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Festspiel-Preisträger Hartmut Volle engagiert sich für Ferhat-Unvar-Initiative in Hanau

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In den künftigen Räumen der Bildungsinitiative Ferhat Unvar trafen sich Serpil Temiz Unvar, Ali Yildirim und Hartmut Volle.
In den künftigen Räumen der Bildungsinitiative Ferhat Unvar trafen sich Serpil Temiz Unvar, Ali Yildirim und Hartmut Volle. © REINHARD PAUL

Workshops an Schulen, Kurse über antirassistischen Sprachgebrauch, ein Workshop über Rassismus in den Medien, ein Café der Begegnung – an Angeboten und Ideen mangelt es der Hanauer Bildungsinitiative Ferhat Unvar nicht. Für ihr Engagement, das sie nach dem rassistisch motivierten Anschlag vom 19. Februar einem besseren Miteinander in der Gesellschaft widmet, hat die Initiative gerade erst den Aachener Friedenspreis erhalten.

Hanau - Gestern nahm die Mutter von Ferhat Unvar, die die Initiative ins Leben gerufen hat, gemeinsam mit Ali Yildirim als engem Mitarbeiter und Freund des getöteten Sohnes erst mal einen anderen Preis entgegen: Der Schauspieler Hartmut Volle übergab – wie bei der Verleihung schon angekündigt – die 1000 Euro des Darstellerpreises, der ihm von der Jury des Vereins für Kunst und Kultur in Hanau verliehen worden war, an die Initiative. Und er nutzte die Übergabe zu einem Besuch in den neuen Räumlichkeiten, die gerade im einstigen DGB-Jugendheim eingerichtet werden.

Hatte das Publikum Hartmut Volle im Kleist-Drama „Der zerbrochne Krug“ in der Rolle des Dorfrichters Adam erlebt, zeigt sich der Schauspieler im realen Leben seiner Überzeugung sicher: Er erlebe gerade, wie die Gesellschaft am Auseinanderdriften sei. „Es ist keine Basis für Demokratie, wenn jeder nur an das eigene Fortkommen denkt“, sagte Volle gestern. Da sei für ihn sehr schnell klar gewesen, dass das ihm verliehene Preisgeld am besten bei einer so wichtigen Bildungsarbeit aufgehoben sei. Schließlich habe Hanau die hässliche Fratze von Gewalt und extremer Gesinnung erleben müssen.

Wie sinnvoll sein Geld eingesetzt wird, zeigten Serpil Temiz Unvar und Ali Yildirim an ihrer neuen Wirkungsstätte. Noch sind die Räume, die die Initiative angemietet hat, kahl und leer. Doch die Wände sind frisch gestrichen, der Boden verlegt, die Heizungen gesetzt. Bis auf Spezialarbeiten wie die Elektrik wurde alles ehrenamtlich und in Eigenarbeit geleistet. „Hier werden wir künftig unsere Arbeit koordinieren“, erklären Unvar und Yildirim bei einem Rundgang. Am 14. November soll, wie berichtetet, alles fertig sein, dann wird Einweihung gefeiert – am Geburtstag von Ferhat. „Er wäre jetzt 25 Jahre alt geworden, mit 23 ist er gestorben“, sagt die Mutter.

Ihr ist es gelungen, die Trauer und den Schmerz über den Tod des Sohnes und acht weiterer junger Menschen, die ebenfalls am 19. Februar erschossen wurden, in positive Energie umzuwandeln: „Wir arbeiten gegen den Schmerz“, sagt sie. Ihr Ziel ist, über Bildung junge und alte Menschen zu erreichen und sie zu sensibilisieren, achtsam miteinander umzugehen. Sie spricht vom Versuch, „ganz unten anzufangen, bei Kindergarten- und Schulkindern“. Denn Bildung sei zuhause mit ihrem Sohn Ferhat, der sich in der Schule schwertat, immer ein großes und wichtiges Thema gewesen. Gemeinsam mit vielen ehemaligen Klassenkameraden und Altersgenossen ihres Sohnes arbeitet sie kontinuierlich an Konzepten, die dazu beitragen sollen, dass sich die Haltung verändert. Kinder und Jugendliche von heute, die später Polizisten, Lehrer, Journalisten würden, sollten wissen, dass es eine Betroffenenperspektive gibt, ergänzt Ali Yildirim. Es gehe nicht darum, Menschen Schuldgefühle zu vermitteln oder mit dem Knüppel Kritik zu üben. Sowohl Nicht-Migranten als auch Migranten müssten voneinander lernen. „Es geht darum, sich bewusst zu machen, wo es Rassismus gibt, in der Sprache, im Umgang, oft auch unbewusst“, sagt Yildirim. Der Auheimer Bub und Kindheitsfreund von Ferhat, der nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Gießen jetzt auf seinen Master hinarbeitet, bringt sich mit vielen Stunden ehrenamtlich in die Initiative ein. „Wir sind rund 25 Mitstreiter“, sagt er auf die Frage von Volle, „und alle sind mit dem Herzen dabei“.

Um ihre Arbeit voranzutreiben, arbeitet die Initiative eng mit anderen Stiftungen oder Initiativen zusammen. Im Rahmen des Projekts „Demokratie lebt“ besuchen Mitarbeiter der Initiative Schulklassen, die Themen können sich die Schulen aus einer ganzen Palette aussuchen. Am 29. Oktober kommt die Rosa-Luxemburg-Stiftung nach Hanau, die die Initiative ebenfalls unterstützt.

Diese Unterstützung ist für das Fortbestehen der Initiative elementar. So wie Spenden wie die von Hartmut Volle. Dass die Arbeit der Initiative bei vielen Menschen bereits im Bewusstsein angekommen ist, zeigt laut Ali Yildirim ein Beispiel einer Schule in Erlenbach. Dort waren einige Mitglieder der Initiative auf Einladung einer von Schülern organisierten Podiumsdiskussion gefolgt. Daraufhin hat diese Schule einen Spendenlauf organisiert und 9000 Euro gespendet.

Von Jutta Degen-Peters

„Wir arbeiten gegen den Schmerz“, sagt Serpil Temiz Unvar, hier im Gespräch mit Hartmut Volle. Ihr Sohn Ferhat war eines der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags vom 19. Februar 2020. :
„Wir arbeiten gegen den Schmerz“, sagt Serpil Temiz Unvar, hier im Gespräch mit Hartmut Volle. Ihr Sohn Ferhat war eines der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags vom 19. Februar 2020. : © Reinhard Paul

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