1. Startseite
  2. Region
  3. Hanau

Ein Mittag beim karitativen Projekt an der Alten Johanneskirche

Erstellt:

Von: Kerstin Biehl, Yvonne Backhaus-Arnold

Kommentare

Redaktionsleiterin Yvonne Backhaus-Arnold und Redakteurin Kerstin Biehl haben gut zu tun in der Suppenküche des Ajoki. Mehr als 70 Portionen Suppe gehen während des Dienstes über die Theke.
Redaktionsleiterin Yvonne Backhaus-Arnold und Redakteurin Kerstin Biehl haben gut zu tun in der Suppenküche des Ajoki. Mehr als 70 Portionen Suppe gehen während des Dienstes über die Theke. © Patrick Scheiber

„Mir ging es nicht immer so schlecht“, sagt die Dame, als sie ihren leeren Teller zurückbringt. Dass sie zum Leben mutmaßlich wenig hat, sieht man ihr nicht an. Sie ist farbenfroh gekleidet, geschmackvoll. Als sie die letzten beiden Male am Suppenstand des Ajoki gegessen habe, habe sie leider nichts geben können, erzählt sie. „Aber heute habe ich 3 Euro und 33 Cent dabei.

Hanau – Die werfe ich in den Topf.“ Ihre Kinder, sagt sie und Tränen laufen über ihre Wangen, die hätten Armut nie spüren müssen. Ihnen sei es immer gut gegangen. Auch heute, mit ihren gut bezahlten Jobs. Aber sie selbst könne sich die Fahrt nach Frankfurt zu den Kindern nicht leisten. 15 Euro. Das ist viel, wenn man wenig hat. Und auch, wenn ihr die Kinder hin und wieder etwas zustecken- die prekäre finanzielle Situation ist in der Familie meist ein Tabuthema und allen unangenehm.

An Menschen, die wenig haben, richtet sich die Aktion, die Evangelischer Kirchenkreis und das Diakonische Werk Hanau-Main-Kinzig gemeinsam mit Maras Suppenbar und Elias Kolbe, Chef vom Kultur- und Bildungsraum Ajoki, auf die Beine gestellt haben, und die der HANAUER ANZEIGER diese Woche an zwei Tagen mit Manpower unterstützt hat.

Seit 31. Oktober läuft das Projekt Eintopf. Die Bilanz der Macher fällt durchweg positiv aus. Weit über 100 Suppen pro Woche geben die Mitarbeiter des Ajoki aus – im Dezember dank einer privaten Spende nicht nur montags und mittwochs, sondern auch freitags. Geplant ist, die Aktion über den Januar hinaus zu verlängern.

Gezahlt wird das, was der Einzelne zahlen kann: ein Euro, zwei, fünf oder zehn. Die Hälfte der Kosten kommt dadurch wieder rein, sagen die Organisatoren.

Zum Suppe essen kommen an diesem Mittag, an dem dicke Schneeflocken vom Himmel fallen, ganz unterschiedliche Menschen. Ein Grundschüler ist darunter, genauso wie Passanten, die das Angebot zufällig entdecken. Ein Lehrer kommt mit seiner Frau und Tochter vorbei und gleich zu Beginn eine große Gruppe, zwei Ausbildungsklassen des Martin-Luther-Stifts. 40 Suppen gehen allein für sie über die Theke und der große Spendentopf füllt sich. Am Ende werden es gut 75 Portionen, die wir ausgeschenkt haben. 296,06 Euro landeten dadurch im Spendentopf.

„Der Anteil an Bedürftigen, die hier eine Suppe essen, wird größer“, sagt Elias Kolbe, Geschäftsführer des Ajoki. Doch es werde wohl noch eine Weile dauern, bis sich die Möglichkeit, an der Alten Johanneskirche ein gutes und günstiges Mittagessen zu bekommen, unter diesen weiter herum spricht.

Einer, der regelmäßig da ist, ist Albrecht (Name geändert). Mit dem Fahrrad kommt er von Maintal-Dörnigheim geradelt – sogar an diesem eiskalten Wintertag. „Hier fühle ich mich wohl“, sagt der Mittsiebziger. In dem Obdachlosenheim, in dem untergekommen ist, sei es sehr eng und trostlos. „Aber hier kenne ich Leute, kann mich unterhalten und sogar meine Späße machen.“

Auch er sagt, dass es bei ihm mal andere, bessere Zeiten gegeben habe, erzählt von Thailand und Ibiza, von einem Leben in Saus und Braus. Doch von seinem Geld sei nichts mehr übrig. Dennoch: nach Ibiza will er im Frühjahr wieder reisen. Irgendwie. „Das ist meine Insel. Da zieht es mich immer wieder hin. Da war ich schon über 20-mal.“

Die Geschichten, die zwischen Suppentopf und Tresen erzählt werden, gehen ans Herz. In uns, die wir hinter dem Tresen stehen, lösen sie verschiedene Gefühle aus. Natürlich ist da Mitleid mit dem Schicksal, das es mit einigen der Menschen, die wir an diesem Nachmittag kennenlernen durften, nicht gut gemeint hat. Wir begegnen ganz unterschiedlichen Charakteren, während die Zeit aufgrund des großen Andrangs schnell vergeht. Manche Suppengäste geben sich redselig, andere nehmen ihren Teller stumm entgegen. Es regt sich in uns auch das Gefühl der Bewunderung. Für die Offenheit, mit der manche ihre Lebensumstände mitteilen. Und dafür, dass zum Beispiel Albrecht seinen Humor nicht verloren hat. Dass er weiterhin scherzt und sogar einen kleinen Flirt wagt. Zum Abschied kommt Albrecht ins Gespräch mit der eingangs erwähnten Dame. Es geht um ein Lied, zu dem sie beide den Text vergessen haben. Sie rätseln gemeinsam, plaudern miteinander. Dann fällt Albrecht der Text doch wieder ein. Und singend verabschiedet sich der alte Mann, der trotz seiner Lebensumstände seine positive Einstellung nicht verloren hat.

Weitere Infos

Die Suppenküche ist montags, mittwochs und freitags von 12 bis 15.30 Uhr geöffnet. Vor Weihnachten ist der letzte Ausgabetag der 23. Dezember. Nach den Weihnachtsferien geht es am Montag, 9. Januar, mit dem Suppenausschank in Hanau weiter.

Von Kerstin Biehl Und Yvonne Backhaus-arnold

Beim Suppeessen kommen die Gäste ins Gespräch.
Beim Suppeessen kommen die Gäste ins Gespräch. © -

Auch interessant

Kommentare