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Drogenfahnder entdecken bei Razzia in Hanau Machete unter der Matratze

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Von: Thorsten Becker

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Machete im Bett: Ein Steinheimer Drogendealer ist in die digitale Falle des FBI getappt und wurde bei der weltweiten Razzia vehaftet.
Machete im Bett: Ein Steinheimer Drogendealer ist in die digitale Falle des FBI getappt und wurde bei der weltweiten Razzia vehaftet. © Daniel Karmann/dpa

Ein Mann aus Hanau soll Drogen im Wert von rund 200.000 Euro gedealt haben. Die Polizei kommt ihm auf die Schliche, weil das FBI ihm eine Falle stellt.

Hanau – Die weltweite Razzia gegen Drogendealer hat selbst gestandene Drogenfahnder erstaunt. Sie haben erst im Nachhinein erfahren, dass das FBI mit einem getarnten Krypto-Chat eine Falle gestellt hatte. Das wurde nun am zweiten Prozesstag vor dem Hanauer Landgericht bekannt.

Diese drei Herren sind dabei, als am frühen Morgen des 7. Juni vergangenen Jahres in Steinheim die Tür einer 140-Quadratmeter-Wohnung von der Polizei gewaltsam geöffnet wird. Drei von mehreren Tausend Drogenfahndern, die an diesem Tag rund um den Globus im Einsatz sind – beim weltweiten Schlag gegen internationale Rauschgiftsyndikate.

Hanau: Drogen verkauft und Marihuana-Plantage im Wohnzimmer

Seit diesem Tag trägt der 38-jährige Samuel G. Handschellen. Unter dem Pseudonym „Pablo Escobar“, dem Namen eines einst berüchtigten Drogenbosses aus Kolumbien, soll G. Kokain und Haschisch im Schwarzmarktwert von rund 200 000 Euro an- und verkauft sowie eine Marihuana-Plantage in seinem Wohnzimmer unterhalten haben. Jetzt muss er sich vor der Strafkammer am Hanauer Landgericht verantworten.

Und die drei Herren, im Dienst der Hanauer Kripo und des Landeskriminalamts (LKA), berichten nun als Zeugen, was sie zuvor und an diesem Tag der „Operation Ironside“ erlebt haben. „In sechs Monaten haben wir rund um die Uhr gearbeitet“, sagt der Ermittlungsführer. Denn pro Woche kommen mindestens zwei Datenpakete aus den USA. Es sind Chatverläufe mutmaßlicher Drogendealer, die über den angeblich abhörsicheren Chat „Anom“ geführt worden sind. „Das Datenaufkommen war irre“, sagt der LKA-Mann. Und der Inhalt ist selbst für Drogenfahnder frappierend. „Wir sind in den einzelnen Gruppen immer von einer festen Hierarchie ausgegangen. So wie im Film über den Paten. Doch haben wir entdeckt: Das sind Ausmaße, die kann man sich nicht vorstellen. Jeder macht Geschäfte mit jedem.“

Spur des weltweiten Datenpuzzles führt die Ermittler nach Hanau

Kurios: Die Fahnder haben zwar Zugriff auf die Chats und können damit arbeiten. Was sie jedoch nicht wissen: „Anom“ ist vom FBI extra in die Unterwelt eingeschleust worden. „Ich dachte, die hätten Chats geknackt. Als ich dann erfuhr, dass es eine digitale Falle gewesen ist, wollte ich es zunächst selbst nicht glauben.“

Und in Wiesbaden wird für die Beamten bei dem riesigen Datenpuzzle eines schnell sichtbar: „Der Big Player sitzt im Main-Kinzig-Kreis. Er hat die gesamte Rhein-Main-Region versorgt. Wir reden hier von 20 Kilogramm Kokain– umgerechnet sind das über eine halbe Million Euro.“ Das soll ein gewisser Herr O. aus dem Ostkreis sein. Und mit ihm hat der 38-jährige Steinheimer „Escobar“ über Monate munter über „Anom“ geplauert – und Rauschgift bestellt. „G. hatte mit dem Straßenverkauf nichts zu tun“, sagt ein anderer Beamter, der ihn in das „mittlere Management“ einordnet. Also Kokain im Kilobereich.

Nur kurz bleibt „Escobar“ ein Rätsel für die Fahnder. „Er hat ein Selfie gepostet, dann ein Foto mit Kokain und eine seiner Tätowierungen. Das war dann recht einfach für uns, ihn zu identifizierten“, berichtet ein 41-jähriger Kriminalist aus Hanau, der die örtliche Szene kennt und deshalb mit zum Spezialteam des LKA gehört.

Drogenpakete auf Schulparkplatz in Hanau übergeben

G. ist für ihn kein unbeschriebenes Blatt. Seine Komplizen ebenso wenig. „Man kennt sie aus der Hanauer Innenstadt.“ Vor allem, weil „Escobar“ einen recht ausschweifenden Lebensstil pflegt. „Er ist in Designerklamotten herumgelaufen, hatte hochwertige Uhren und ist mit einem Ferrari durch die Gegend gefahren. Das spricht dafür, dass er entweder hart arbeitet – oder mit Drogen dealt“, bringt der Polizist seine Meinung auf den Punkt. Nach über einem halben Jahr Puzzlearbeit ergibt sich für die Fahnder ein klares Bild. Immer wieder sendet O. seine Kuriere nach Steinheim. Die Drogenpakete wechseln beispielsweise auf dem Parkplatz der Eppsteinschule die Besitzer – G. wohnt nur wenige Schritte entfernt in einem Hochhaus an der Ludwigstraße.

Anfang Juni ist der Spuk dann vorbei. Das Trio gehört zu den Spezialteams, die zeitgleich im Kreis zuschlagen. G. wird überrumpelt, leistet keinen Widerstand. „Er ist sehr kooperativ gewesen“, sagen alle drei aus. G. gibt ein ausgefeiltes Versteck in einem unscheinbaren roten Fiat preis. In diesem „Bunker“ werden kurz darauf weitere 800 Gramm Kokain sichergestellt.

Hanau: Machete unter Matratze von Drogendealer „nicht gerade griffbereit“

Nach dem ausführlichen Geständnis bleibt für die Richter nur noch eine Frage offen: Was ist mit der Machete, die bei der Razzia unter der Matratze des Ehebetts gefunden wird? „Er hat uns selbst gesagt, dass sie dort liegt“, sagt einer der Beamten. Und das könnte bedeuten, dass es für G. ganz dicke kommt. Denn wenn er die Machete zur Absicherung seiner Drogendeals eingesetzt hat, würde das auf bewaffneten Drogenhandel hinauslaufen. Und dann beträgt das Minimum fünf Jahre Gefängnis.

Ein Beamter relativiert den Fund. „Die Machete war zwar unter der Matratze – aber nicht gerade griffbereit“, schränkt er ein. Der Prozess wird am morgigen Mittwoch fortgesetzt. (Thorsten Becker)

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