Darum glaubt eine Hainburger Firma an nachhaltige Entwicklung durch Unternehmertum

Hollywood in Hainburg - Torsten Schreibers Firma Africa GreenTec erzeugt nachhaltige Energie mit Solar-Containern. Gemeinsam mit seiner Frau gründete der selbst ernannte „Social Entrepeneur“ ein Unternehmen, das Afrikanern die Selbstständigkeit ermöglicht.
Sogar ein bisschen Hollywood steckt in den Solar-Containern von Torsten Schreibers Firma Africa GreenTec: „Es sind transportierbare Kraftwerke, mit Auszieharmen, ein bisschen wie die Transformers“ – die intelligenten Maschinenwesen aus den Filmen von Regisseur Michael Bay. „Weil sie so kompakt sind, kann man sie auf jedes Schiff, jeden Laster laden. Wenn das Kraftwerk dann ausgeklappt ist, steht da eine vollwertige Energieerzeugungsanlage, basierend auf Photovoltaik“, sagt Schreiber. „Von dem Zeitpunkt an, wo wir uns für ein Dorf entschieden haben, können wir in 100 Tagen Licht anmachen – klassische Projekte in diesem Sektor brauchen allein für die Planung fünf bis sechs Jahre.“

Seit 2016 bietet das Unternehmen des 50-jährigen Hainburgers mobile Energielösungen für Länder südlich der Sahara. „Ich brenne wie die Sau für meine Sache“, sagt Schreiber. Die Haare hat er sich zurückgebunden, wenn er spricht, bewegt sich sein langer Bart. „Wenn du in einem Dorf bist, und da sind 5000 Menschen, du baust so eine Anlage auf, machst den Strom an, die Menschen tanzen die ganze Nacht vor Freude – das gibt dir so viel positive Energie.“
Neben Strom auch Aufbereitung von Trinkwasser oder Internetverbindung möglich
Per Erweiterung kann der „Solartainer“ Trinkwasser aufbereiten oder eine Internetverbindung herstellen. Dazu bietet die Firma ihren Kunden längst weitere Solar-Modelle, etwa ein mit Sonnenenergie betriebenes Kühlhaus. Was mit drei, vier Leuten startete, ist auf 30 Angestellte in Deutschland gewachsen, 150 Mitarbeiter verteilen sich auf fünf Länder in Afrika: Senegal, Mali, Niger, Madagaskar und Kenia. Anfragen zu Einzelprojekten laufen vom ganzen Kontinent ein.
Schon Torsten Schreibers Vater leitete ein Großunternehmen in Freiburg. „Mit 13 habe ich meine erste Firma gegründet und bin seitdem Entrepreneur“, sagt der Sohn. Wenn man Bilder von früher sieht, glattrasiert, Mittelscheitel, erkennt man Schreiber kaum wieder. Sein Interesse für Afrika hat zunächst einen privaten Ursprung. 2006 lernt er seine Frau Aida kennen, die aus Mali stammt. Gemeinsam starten sie eigene unternehmerische Projekte. Vor einigen Jahren dann entdecken sie die Energieversorgungsanlagen in der Stadt Bamako in Mali – riesige Dieselgeneratoren. „Die haben mich so schockiert und fasziniert, dass ich gesagt habe: Das ist ein wahnsinniger Hebel“, erinnert sich Schreiber. „Wenn man die Dieselgeneratoren ersetzt durch erneuerbare Energien. Und so ist dann auch die Geschäftsidee entstanden, auf der wir heute aufbauen.“

Mischform aus klassischem Unternehmertum und Philanthropie
Schreiber versteht sich selbst als „Social Entrepreneur“. Eine Mischform aus klassischem Unternehmertum und Philanthropie, wie er erläutert. „Unsere Zielsetzung ist es, nicht mit Spenden zu arbeiten. Und wir wollen nicht des Profits wegen agieren, sondern die Wirkung des Unternehmens in den Mittelpunkt stellen.“
Im Fall von Africa GreenTec heißt das: Mit der eigenen Dienstleistung Menschen die Möglichkeit geben, selbstständig zu werden. „Das machen wir, indem wir den Leuten Energie, Wasser und Kühlketten zu Verfügung stellen. Und die nutzen unseren Service dann, um damit Geld zu verdienen. Als Schreiner, Schlosser, Schneider, Fischer oder Farmer.“
Ich brenne wie die Sau für meine Sache.
Zwar gibt es bereits ähnliche, von der internationalen Gemeinschaft geförderte Projekte. „Die sind aber meistens zu 100 Prozent über Subventionen oder Spenden finanziert“, erläutert Schreiber. „Africa GreenTec ist angetreten zu zeigen, dass das auch wirtschaftlich geht.“ Dazu arbeitet die Firma mit intelligenten Stromzählern: „Die ermöglichen uns, die Nutzergruppe, die mit dem Strom Geld verdient, anders zu tarifieren als die Menschen, die ohnehin sehr arm sind.“
Stromrechnung nach dem Leistungsprinzip: „Wenn du als Schweißer oder Schreiner durch den Strom um den Faktor vier produktiver wirst, zahlst du einen höheren Preis als jemand, der damit nur sein Handy auflädt.“
Ganz ohne staatliche Unterstützungen geht es noch nicht
Ganz ohne Hilfe funktioniert das Modell bislang noch nicht, hat die Praxis gezeigt. In Mali, wo Africa GreenTec über 20 Standorte betreibt, geht Schreiber von einer Quote von ungefähr 40 Prozent aus, in denen das Unternehmen noch staatliche Unterstützung annimmt.
An den kundenorientierten Entwicklungsansatz von Africa GreenTec glaubt er dennoch. „Unsere Unterstützer sind frustriert von der klassischen Entwicklungshilfe.“ Den afrikanischen Kontinent immer als bedürftig darzustellen, laut Schreiber ein Bild, das auch die Medien in den letzten 50 Jahren geschaffen haben. „Wir sagen: Nein, dort leben junge Menschen, die wollen in ihrem Land bleiben, Arbeit haben. Und wir befähigen sie dazu. Wenn alle in die Leute investieren und sie nicht wie Opfer mit Spenden beschenken würden, könnte das eine Revolution für die Entwicklungszusammenarbeit sein.“

Und auch allgemein wünscht sich Schreiber mehr sozial denkende Unternehmer. „Mit der Globalisierung hat man damit begonnen, sich nur noch nach dem Shareholder-Value zu orientieren. Wie kann man den Gewinn maximieren, Mitarbeiter und Natur maximal ausbeuten? Das hat uns als Menschheit vor einen großen Abgrund gebracht.“
Als Lösung plädiert er für eine Ökonomie, die Anreize setzt für nachhaltiges unternehmerisches Handeln. Die Ideen belohnt, die sich am Gemeinwohl orientieren. Schreiber ist einer der Mitbegründer des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland, einem Dachverband, der mittlerweile rund 450 Firmen beheimatet. „Wir glauben an Geschäftsideen, die gesellschaftliche Probleme adressieren und versuchen, sie durch unternehmerische Ansätze zu lösen. Wir gehören zu denen, die versuchen zu reparieren.“
Julius Fastnacht