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Ein Ende nach 118 Jahren: Mandolinenorchester Bischofsheim hat sich aufgelöst

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Von: Kristina Bräutigam

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Claudia Lakatos Vorsitzende des Mandolinenorchesters
Claudia Lakatos Vorsitzende des Mandolinenorchesters © Roland Ambrosi

Kein Nachwuchs, fehlende Einnahmen: Das Mandolinenorchester Bischofsheim hat sich aufgelöst - nach 118-jährigem Bestehen. Ein Blick zurück.

Maintal – Es ist eine lange Geschichte, die am 19. März zu Ende gegangen ist. Das Mandolinenorchester Bischofsheim 1905 hat sich aufgelöst. Die Entscheidung auf der Mitgliederversammlung fiel einstimmig. „Das Ende hat sich länger angekündigt. Und doch war es für uns alle ein schwerer Schritt“, sagt Vorsitzende Claudia Lakatos.

118 Jahre hatte der Verein bestanden. Umso wehmütiger fiel der Rückblick aus, den Ehrenvorsitzender Günter Weil auf die Vereinsgeschichte gab. Eine sehr persönliche Geschichte, denn dem Mandolinenorchester gehörte er seit fast 60 Jahren an. Noch einmal erzählte Weil von den Ausflügen, die er viele Jahre organisiert hatte. Erinnerte an die großen Konzerte im Bürgerhaus und den früheren Dirigenten Ludwig Adlhoch.

Sein besonderer Dank galt Nachfolgerin Christa Keller. Die Musik- und Kunstpädagogin hatte 1994 den Taktstock von Adlhoch übernommen und das Mandolinenorchester musikalisch auf ein anderes Niveau gehoben. Unter Keller wagten sich die Musiker an neue Spieltechniken, erweiterten ihr Repertoire um internationale Folklore, Klassik, Popsongs und Filmmusiken. Geholfen hat auch das am Ende nicht: In den vergangenen Jahren erhielt der Verein nur noch wenige Engagements, vorbei waren die Zeiten der großen Konzerte im Bürgerhaus Bischofsheim, die beliebte Veranstaltung „Saitensprünge“ im evangelischen Gemeindehaus fand zuletzt 2019 statt.

Hauptgrund für die Auflösung sei am Ende die finanzielle Situation des Vereins gewesen. „Die Ausgaben haben die größtenteils aus den Mitgliedsbeiträgen bestehenden Einnahmen seit Längerem deutlich überstiegen“, sagt Claudia Lakatos. Gleichzeitig habe auch die Zahl der Mitglieder kontinuierlich abgenommen. Viele seien altersbedingt ausgeschieden, andere könnten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Aktive auf der Bühne stehen. „Wir haben lange über Möglichkeiten gesprochen, wie wir den Verein am Leben erhalten können. Aber am Ende mussten wir der Realität ins Auge sehen“, sagt Lakatos, die selbst seit 39 Jahren Mitglied ist. Das Gitarrenspiel lernte sie bei Ludwig Adlhoch. Alle Stücke musste sie auswendig lernen. „Er war toll. Ein Musiker alter Schule“, erinnert sie sich.

In den Hochzeiten des Vereins, Anfang der 90er Jahre, spielten rund 25 Aktive im Mandolinenorchester. Zuletzt waren es elf. Einer von ihnen ist Hans-Karl Rohrbach. Der 83-Jährige ist seit 1952 im Verein. „Alle drei Jubiläumskonzerte habe ich mitgespielt“, erzählt er stolz. Zusammen mit ein paar anderen Jungen aus dem Ort begann er, das Zitherspiel zu lernen. Die anderen hörten schnell wieder auf. Rohrbach bleibt. Aus moralischen Gründen, wie er erzählt: „Die Zither hat damals 130 Mark gekostet. Das war eine Monatsrente meiner Oma. Da konnte ich nicht gleich wieder aufhören.“ Auch die Übungsstunden kosteten viel für die damalige Zeit. Eine Mark, „das war ein Stundenlohn“, sagt Rohrbach.

Der Zitherverein Edelweiß 05 anlässlich des 25-jährigen Jubiläums im Jahr 1930. Durch den Ersten Weltkrieg kam das Vereinsleben zum Erliegen. Anfang 1919 fanden dann wieder Versammlungen und Übungsstunden statt.
Der Zitherverein Edelweiß 05 anlässlich des 25-jährigen Jubiläums im Jahr 1930. Durch den Ersten Weltkrieg kam das Vereinsleben zum Erliegen. Anfang 1919 fanden dann wieder Versammlungen und Übungsstunden statt. © PM

Im Alter von 23 Jahren pausierte sein Zitherspiel für zehn Jahre. Dann spielte er weiter, bis heute. Nur noch drei Finger kann er bewegen, der Rest ist steif. „Ich bin kein Spieler mehr, sondern ein Mitspieler.“ Dass sich die jüngere Generation nicht für das Spiel von Mandolinen, Mandola, Gitarren, Zither und Akkordeon begeistern lasse, sieht der 83-Jährige nüchtern. „Die Jungen interessieren sich nicht, haben keine Zeit, da gibt es kein Engagement. Die Vereine werden doch nicht mehr gebraucht.“

Die letzte Mitgliederversammlung am 19. März beendete Claudia Lakatos. Es ist auch ihre persönliche Geschichte, die an diesem Tag endete. Denn zu den Gründungsmitgliedern des damaligen Zithervereins Edelweiß 1905 zählte einst ihr Urgroßvater Karl Rohrbach. „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es ist schade, dass der Verein keinen Bestand hatte. Aber es ist schön, dass wir so viel Spaß zusammen hatten und auch anderen viel Freude bereitet haben“, so Lakatos.

Sie und die verbliebenen Musiker wollen sich trotzdem weiterhin treffen und spielen, jeden Dienstag, von 19.30 bis 20.30 im evangelischen Gemeindehaus in Bischofsheim. Der Zusammenhalt, sagt Claudia Lakatos, soll bleiben. „Wir spielen weiter, für uns.“

(Von Kristina Bräutigam)

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