1. Startseite
  2. Region
  3. Hanau

Die Bildungsinitiative Ferhat Unvar erinnert an ihren Namensgeber und feiert ihre Erfolge

Erstellt:

Von: Yvonne Backhaus-Arnold

Kommentare

Ferhat Unvar und seine Mutter Serpil haben verschiedene rassistische Erfahrungen in der Schule gemacht. Die Bildungsinitiative, die nach Ferhats Ermordung am 19. Februar 2020 gegründet wurde, widmet sich daher auch der Sichtbarmachung und Thematisierung von alltäglichem und strukturellem Rassismus an Schulen.
Ferhat Unvar und seine Mutter Serpil haben verschiedene rassistische Erfahrungen in der Schule gemacht. Die Bildungsinitiative, die nach Ferhats Ermordung am 19. Februar 2020 gegründet wurde, widmet sich daher auch der Sichtbarmachung und Thematisierung von alltäglichem und strukturellem Rassismus an Schulen. © -

Als die Jugendlichen Serpril Unvar in ihre Mitte nehmen, sie umarmen, liegt in dieser Geste vor allem Optimismus. „Ihr seid meine Kraft“, sagt die Gründerin der Bildungsinitiative Ferhat Unvar und lächelt die Tränen weg. Am 19. Februar 2020 wurde ihr Sohn in der Arena-Bar am Kurt-Schumacher-Platz erschossen. Ein halbes Jahres später, an Ferhats Geburtstag am 14. November gründete seine Mutter die nach ihm benannte Bildungsstiftung. Zwei Jahre ist das jetzt her.

Hanau – Ferhat schaut an diesem Montagabend von der Leinwand im Congress Park in die Reihen des Brüder-Grimm-Saals. Mehr als 100 Gäste sind gekommen. Familie, Freunde, Weggefährten, Vertreter von Schulen, Bildungseinrichtungen und Antirassismus-Initiativen aus ganz Deutschland. Auch einige Politiker sind da, der Bundestagsabgeordnete Lennard Oehl (SPD), sein Landtagskollege Christoph Degen, Heike Hofmann, SPD-Obfrau im Hanau-Untersuchungsausschuss und der Grünen-Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner. „Wahrscheinlich hätte er euch alle nicht zu seinem Geburtstag eingeladen und wir wären sicher auch eher im Schlosspark gewesen“, wird sein Freund Tobi später auf der Bühne viele Lacher ernten.

Es sind die Jugendlichen, die den Abend nicht nur gestalten, sondern die auch das Wort haben. Etwa 20 arbeiten ehrenamtlich in der Bildungsinitiative, die ihre Räume seit einigen Monaten am Hanauer Freiheitsplatz hat. Die Bausteine des Angebots bestehen aus Anti-Rassismus-Workshops an Schulen und Empowerment. Demokratie-Trainer erzählen den Schülern aus der Betroffenenperspektive, was am 19. Februar 2020 geschah, aber auch, was Rassismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen bedeutet.

„Dieser Abend“, sagt Serpil Unvar zur Begrüßung, „bedeutet sehr viel für mich. Ich habe den ganzen Tag ausgehalten, aber jetzt ist es doch sehr emotional.“

Die Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan, schickt eine Videobotschaft nach Hanau, lobt die Arbeit der Bildungsinitiative, die im vergangenen Jahr bundesweit mehr als 60 Workshops, Themenabende und Podiumsrunden durchgeführt hat. „Ihr seid die Anlaufstelle für Jugendliche und Eltern, die rassistische Erfahrungen im Alltag gemacht haben. Ihr gebt Mut und macht Hoffnung.“

Zwei, die sich in der Bildungsinitiative engagieren, sind Armin und Mouna. Der 17-Jährige ist FSJler an der Elisabeth-Schmitz-Schule, Mouna Schülerin an der Karl-Rehbein-Schule. Sie sind wie die meisten jünger als 30 Jahre und haben sich für ihre Tätigkeit in der Initiative von der Bildungsstätte Anne Frank zu Demokratietrainern ausbilden lassen. 2021 wurde die Initiative mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet, hat als eine von fünf Gruppen vor dem Europäischen Parlament in Brüssel gesprochen.

Politisch sein, sensibilisieren, aufklären – die Texte und Lieder, die die Jugendlichen im Laufe der Veranstaltung vorstellen, tun all das. Nachdenklich und ruhig, so wie seine Freunde Ferhat beschreiben, sind auch die Beiträge. Sie machen den Abend im Congress Park zu einem ganz besonderen.

Das findet auch Ferda Ataman. Die Wahl-Berlinerin ist wie Serpil Unvar Journalistin. Seit Juli 2022 ist sie Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. „Ihr seid die Zukunft“, ruft sie den jungen Leuten zu, „mischt die Systeme von innen auf, sagt eure Meinung.“ Und an Serpil Unvar gerichtet: „Du bist eine der größten Menschenrechtsbotschafterinnen dieses Landes.“

Und die sieht weiter viel Arbeit. 2023, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung, sollen Konzepte für jüngere Kinder folgen. Die Nachfrage von Grundschulen hierzu sei groß. Auch Lehrerfortbildungen sollen ein Thema werden. „Und wir wollen unser Netzwerk ausbauen, internationale Verbindungen herstellen“, erzählt die Gründerin.

Am Ende dieses beeindruckenden Abends haben noch einmal die jungen Männer und Frauen das Wort. Ihre Forderungen: mehr Mitbestimmung, ernst genommen werden, verpflichtende Anti-Diskriminierungs-Trainings für angehende Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher, mehr Sozialarbeiter und damit mehr unabhängige Beratung an Schulen. Dann gibt es Applaus -– der von Serpil Unvar ist am längsten und lautesten.

Von Yvonne Backhaus-arnold

Armin und Mouna sind zwei Gesichter der Bildungsinitiative – verschieden, aber in ihren Zielen und Vorstellungen geeint.
Armin und Mouna sind zwei Gesichter der Bildungsinitiative – verschieden, aber in ihren Zielen und Vorstellungen geeint. © patrick scheiber
Zu Gast im Congress Park: der Landtagsabgeordnete Christoph Degen (SPD, links) im Gespräch mit Mathias Wagner von den Grünen und weiteren Gästen.
Zu Gast im Congress Park: der Landtagsabgeordnete Christoph Degen (SPD, links) im Gespräch mit Mathias Wagner von den Grünen und weiteren Gästen. © -

Auch interessant

Kommentare