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Französischer Konzern Data4 wird Rechenzentrumsbetreiber in Großauheim

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Von: Kerstin Biehl

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Olivier Micheli, Vorstandsvorsitzender Data4
Die Abrissarbeiten laufen: Auf dem ehemaligen Kasernenareal in Großauheim müssen rund 500 000 Kubikmeter umfassende alte Gebäudesubstanz, darunter vorwiegend Lagerhallen, abgerissen werden. Sie sollen zu mehr als 75 Prozent recycelt werden. © -

Bis dato zählte das weitläufige Areal der Großauheim-Kaserne eher zu den vergessenen Flächen der Stadt. Sogar den meisten Hanauern dürfte die ehemalige Militäreinrichtung kaum bekannt sein, da dort zu Zeiten der Amerikaner wenig Publikumsverkehr herrschte. Nun aber kommt die ehemalige Kaserne groß raus. Auf ihr wird einer der größten europäischen Rechenzentrumsbetreiber, der Konzern Data4 aus Frankreich, seine Server installieren.

Hanau – Das gab die Stadt Hanau gestern Morgen im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt. „Den heutigen Tag kann man mit dem Begriff Zukunft überschreiben“, sagte Oberbürgermeister Claus Kaminsky. „Das Großprojekt wird in den 30er und 40er Jahren unseres Jahrhunderts zum Erhalt des Wohlstands in unserer Stadt ein weiteres Standbein sein.“

Konkret wird Data4 Eigentümer und Betreiber des künftigen Großrechenzentrums, das dem Konzern zudem als Deutschland-Zentrale dienen soll. Auf der rund 20 Hektar großen Fläche soll ein Rechenzentrum-Campus gebaut werden. Das Investitionsvolumen beträgt eine Milliarde Euro plus X. 500 Arbeitsplätze sollen dadurch geschaffen werden. „Unser Campus wird für die lokale und regionale Gemeinschaft von Vorteil sein. Wir sehen große Marktchancen in Deutschland und haben hohe Ambitionen für den Campus Hanau, der schließlich einer der größten Rechenzentrums-Campus in Europa werden soll“, so Olivier Micheli, Vorstandsvorsitzender von Data4.

Seit vier Jahren, so berichtet er, habe sein Konzern in Deutschland Fuß fassen wollen. Doch es sei sehr schwierig gewesen. „Aber ich habe nicht aufgegeben, weil ich von Deutschland überzeugt bin.“ Data4 ist außer in Frankreich, wo das Headquarter des Konzerns in der Nähe von Paris liegt, auch in Spanien, Italien und Polen mit Rechenzentren vertreten.

Gegründet wurde Data4 vor 16 Jahren, mittlerweile zählt das Unternehmen zu einem der größten europäischen Betreiber von Datencentern in Europa. „Dabei finanzieren, planen, bauen und betreuen wir all unsere Datencenter selber“, sagt Micheli. Ziel von Data4 sei es, europäischer „Datencenter-Champion“ zu werden.

Dafür sei der Standort Deutschland enorm wichtig. Das Hanauer Projekt passe perfekt in die Strategie des Unternehmens, große Campus zu entwickeln. Der Campus in Frankreich etwa sei mit seinen 18 Gebäuden und 250 Megawatt-Leistung der größte in Europa. „Diesen Erfolg wollen wir in Hanau wiederholen“, so der Vorstandsvorsitzende von Data4. Auf der europäischen Rechenzentrums-Landkarte soll Hanau mit dem geplanten Campus dann einer der leistungsstärksten Standorte in Deutschland sein.

Auch Projektentwickler P3 Logistic Parks GmbH zeigt sich zufrieden: „Mit Data4 hat P3 einen etablierten Rechenzentrumsbetreiber gefunden“, so Semir Selcukoglu, Leiter Spezialprojekte bei P3. Durch die Übernahme profitierten das Projekt und auch die Stadt Hanau von der langjährigen Erfahrung des Unternehmens. P3 werde die bereits laufenden Abriss- und Erschließungsarbeiten weiter begleiten und so die Projektkontinuität sicherstellen.

Die rund 500 000 Kubikmeter umfassende alte Gebäudesubstanz, darunter vorwiegend Lagerhallen, muss abgerissen und soll zu mehr als 75 Prozent recycelt werden. Ein Großteil des nach Aufarbeitung gewonnenen Baumaterials soll direkt wieder auf dem Gelände verwendet werden.

Artenschutzmaßnahmen wurden umgesetzt, beispielsweise die Schaffung von Eidechsen-Habitaten, Nisttürmen, Brut- und Fledermauskästen. Damit erfülle man bereits bei der Bauvorbereitung die Forderung der Stadt, das Projekt nachhaltig und umweltfreundlich zu realisieren. Laut Nachhaltigkeitsvereinbarung der Stadt soll das Rechenzentrum zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben werden. Einen Beitrag dazu soll eine rund zehn Hektar große Photovoltaikanlage leisten, die in direkter Nachbarschaft gebaut wird.

Eine Beeinträchtigung der Stromversorgung der Stadt ist nicht zu befürchten, beruhigt Claus Kaminsky. da die Stromhauptmenge aus dem europäischen Verbundnetz kommen wird. Der Stromverbrauch für das Rechenzentrum wird geschätzt bei 180 Megawatt liegen. Zur Unterstützung der benötigten Infrastruktur werden von den Stadtwerken und von Hanau Netz ein Blockheizkraft- sowie ein Umspannwerk errichtet.

Bezüglich der Nutzung der Abwärme sei man bereits in Gesprächen mit den beteiligten Unternehmen. Data4 verfolge den Plan, Abwärme für die Hanauer nutzbar zu machen, heißt es vonseiten der Stadtwerke. Die von P3 und der Stadt getroffene Nachhaltigkeitsvereinbarung sei von Data4 übernommen worden.

Die Errichtung des Rechenzentrums sei ein wichtiger Baustein in der zukunftsgerichteten Wirtschaftsstrategie der Stadt mit dem Ziel, mittelfristig die Gewerbesteuereinnahmen unabhängiger vom Export zu machen, so der OB. „Ein weiterer Aspekt unserer Ansiedlungsstrategie für Rechenzentren ist es, Flächen, die ansonsten wirtschaftlich nur schwer nachzunutzen wären, einer für unsere Stadt positiven Nutzung zuzuführen.

Bezogen auf die Großauheim-Kaserne habe dies bedeutet, mit Rücksicht auf die Anwohner Verlockungen von Logistik-Unternehmen zu widerstehen. Die Erkenntnis „Lieber 50 Millionen E-Mails als 5000 Laster“ bringe dies gut auf den Punkt.

Mit der Inbetriebnahme des ersten Moduls wird 2024, spätestens 2025 gerechnet. Die vollständige Entwicklung soll bis 2032 abgeschlossen sein. Oberbürgermeister Kaminsky betont, dass mit der Konversion der Großauheim-Kaserne das Finale der Umwidmung ehemaliger Hanauer Militärgelände eingeleitet werde. „Damit sind wir nach gut 15 Jahren in Hanau mit der Konversionsentwicklung durch. Darauf können wir stolz sein. Das ist nicht selbstverständlich“, so das Stadtoberhaupt.

Von Kerstin Biehl

In Hanau werden auf unserem Data-Campus rund 500 Arbeitsplätze entstehen.
Olivier Micheli, Vorstandsvorsitzender Data4. © -
Die Abrissarbeiten laufen: Auf dem ehemaligen Kasernenareal in Großauheim müssen rund 500 000 Kubikmeter umfassende alte Gebäudesubstanz, darunter vorwiegend Lagerhallen, abgerissen werden. Sie sollen zu mehr als 75 Prozent recycelt werden.
Oberbürgermeister Claus Kaminsky (rechts) freut sich über das Großrechenzentrum. © Kerstin Biehl (2)/Patrick Scheiber

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