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Abbaubares Bio-Plastik aus Himbeer-Abfällen

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Von: Dirk Iding

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Aus Himbeer- oder Apfeltrester gewinnen IMKS-Forscher Hemicellulose, mit deren Hilfe biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe für den Alltagsgebrauch optimiert werden können. J   Foto: IMWS
Aus Himbeer- oder Apfeltrester gewinnen IMKS-Forscher Hemicellulose, mit deren Hilfe biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe für den Alltagsgebrauch optimiert werden können. © IMWS

Hanau/Alzenau -  Der Name „Fraunhofer“ ist den meisten ein Begriff – er steht für Forschung, genauer gesagt für angewandte Forschung.

Doch was heißt das eigentlich konkret? Und woran arbeiten die Forscher in unserer Nachbarschaft tatsächlich? In einer Serie stellen wir in loser Folge verschiedene Projekte vor. Heute geht es um das Thema Bioplastik.

An den beiden Standorten Alzenau und Hanau hat sich die Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS angesiedelt. Die Forscher des IWKS arbeiten an neuen Lösungen und Verbesserungen, die dabei helfen, nicht nur Ressourcen zu schonen oder zu ersetzen, sondern Wertstoffe aus Altprodukten wieder in einen Kreislauf zu überführen. Im letzten Beitrag wurde erläutert, wie die Forscher aus gebrauchten Babywindeln wertvolle Nährstoffe wie Phosphor oder Stickstoff zurückgewinnen.

Doch beim Thema Recycling und Wertstoffkreisläufe werden nicht nur Abwässer, sondern vielfältige Stoffströme betrachtet. Einer dieser Stoffe, der zuletzt immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat, ist Kunststoff. Die Herausforderung: Viele industriell genutzte Kunststoffe basieren auf Erdöl, einem Rohstoff, der nicht nur endlich ist, sondern sich am Ende des Lebenszyklus nur schwer recyceln lässt. Zwar kann sich Kunststoff prinzipiell zersetzen, jedoch nur über einen sehr langen Zeitraum und in der Regel bleiben kleinste Rückstände, sogenanntes Mikroplastik, zurück, welches sich durch die Nahrungskette auch im Menschen anreichern kann.

Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, dem Mutterinstitut in Würzburg, arbeitet die Fraunhofer-Projektgruppe IWKS daher an alternativen Materialien zur Kunststoffherstellung und -optimierung. Mittlerweile gibt es bereits biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe, die für Abfalltüten oder für das Abwiegen von Obst und Gemüse im Supermarkt eingesetzt werden. Für anspruchsvollere Verpackungsaufgaben sind sie jedoch häufig nicht geeignet, beispielsweise für Lebensmittel, die stabil verpackt über einen längeren Zeitraum aromasicher und geschützt vor Feuchtigkeit und Sauerstoff ihre Frische bewahren sollen. Auch herkömmliche Lacke und Beschriftungen sind in der Regel nicht biologisch abbaubar.

Die Forscher der Projektgruppe arbeiten derzeit daran, genau diese Eigenschaften zu verbessern. Dabei wird Hemicellulose als Zusatz für Beschichtungen oder biobasierte Verbundwerkstoffe eingesetzt, um Haftung und Reißfestigkeit zu optimieren, ohne dass dafür nicht biologisch abbaubare Stoffe verwendet werden müssen. Die Hemicellulose wird im Forschungsprojekt aus Abfallstoffen wie Himbeer- oder Apfeltrester gewonnen, die bisher nur für Tiernahrung verwendet oder direkt einer Kompostierung zugeführt werden. Besonders wichtig ist für die Forscher, dass die genutzten Ausgangsstoffe keine Konkurrenz zur Lebensmittelgewinnung darstellen. Im Fall der bei der Projektgruppe verwendeten Trester handelt es sich um Nebenprodukte der Saft- und Pektinherstellung.

Als natürlicher Bestandteil in pflanzlichen Abfällen bietet Hemicellulose nicht nur den Vorteil, dass sie aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden kann. Die Moleküle der Hemicellulose sind vielseitig modifizierbar, stabil und vielfach verzweigt. Deshalb können sie sich leicht mit anderen Materialien verbinden und verbessern so beispielsweise die Haftung von Beschichtungen.

Die Gewinnung der Hemicellulose erfolgt mit einer Pilotanlage im Technikumsmaßstab - eine optimale Grundlage zur späteren Übertragung auf die industrielle Anwendung. Der Einsatz im Lacksystem wurde bereits erfolgreich getestet. Die Forschungsarbeit des Fraunhofer ISC und seiner Projektgruppe IWKS zu bioabbaubaren Beschichtungen wurde unlängst mit dem New Plastics Innovation Prize der Ellen MacArthur Foundation ausgezeichnet.

Insgesamt bietet das Verfahren wichtige Vorteile: So können Lacke nicht nur wasserlöslich und gleichzeitig biologisch abbaubar hergestellt werden, sondern auch biologisch abbaubare Kunststoffe in ihrer Steifigkeit und Stabilität optimiert werden. Zudem ist das Verfahren äußerst effizient und wirtschaftlich, da Fruchtreste eigentlich ein Abfallstoff und daher sehr kostengünstig sind.

Ebenfalls in Trestern enthalten sind sogenannte Lignine, die zum Beispiel für die Herstellung einer biologisch abbaubaren Umhüllung von Düngekörnern genutzt werden können.

Die Fraunhofer-Projektgruppe IWKS forscht gemeinsam mit Industriepartnern an weiteren Einsatzmöglichkeiten und der Optimierung von Prozessen für den Einsatz von Funktionsstoffen aus biologischen Abfallstoffen. Die Möglichkeiten seien hier bei Weitem noch nicht ausgeschöpft und der Bedarf an weiterer, anwendungsorientierter Forschung sei enorm, so die Wissenschaftler. (did)

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