Inhaberin von Müller-Ditschler klagt gegen 2G - und bekommt Recht

Die Inhaberin des Modehauses Müller-Ditschler hat beim Verwaltungsgericht Frankfurt Klage gegen die 2G-Regel eingereicht. Das Gericht gibt ihr nun Recht.
Hanau – Mit diesem medialen Echo hatte Tanja Kolb nicht gerechnet. Als wir sie am Vormittag am Telefon erreichen, ist sie gerade in Frankfurt, plant das neue Sortiment. Zig Interviewanfragen sind zu diesem Zeitpunkt schon bei ihr eingegangen. Die Inhaberin und Geschäftsführerin des Modehauses Müller-Ditschler, mit einer Filiale in Hanau und zwei Geschäften in Büdingen, hatte beim Verwaltungsgericht Frankfurt Klage gegen die 2G-Regel eingereicht – mit Erfolg.
„Wir haben vor eineinhalb Wochen geklagt, weil die Regeln unsere Branche benachteiligen und in dieser Form nicht nachvollziehbar sind. Diese Einschätzung hat das Gericht nun bestätigt, was mich sehr erleichtert“, so Tanja Kolb im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Verordnung – seit Dezember in Kraft – habe ihr von Anbeginn an nicht eingeleuchtet. „Es hat überhaupt keinen Sinn gemacht“, sagt die Geschäftsfrau. „Mein Personal stand am Eingang und hat kontrolliert, ob die Leute geimpft sind. Ob sie infiziert sind, konnten wir ja gar nicht kontrollieren.“
Inhaberin eines Modehauses reicht Klage gegen die 2G-Regel ein: Urteil gilt nur für den Laden in Hanau
Kolb, deren Geschäft in Hanau fünf Monate geschlossen war, sah von vornherein eine deutliche Benachteiligung. „Warum sind neben Betrieben der akuten Versorgung der Bevölkerung wie Apotheken, Drogerien, Tankstellen auch Gartenmärkte und Blumenhandlungen oder Buchläden von der 2G-Regel ausgenommen“, fragt Kolb, „Bekleidungs- und Modegeschäfte aber nicht?“
Das Gericht gab ihr Recht, sieht das Grundrecht auf Gleichbehandlung durch die Coronavirus-Schutzverordnung verletzt. Aus der Verordnung gehe nicht mit hinreichender Gewissheit hervor, welche Ladengeschäfte unter die Zugangsbeschränkung 2G fallen sollten. Das Gericht machte geltend, dass im Sozialgesetzbuch als Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts neben der Ernährung, Körperpflege und dem Hausrat auch die Kleidung genannt werde.
Das Frankfurter Urteil gilt nur für den Laden in der Hanauer Innenstadt, für die Büdinger Geschäfte entscheidet das Verwaltungsgericht in Gießen: Der nächste Schritt auf Tanja Kolbs Weg. Sie hofft, dass der Spuk bald ein Ende hat, dass die Landesregierung entscheidet – so wie in Bayern oder Baden-Württemberg.
Inhaberin eines Modehauses reicht Klage gegen die 2G-Regel ein: Land Hessen will nachbessern
Das Land Hessen erklärte gestern, nachbessern zu wollen. Der Handelsverband hatte die Landesregierung aufgefordert, 2G für den Einzelhandel generell zu beenden. „Mein Herzenswunsch ist, dass die Regel für Hessen schnell kippt“, so Kolb. Sie überlegt, gegebenenfalls eine Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel einzureichen. Der würde dann für ganz Hessen entscheiden.
In Hanau haben sie die Kontrolltheke am Eingang zum Geschäft gleich nach Bekanntwerden des Urteils weggeräumt, ein Schild am Eingang platziert. Die Reaktionen der Kunden, die unmittelbar über Social Media und Newsletter informiert wurden, seien genauso gemischt, wie die Reaktionen zuvor zu 2G.
„Wir hatten Menschen, die sich gegen Einlasskontrollen gewehrt haben, andere haben sich sicherer gefühlt. Gestern war genauso: Die einen freuen sich, dass 2G gefallen ist im Laden, andere nicht“, erklärt Kolb. Zwiegespalten nennt sie es, so wie die ganze Corona-Diskussion. „Aber das müssen wir aushalten.“

Klage gegen die 2G-Regel: Industrie- und Handelskammer hält den Beschluss für wegweisend
Bei aller Debatte stehe für sie jedoch fest – und Untersuchungen belegten dies –, dass der Einzelhandel überhaupt kein Infektionstreiber sei, vor allem, weil die Flächen groß seien. „Aber das hat nie jemand bedacht.“
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern hält den Beschluss für wegweisend für den Einzelhandel. Denn damit werden Einkaufen, Shoppen und Bummeln leichter möglich. Weil die Entscheidung des Gerichts nur auf den Einzelfall abzielt, erstellt die IHK derzeit ein aktuelles Lagebild in Handel, Gastronomie und Tourismus.
Inhaberin eines Modehauses reicht Klage gegen die 2G-Regel ein: Unternehmen sollen befragt werden
Die Unternehmen werden befragt, welche der Schutzmaßnahmen rings um die Pandemie nur noch mit Mühe zu vermitteln sind und welche Formen der Lockerung eine vertretbare Erleichterung im Tagesgeschäft sein können. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde hofft, dass die Landesregierung nach dem Gerichtsentscheid und der Umfrage ihr bisheriges 2G-Regelwerk hinterfragt.
Eine Kundin, die am Dienstagmittag in den Laden an der Rosenstraße gekommen, freut sich, „wieder unbeschwert“ einkaufen gehen zu können. Erst vergangene Woche seien sie nicht eingelassen worden, weil ihre Tochter die Papiere vergessen habe.
2G im Einzelhandel: Mit den neuen Corona-Regeln hat sich der Alltag Anfang Dezember auch in Hanau verändert. (Yvonne Backhaus-Arnold)