Stadt Hanau will keine Hängepartie - Fragen und Antworten zum geplanten Kaufhof-Deal
Jahrzehntelang war die Kaufhof-Filiale in der Hanauer Innenstadt eine Institution. Nun schließt sie - und die Stadt führt Gespräche über die Zeit danach.
Hanau – Seit Mitte März ist bekannt, dass die Galeria-Kaufhof-Filiale in Hanau zum 31. Januar 2024 geschlossen wird. Die Stadt hat sofort den Finger gehoben, will die Immobilie kaufen. Gespräche laufen. Ein Abschluss könnte sogar schnell zustande kommen. Wie ist der aktuelle Stand, was ist geplant, wie könnte eine künftige Nutzung aussehen?
Der Hanauer Anzeiger hat mit Experten gesprochen, darunter Stadtentwickler Martin Bieberle, Thomas Müller von der Bauprojektgesellschaft Terramag sowie Architekt Rainer Krebs, und hat Informationen zu dem ehrgeizigen Projekt zusammengetragen.
Kaufhof in Hanau: Gebäude am Marktplatz steht unter Denkmalschutz
Was ist das Besondere an der Immobilie?
Das Gebäude mit 16 000 Quadratmetern Gesamt- und 11 000 Quadratmetern Nutzfläche stammt aus dem Jahr 1957. Damals zog Kaufhof von der Nürnberger Straße an den Marktplatz. Das Haus mit der markanten Glas-Metall-Fassade steht unter Denkmalschutz – zu Recht, sagt Architekt Rainer Krebs, es sei ein herausragendes Beispiel der Architektur der Wirtschaftswunderzeit.
Wem gehört das Gebäude?
Einem Immobilienfonds mit Sitz in Luxemburg. Die KH Hanau S. C. S. Objektgesellschaft ist dem amerikanischen Großinvestor Apollo Global Management zuzuordnen. Die Signa-Gruppe des Geschäftsmanns René Benko hatte 2019 alle Anteile des Galeria-Konzerns übernommen und in der Folge Immobilien ausgelagert beziehungsweise an Investmentfonds wie Apollo verkauft.

Mit wem verhandelt die Stadt?
Mit zwei von den Eigentümern mandatierten Managementgesellschaften: Der Lapithus Management GmbH in Frankfurt und der von dieser beauftragten RME Retail Management (Oberhausen).
Kaufhof in Hanau: Stadt verhandelt mit Investoren - „Wir sind breit unterwegs“
Wie weit sind die Gespräche fortgeschritten?
Man ist in einer Sondierungs- und Prüfungsphase. Dabei geht es um bauliche Fragen, um juristische und steuerrechtliche Themen, um Denkmalschutz. Es gab bereits Ortstermine. „Wir sind breit unterwegs“, sagt Stadtentwickler Bieberle.
Wie ist der Zustand des Gebäudes?
Berücksichtigt man das Alter der Immobilie, dann offenbar gut. Allerdings: Die Heizungsanlage wird mit Öl betrieben. Und: Vor allem die fehlende Isolierung, der fehlende Wärmeschutz und die aus energetischen Gründen problematische Fassade sind ein Manko. Das soll auch die Ertragssituation der Galeria Kaufhof belastet haben, weil die Nebenkosten wegen der enorm gestiegenen Energiepreise in die Höhe schossen.
Wie hoch ist der Sanierungsaufwand?
Er dürfte erheblich sein. Bei der Heizungs- und Belüftungstechnik muss „einiges angepasst werden“, sagt Architekt Rainer Krebs. Die Fassade bestehe aus Einscheiben-Glas. Sie muss und soll aus Denkmalschutzgründen erhalten bleiben. Um einen Wärmeschutz herzustellen, müsste im Inneren quasi eine zweite Wand eingezogen werden. Der Architekt: „Die Herausforderung wird sein, etwas zu schaffen, das eine flexible Nutzung möglich macht.“ Allein die Sanierung wird wohl einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Man werde alles auf Herz und Nieren prüfen, sagt Stadtentwickler Bieberle.
Kaufhof in Hanau: Stillschweigen zu möglichem Kaufpreis
Ist bereits über einen Kaufpreis gesprochen worden? Wie hoch könnte er sein?
Ja, das sei Thema in den Gesprächen, heißt es. Doch man hat Stillschwiegen vereinbart. Martin Bieberle zeigt sich zuversichtlich, dass man sich einigen wird. Bekannt ist, dass die Stadt in den vergangenen Jahren für rund 20 Millionen Euro vorwiegend in der Innenstadt Immobilien gekauft hat, um die Stadtentwicklung im positiven Sinn zu lenken. Dazu gehören die ehemalige Commerzbank am Kanaltorplatz (künftig: Zentrum für Demokratie und Vielfalt), das Brachmann-Haus, Gebäude an der Hospital- und Hammerstraße und in der Altstadt (Metzgerei Kober) sowie an der Nürnberger Straße (Kunstkaufladen Tacheles, künftig Service- und Beratungscenter Innenstadt) und Immobilien im Bereich des Hauptbahnhofs. Der Erwerb des Galeria-Gebäudes dürfte wohl teurer werden als die oben genannten Ankäufe insgesamt.
Wie könnte eine Finanzierung aussehen?
Die städtische Bauprojekt Hanau GmbH kauft das Gebäude, muss dafür und für die Sanierung Darlehen aufnehmen. „Zumindest in den ersten Jahren muss außerdem ein finanzieller Zuschuss an die Bauprojekt Hanau GmbH gehen“, sagt Martin Bieberle. Die Immobilie sofort wirtschaftlich zu betreiben, sei nicht realistisch. Zudem soll eine städtische Bürgschaft den Kauf absichern. Außerdem hofft man für den Kauf und die energetische Sanierung auf Fördermittel von Bund und Land.
Kann sich Hanau den Kauf der Immobilie leisten?
Ja, meint Stadtentwickler Bieberle. „Denn was passiert, wenn nichts passiert? Dann hätten wir mitten im Herzen der Stadt über zehn Jahre oder mehr einen Klotz, der leer steht und vieles, was mit dem Stadtumbau erreicht worden ist, kaputt macht beziehungsweise konterkariert. Die Folgen wären fatal.“
Kaufhof in Hanau: Stadt will keine Hängepartie - Verkauf könnte schnell vonstattengehen
Welche Bedeutung hat der Kaufhof für den innerstädtischen Einzelhandel?
Der Betrieb vereint zehn Prozent des gesamten Innenstadt-Einzelhandelsumsatzes auf sich, heißt es in einer von der Stadt beauftragten Kurzstellungnahme der auf Einzelhandel spezialisierten CIMA Beratung und Management GmbH. Ein längerer Leerstand hätte „wesentliche Auswirkungen auf die Attraktivität und Besuchshäufigkeit der Hanauer Innenstadt.“
Wie schnell könnte ein Ankauf der Immobilie erfolgen?
Relativ rasch. Angeblich drücken die vom Eigentümer beauftragten Manager aufs Tempo. Insider sprechen von einem „recht schmalen Zeitfenster“. Auch die Stadt will keine Hängepartie.

Woran könnte das Geschäft scheitern?
Ganz einfach: Am Geld, an überzogenen Forderungen der Eigentümer. Aber: Der Eigentümer könnte aufgrund der Vorkaufsrechtsatzung nicht gegen den Willen der Stadt anderweitig verkaufen. Wenn das Vorkaufsrecht geltend gemacht wird, kann aber auch ein langwieriger Rechtsstreit beispielsweise über den Verkehrswert der Immobilie folgen.
Kaufhof in Hanau: Entscheidung über Kaufvertrag nach den Sommerferien?
Wie sieht der Zeitplan aus, wann man sich einigt?
Noch vor der Sommerpause könnte aufgrund der Daten, die jetzt zusammengetragen werden, intern eine Grundsatzentscheidung fallen. In den Sommerferien wäre Zeit, um nachzuarbeiten, erläutert Martin Bieberle. Nach der Sommerpause sollen, wenn alles glatt läuft, die politischen Gremien über einen Kaufvertrag entscheiden.
Gibt es bereits Ideen für eine künftige Nutzung des Gebäudes?
Ja, viele. Sie reichen von Geschäften im Erdgeschoss über Büros in den oberen Stockwerken bis zu einer Begegnungsstätte, einer Kleinmarkthalle oder einer Kleinkunstbühne. Immer wieder genannt: Medizinische und ärztliche Einrichtungen. Man werde auch den Bedarf an innerstädtischen Räume für Kitas und Schulen prüfen, heißt es. Und es ist auch von einer Zwischennutzung die Rede: Zum Beispiel für ausgelagerte Büros während der Bauphase des „Hauses des Erwerbslebens“, das die Arbeitsagentur und die Stadt im Hinblick auf die Kreisfreiheit Hanaus im Bereich des Hauptbahnhofs gemeinsam bauen wollen.
Wie laufen die Vermittlungsbemühungen für die Kaufhof-Mitarbeiter?
Es gab bisher zwei Gespräche der Stadtspitze mit dem Betriebsrat. Vereinbart wurde, dass sich die Stadt einmal pro Monat mit dem Betriebsrat trifft. Über ein Netzwerk sollen Angebote an Kaufhof-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter vermittelt werden. Es seien bereits 30 Angebote eingegangen, so die Stadt, und es habe auch schon erste Vermittlungen gegeben.
(Yvonne Backhaus-Arnold und Christian Spindler)