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Ein Priester ist kein Therapeut

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Leider werde das Beichten in vielen Elternhäusern nicht mehr vorgelebt und verliere sich deswegen, sagt Pfarrer Andreas Weber.
Leider werde das Beichten in vielen Elternhäusern nicht mehr vorgelebt und verliere sich deswegen, sagt Pfarrer Andreas Weber. © JUTTA degen peters

Hanau – Ostereier suchen, nach dem Osterhasen Ausschau halten, backen und ein Festessen für die Familie oder Freunde zubereiten – all das gehört zu Ostern. Doch die Zeit zwischen Palmsonntag und dem Ostermontag ist viel mehr. Ostern ist das älteste und höchste Fest im Kirchenjahr. In der Osternacht zwischen Karsamstag und Ostersonntag feiern Christen die Auferstehung von Jesus.

Und diese Zeit wird von vielen Menschen verstärkt genutzt, um in der Kirche die Beichte abzulegen. Doch was bedeutet die Beichte eigentlich und was gibt sie denen, die sie ablegen, heute noch?

Zu Ostern beichten deutlich mehr Gläubige

„Die Beichte bringt Erleichterung und kann eine echte Lebens- und Glaubenshilfe sein“, sagt Dechant Andreas Weber, seit 2002 Pfarrer in der katholischen St. Elisabeth-Gemeinde in Hanau. An den Ostertagen nutzen in seiner Kirche deutlich mehr Gläubige die Gelegenheit, um zur Beichte zu gehen, weshalb es dann auch ein verstärktes Angebot gibt. „Manchmal bilden sich dann sogar Schlangen vor den Beichtstühlen.“

Als wir über das Thema sprechen, kommt Weber gerade aus Fulda von einer Messe, bei der Priester vor dem Bischof ihr Weiheversprechen erneuern. Weber hat dort auch gebeichtet. „Mir tut das auch selber heute noch gut“, bekräftigt er. Die Beichte zwinge zur Selbstreflexion.

Der 62-Jährige mit dem offenen, freundlichen Wesen vergleicht das Beichten mit dem Schwamm, der über eine beschriebene Tafel wischt: „Wer ehrlich bereut, dem vergibt Gott seine Sünden.“ Daher könne jeder, der im geschützten Raum über seine Verfehlungen spreche, merken, wie ihn dies erleichtere. Denn das Sich-bewusst-machen eines begangenen Unrechts sei der erste Schritt zur Besserung.

Erwachsene beichteten oft bei einem fremden Pfarrer, Kinder und Jugendliche bevorzugt bei ihrem vertrauten Priester.

Schuld nicht abwälzen, sondern eigene Fehler eingestehen

„Wir erleben bei unseren Firm- und Kommunionkindern oder Messdienern, dass ihnen das Beichten beim Erwachsenwerden hilft“, sagt Weber. Sich etwas einzugestehen und dann zuzugeben, falle jedem schwer. Das habe etwas mit Reife zu tun. Und eben diese Fähigkeit werde bei der Beichte entwickelt. „Wir bestärken die jungen Leute, Schuld nicht abzuwälzen auf andere, sondern zu eigenen Fehlern zu stehen.“

Die Botschaft bei der Beichte sei, "man muss nicht perfekt sein, Gott liebt mich auch dann, wenn etwas schiefläuft". „Unseren Jugendlichen vermitteln wir, dass der Priester nicht der Richter ist. Er ist der, der im Auftrag Gottes vergibt mit dem Satz ,Ich spreche dich los von deinen Sünden‘.“

Weil es so wichtig ist, bei der Beichte auf ein offenes Gegenüber zu treffen, hat die Beichte nach den Worten Webers bei der Ausbildung der Priester einen großen Stellenwert. „Das Wichtigste ist das Hinhören. Schuld wird nicht eingeredet, sondern wahrgenommen!“ Und wer bei der Beichte ausgefragt oder gescholten werde, sei an der falschen Adresse.

In den 1970er Jahren hat laut Weber die Beichte einen Bedeutungsverlust erlebt. Doch in den letzten Jahren sei die Gruppe derer, die regelmäßig zur Beichte gehen, gleich geblieben, konstatiert der Dechant.

„Es ist kein Boom und keine Massenbewegung“, sagt er. Aber viele Ältere hätten sich das Beichten bewahrt, und von den jungen Menschen blieben auch einige dabei. Leider werde das Beichten in vielen Elternhäusern nicht mehr vorgelebt und verliere sich. „Das ist sehr schade“, sagt Weber.

Niemand muss perfekt sein

Das Verdrängen von Schuld tue keinem gut, mache manche sogar krank. Zwar sei ein Priester kein Psychotherapeut. Doch heilende oder therapeutische Wirkung könne ein intensives Beichtgespräch mit einem Priester, zu dem ein vertrauensvolles Verhältnis besteht, durchaus haben. „Schuld zuzugeben kostet immer Überwindung, es ist aber eine beglückende Erfahrung, wenn man sich von der Schuld befreit weiß“, sagt Weber.

Er bedauert, dass unsere Gesellschaft heute immer suggeriere, dass man perfekt sein müsse. Wer Schuld eingestehe, etwa in der Politik, werde immer gleich zum Rücktritt gedrängt. Wieso aber könne nicht jemand die Verantwortung oder Schuld für einen Fehler auf sich nehmen und im Amt bleiben, um das Verfehlte künftig besser zu machen, fragt der Geistliche. In der Kirche St. Elisabeth besteht am Karsamstag um 11 und um 17 Uhr Gelegenheit zur Beichte. Für ein ausführlicheres Beichtgespräch empfiehlt sich eine eigene Terminvereinbarung. (Von Jutta Degen-peters)

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