die Menschen in die Kirche zu drängen. Damit habe auch das Tragen des Talars nicht zu tun. Der zeige jedoch den Menschen gleich, wer hinter der Sache steckt, heißt es. „Es ist gut, wenn die Kirche auf den Menschen zugeht“, sagt Zahn, die dieses Projekt ausgeheckt hat. Denn das Jahrhunderte alte Schema, dass die Leute zur Kirche kommen müssen, um Kirche zu erfahren, funktioniert offenbar immer wenigen, verdeutlicht Zahn. So seien etwa für das Tauffest auf dem Marktplatz in Maintal-Bischofsheim am 10. Juli und am Bruchköbeler Bärensee zwei Wochen später die evangelischen Kirchenmitglieder „persönlich angeschrieben“ worden. Die bisherige Resonanz ist „sehr zufriedenstellend“, berichtet die Studienleiterin. Nicht umsonst heißt die Projektstelle, die Zahn seit rund zwei Jahren bekleidet, „Leben.feiern“. Das Kirchengebäude ist nicht mehr der alleinige Ort für bestimmte Ereignisse, „besondere Lebenssituationen“, heißt es. „Ich gestalte individuell Rituale, um etwa Trauungen im Freien vorzunehmen“, sagt Zahn zu einem Teil ihrer Arbeit.
Die Erfrischung aus der Sprühflasche samt einem Rastplatz mit zwei bequemen Sesseln am nahen Zierbrunnen, dessen Geplätscher den samstäglichen Trubel wohlig übertönt, soll keine kommunikative Einbahnstraße sein, betont Zahns Kollegin Scholl. „Für uns ist es wichtig, dass wir auf diese Weise Kontakt zu den Menschen haben, es zu einem Gespräch kommt“, sagt sie. Meist ist dieses kurz, bezieht sich oft auf den erfrischenden Sprühnebel. Eine Gesprächswende auf Kirche und Glaube wird von Scholl und Zahn nicht herbeigeführt. Diese Unverbindlichkeit spüren die Angesprochenen auch, sagt Scholl.
Friedensgottesdienste auf dem Rochusplatz
Die Pandemie und der nun in der Ukraine tobende Krieg hätten die Menschen anfangs näher zur Kirche gebracht, sagt Gemeindepfarrerin Scholl. „Die Menschen hier waren plötzlich mit Ereignissen konfrontiert, die nicht in ihrer Hand lagen“, erklärt sie. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hält Scholl jeden Mittwoch mit einem Kollegen der katholischen Gemeinde ab 18 Uhr auf dem Großauheimer Rochusplatz einen Friedensgottesdienst. Die Zahl der Teilnehmer sei zunächst groß gewesen, mittlerweile jedoch deutlich geschrumpft.
Durchschnittlich 30 Personen kämen, manchmal seien es auch nur 15, sagt Scholl. „Es sind vor allem Menschen, die sich schon früher in der Friedensbewegung engagierten“, sagt sie. (Von Detlef Sundermann)
